Die Vermeidung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung von GmbH-Geschäftsführern durch die richtige Bestellung von verantwortlichen Beauftragten

Die Ausgangslage für das heutige Thema der GmbH-Ecke ist unspektakulär: Anton Alber ist Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in Innsbruck sowie einer im Firmenbuch eingetragenen Zweigniederlassung in Wien. Darüber hinaus ist die Gesellschaft in 15 Betriebsstätten österreichweit tätig. Anton Alber ist daher an insgesamt 17 Standorten für die Einhaltung verschiedenster Verwaltungsvorschriften verantwortlich. Nachdem auch ein außergewöhnlich tüchtiger Geschäftsführer nicht überall gleichzeitig sein kann, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen werden kann.

1. Das Konzept der verwaltungsstrafrechtlichen Haftung

Die Verantwortlichkeit von GmbH-Geschäftsführern umfasst sämtliche Tätigkeitsbereiche des gesellschaftlichen Unternehmens, und zwar sowohl in räumlicher als auch in sachlicher Hinsicht. Für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen haften ab ihrer Eintragung im Firmenbuch (VwGH 26.1.1996, 95/02/0243) grundsätzlich die zur Vertretung nach außen berufenen natürlichen Personen (§ 9 Abs 1 VStG), im Falle einer GmbH also in erster Linie die Geschäftsführer ab dem Zeitpunkt ihrer Bestellung. 

Der zentralen Bestimmung des § 9 Abs 1 VStG liegt das Konzept zu Grunde, 

Besteht die Geschäftsführung der Gesellschaft aus mehreren Personen, so trifft die Verantwortung sämtliche Organmitglieder gemeinsam (VwGH 5.7.2012, 2010/09/0062). Die Haftung des nicht ressortzuständigen Geschäftsführers entfällt in jenen Fällen, in denen er nachweisen kann, dass hinsichtlich seiner Person kein Verschulden vorliegt. Die GmbH-Geschäftsführer trifft die Pflicht, für ein ausreichendes dichtes und hinlänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen zu sorgen (VwGH 10.10.2004, 2004/03/0269). 

Im Verwaltungsstrafverfahren genügt es nicht, dass die Geschäftsführer das Vorhandensein eines Kontrollsystems behaupten. Es muss im Einzelnen dargelegt werden, was im gesellschaftlichen Unternehmen getan wurde, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und wie das Kontrollsystem tatsächlich funktionieren sollte (VwGH 10.10.2004, 2004/02/0269). Das Kontrollsystem muss so gestaltet sein, dass 

Nur wenn ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet ist, kann ein Geschäftsführer sein mangelndes Verschulden erfolgreich glaubhaft machen (VwGH 24.5.2012, 2010/03/0056). Er hat demnach auch zu beweisen, dass er es bei der Auswahl und Überwachung der von ihm beauftragten Personen nicht an der pflichtgemäßen Sorgfalt hat fehlen lassen (VwGH 29.6.2011, 2007/02/0358). Die Geschäftsführer haften daher im Regelfall für ein Auswahl- und ein Überwachungsverschulden (VwGH 17.6.2004, 2002/03/0200).

2. Verwaltungsstrafrechtliche Haftungsvermeidungsstrategien 

GmbH-Geschäftsführer sind gemäß § 9 Abs 2 VStG berechtigt und – soweit es sich zur Sicherstellung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist – auf Verlangen der Behörde oder auf Grundlage sondergesetzlicher Bestimmungen verpflichtet, durch Gesamtvertretung

Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten kann nicht nur freiwillig, sondern auch auf Verlangen der zuständigen Behörde erfolgen; die Aufforderung hierzu ist an alle Geschäftsführer zu richten. Für den betroffenen Geschäftsführer führt die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zu keinem Zuwachs an Verantwortung; er hätte diese ohnehin (§ 9 Abs 1 VStG). Allerdings bewirkt seine Bestellung eine Verantwortlichkeitsentlastung für die anderen zur Vertretung nach außen berufenen Personen.

Die zur Vertretung nach außen berufenen GmbH-Geschäftsführer haften also nicht, wenn sie verwaltungsstrafrechtliche Beauftragte bestellt haben (§ 9 Abs 2 VStG). Bereits durch die ordnungsgemäße Bestellung kommt es zum Wechsel der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit: dem verantwortlichen Beauftragten obliegt grundsätzlich die Haftung für den abgegrenzten Bereich einschließlich die Einhaltung der dafür bestehenden Vorschriften und Erfüllung allfälliger durch Bescheid aufgetragener Auflagen.

Die Bestellung von mehreren verantwortlichen Beauftragten für den gleichen Zuständigkeitsbereich ist unzulässig (VwGH 30.3.2006, 2004/15/0022). Der verantwortliche Beauftragte muss über eine entsprechende Anordnungsbefugnis verfügen, 

Trotz der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten bleibt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung von GmbH-Geschäftsführern für Gesetzesübertretungen bestehen (§ 9 Abs 7 VStG), wenn

3. Voraussetzungen und Wirksamkeit der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten

Verantwortlicher Beauftragter in beiden Fällen des § 9 Abs 2 VStG kann nur eine  natürliche Person sein, 

Die Namhaftmachung des verantwortlich Beauftragten (einschließlich dessen Zustimmungsnachweis) hat (erst) während dem Verwaltungsstrafverfahren zu erfolgen und nicht im Vorhinein. Es ist im Regelfall nicht erforderlich, dass der Behörde schon vor der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten bekannt gegeben wird. 

4. Sondergesetzliche Bestimmungen

Die nachfolgende Übersicht will – freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einen praxistauglichen Überblick bieten, um sich im Dschungel der verwaltungsrechtlichen Vorschriften bei der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten oder mit diesen vergleichbarer Aufgabenträger besser zu Recht zu finden¸ ich habe mich dabei allerdings auf bundesgesetzliche Regelungen beschränkt. 

Übersicht: Fallgruppen von verantwortlichen Beauftragen


Bezeichnung











 






 




Abfallbeauftragter (§ 26 AWG)






x




Arbeitsinspektionsgesetz (§ 23 ArbIG)



x







Arbeitsruhegesetz





x





Arbeitszeitgesetz





x





Ausländerbeschäftigungsgesetz



x







Außenhandelsgesetz (§ 26 AußHG)




x






Baustellenkoordinator




x






Beauftragte nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz




x






Bundesgesetz über die Nachtarbeit von Frauen





x





Geschäftsführer des Netzbetreibers im Energierecht






x




Gewerberechtlicher Geschäftsführer (§ 9 iVm § 39 GewO)






x




Giftbeauftragter (§ 44  Abs 3 iVm § 71 Abs 1 Z 15 ChemG)





x





Gleichbehandlungsbeauftragte im Energierecht





x


x




Netzbetreiber nach dem Gaswirtschaftsgesetz (§ 14 Abs 1 Z 4 iVm § 16 GWG)






x




Planungskoordinator




x






Präventivfachkraft (§ 73 ASchG)





x



x



Qualitätsbeauftragter








x


Rohrleitungsgesetz (§ 26 RohrLG)






x




Sicherheitsfachkraft (§ 73 ASchG)





x



x



Sicherheitskontrollgesetz (§ 15 Abs 2 SKG)




x






Sicherheitsvertrauensperson (§§ 10 ff ASchG)





x


x




Störfall-Sicherheitsbeauftragter  (§ 82a GewO iVm § 6 Abs 3 Störfall-VO)




x






Strahlenschutzbeauftragter



x







Talsperrenverantwortlicher (§ 23a WRG)





x





Umweltbeauftragter








x


Verkehrs-Arbeitsinspektion



x






5. Die richtige Bestellung von verantwortlichen Beauftragten und ausgewählte Rechtsfolgen

Für die richtige Bestellung von verantwortlichen Beauftragten sollten folgende Grundsätze kumulativ gelten:

1. Sorgfältige Auswahl der für die Funktion eines verantwortlichen Beauftragten in Frage kommenden Personen.

2. Die grundsätzliche Bereitschaft des Funktionsadressaten sollte vorhanden sein.

3. Information des Mitarbeiters über die mit der Rechtsstellung eines verantwortlichen Beauftragten verbundenen Rechte und Pflichten.

4. Belehrung über die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit.

5. Schriftliche Bestellung des verantwortlichen Beauftragten durch die GmbH-Geschäftsführung in vertretungsbefugter Anzahl.

6. Festlegung des Verantwortungsbereichs

7. Aufnahme der schriftlichen Zustimmungserklärung des Mitarbeiters und nunmehrigen verantwortlichen Beauftragten.

8. Mitteilung der Bestellung an die zuständige Behörde.

9. Information der Mitarbeiter durch die Geschäftsführung von der Bestellung eines ihrer Kollegen zum verantwortlichen Beauftragten:

10. Interne und / oder externe Schulung des verantwortlichen Beauftragten im Hinblick auf seinen Verantwortungsbereich und die damit verbundenen Pflichten.

11. Aufnahme des Verantwortlichen Beauftragten in eine Directors & Officers-Versicherung und Meldung des Mitarbeiters an die Versicherungsgesellschaft.

12. Kontrolle der Tätigkeit des verantwortlichen Beauftragten durch die Geschäftsführung.

13. Protokollierung der Kontrollmaßnahmen durch die Geschäftsführung und Dokumentation allenfalls festgestellter Mängel = Nachweis einer ordnungsgemäßen Überwachung.

6. Bezahlung von Verwaltungsstrafen

Grundsätzlich hat eine Verwaltungsstrafe derjenige zu bezahlen, über den sie verhängt wird. Allerdings haftet die Gesellschaft zur ungeteilten Hand über eine gegen den Geschäftsführer oder verantwortlichen Beauftragten verhängte  Geldstrafe sowie die  Verfahrenskosten (§ 9 Abs 7 VStG). 

Die Rechtfertigung für eine solidarische Haftung wird darin gesehen, dass vielfach die wirtschaftlichen Vorteile aus der (bewussten) Übertretung von Verwaltungsvorschriften der Gesellschaft (Vermeidung von Aufwendungen zur Herstellung eines gesetzeskonformen Zustands) zu Gute kommen.

Auf Grund der solidarischen Haftung kommt der GmbH im Verfahren gegen die  Geschäftsführer bzw. verantwortlichen Beauftragte Parteienstellung zu. Rechtsfolge ist, dass

Eine von sich aus vorgenommene Bezahlung einer Verwaltungsstrafe direkt durch die Gesellschaft ist gegenüber der Behörde rechtskonform und zulässig.

Im Hinblick auf dieÜbernahme von Verwaltungsstrafen stellen sich die praktischen Gesichtspunkte regelmäßig folgendermaßen dar:

1. Wenn Mitarbeiter ohne Mehrvergütung die Funktion des verantwortlichen Beauftragten übernehmen, wird insoweit eine Haftungsfreistellung erwartet. Eine solche ist jedoch nur im Einzelfall und im Nachhinein zulässig.

2. Bei der Entscheidung, ob Verwaltungsstrafen durch die Gesellschaft übernommen werden, sollte evaluiert werden, ob eine (von der Gesellschaft nicht gewünschte) Pflichtwidrigkeit vorliegt oder es sich um eine nützliche Gesetzesverletzung handelt.

3. Je mehr Mitarbeiter Verwaltungsstrafen selbst zu bezahlen haben, umso 

4. Ein möglicher Ausweg aus dem vorbezeichneten Dilemma besteht in einer betrieblichen Kultur des Vertrauens.

5. Jede rechtskräftig verhängte Verwaltungsstrafe muss Konsequenzen im Hinblick auf die Aufbau- und Ablauforganisation haben.

6. Bei Dienstnehmern entscheidet die Geschäftsführung über die Übernahme von Verwaltungsstrafen durch die Gesellschaft. Wird die Verwaltungsstrafe über einen oder sämtliche Geschäftsführer verhängt, so entscheidet – unabhängig davon, ob eine nützliche Gesetzesverletzung vorliegt oder nicht – die Generalversammlung. Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen bei der diesbezüglichen Abstimmung dem Stimmverbot des § 39 Abs 4 GmbHG.