Braucht eine GmbH einen Aufsichtsrat?

Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft ist bei einer GmbH der Aufsichtsrat kein zwingendes Gesellschaftsorgan. Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem gesetzlich obligatorischen Aufsichtsrat erfordern eine bestimmte Unternehmensgröße und sind daher in der österreichischen Welt von fast 150.000 GmbHs seltener anzutreffen. Nichts desto weniger kann jede Gesellschaft unbeschadet gesetzlicher Pflichten einen Aufsichtsrat einrichten; die wesentlichen Rechtsfolgen werden in diesem Beitrag erörtert.

1. Rechtsgrundlagen

Aufsichtsrat ist nicht gleich Aufsichtsrat: Bei einer GmbH sind folgende Formen des Aufsichtsrates denkbar:

Beispiel

„Die Gesellschaft muss einen Aufsichtsrat haben, der aus mindestens drei und höchstens sechs Mitgliedern besteht.“

Beispiel

Wollen die Gründungsgesellschafter anlässlich der Errichtung der GmbH keinen Aufsichtsrat bestellen, andererseits jedoch eine spätere Bestellung auch nicht ausschließen, so wird die Regelung im Gesellschaftsvertrag etwa wie folgt lauten: „Wenn es das Interesse der Gesellschaft erfordert, können die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen in der Generalversammlung einen Aufsichtsrat mit mindestens drei, höchstens sechs Mitgliedern, bestellen. Der Aufsichtsrat hat in seiner ersten Sitzung einstimmig eine Geschäftsordnung, welche in schriftlicher Form kundgemacht wird, zu beschließen“.

Eine gesetzliche Aufsichtsratspflicht besteht nur, 

Eine GmbH & Co KG hat einen obligatorischen Aufsichtsratzu bestellen, wenn die  GmbH einziger persönlich haftender Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft ist und die Anzahl der Arbeitnehmer im Unternehmen der GmbH und in jenem der KG zusammen im Durchschnitt 300 übersteigt (§ 29 Abs 4 Z 4 GmbHG). Die Kontrollbefugnis des Aufsichtsrats umfasst auch die mittelbare GmbH-Geschäftsführung für die KG. 

Das Gericht hat einen Aufsichtsrat zu bestellen, wenn in einer Verfügung der Verwaltungsbehörde angeordnet wurde, dass die Gesellschaftsorgane sofort ihre Tätigkeit einzustellen haben (§ 94 Abs 2 GmbHG).

Von der obligatorischen Aufsichtsratspflicht gibt es jedoch auch Ausnahmen:

Mit der Errichtung eines Aufsichtsrats sind verschiedene Rechtsfolgen verbunden: Unabhängig davon, ob es sich um einen obligatorischen Aufsichtsrat aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen oder einen gesellschaftsvertraglich zwingenden Aufsichtsrat handelt, besteht eine

Die genannten Rechtsfolgen kommen bei einem gesellschaftsvertraglich fakultativen Aufsichtsrat erst ab dem Zeitpunkt seiner Errichtung zur Anwendung.

Wie so oft im Gesellschaftsrecht sind auch mit der Einrichtung eines Aufsichtsrats Vor- und Nachteile verbunden:

Die Verpflichtung zur Abschlussprüfung wird von den Gesellschaftern üblicherweise pragmatisch gesehen; nicht so ist es im Hinblick auf die gesetzliche und vielfach als Nachteil empfundene Mitbestimmung der Arbeitnehmer (iwS). Aber: damit eine solche überhaupt zum Tragen kommt, ist das Vorhandensein eines Betriebsrates zwingend erforderlich. Ist ein freiwilliger Aufsichtsrat vorhanden, kann dieser durch einen einfachen Gesellschafterbeschluss jederzeit wieder „abbestellt“ werden, wenn die Gefahr einer Mitbestimmung durch die Belegschaftsvertretung droht.

2. Der Aufsichtsrat der GmbH im Vergleich zur Aktiengesellschaft

Die Stellung des Aufsichtsratesin der GmbH unterscheidet sich von jenem einer Aktiengesellschaft vor allem durch den Umstand, dass die Generalversammlung das oberste Willensbildungsorgan ist und der Aufsichtsrat – ungeachtet der Wahrnehmung seiner ihm durch das Gesetz zwingend zugewiesenen Überwachungsaufgaben – letztlich diese übergeordnete Stellung der Generalversammlung der GmbH zu akzeptieren hat.

Die Rechte des GmbH-Aufsichtsrats sind weniger weitgehend als etwa bei einer Aktiengesellschaft im Hinblick auf die Monopolstellung als dienstrechtlicher Ansprechpartner des Vorstands. 

Wesentliche Abweichungen des GmbH-Aufsichtsrats im Vergleich zur Aktiengesellschaft sind:

  1. Aktiengesellschaften bedürfen immer eines Aufsichtsrates, GmbHs nur in den im § 29 Abs 1 GmbHG genannten Fällen.
  2. Entgegen den Bestimmungen des § 86 AktG gibt es im Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung keine Begrenzung für die Zahl der Mitglieder im Aufsichtsrat.
  3. Die Quote entsandter Aufsichtsratsmitglieder ist nicht beschränkt (§ 30c Abs 3 GmbHG).
  4. Dem Aufsichtsrat der GmbH obliegt nicht die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern. Ihm kommt kraft Gesetz keine Personalkompetenz über die Geschäftsführer zu; eine solche kann dem Aufsichtsrat durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung oder durch Gesellschafterbeschluss zugewiesen werden.
  5. Dem GmbH-Aufsichtsrat obliegt keine Zustimmung zur Erteilung einer Prokura, doch kann ihm diese durch entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag zugewiesen werden.
  6. Es besteht Berichtspflicht des Aufsichtsrates gegenüber der Generalversammlung für zwischen der Gesellschaft und den Geschäftsführern abgeschlossene Geschäfte (§ 32 iVm § 25 Abs 4 GmbHG).
  7. Der Aufsichtsrat der GmbH ist wie jener der Aktiengesellschaft nicht weisungsgebunden und den Interessen der Gesellschaft verpflichtet. Die Generalversammlung ist jedoch oberstes Organ der GmbH; sie kann demnach jederzeit durch Gesellschafterbeschluss einen Beschluss des Aufsichtsrates außer Kraft setzen.
  8. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden kommen keine Kompetenzen im Hinblick auf den Vorsitz in der Generalversammlung der GmbH zu. 
  9. Der Aufsichtsrat kann aus seiner Mitte ein Mitglied zum Vertreter eines verhinderten Geschäftsführers bestellen (§ 30e Abs 2 GmbHG).
  10. Für GmbH-Geschäftsführer gibt es keine Cooling-off-Regelung: Ein nahtloser Wechsel von der Geschäftsführungsfunktion in den Aufsichtsrat – sogar als dessen Vorsitzender – ist zulässig. 

3. Gesellschaftsvertragliche Regelungen

Unbeschadet der Tatsache, dass eine GmbH mit Aufsichtsrat eher exotischen Charakter hat, wird dieses Organ im Gesetz sehr umfassend geregelt; das Gesetz lässt eine Vielzahl von Gestaltungsalternativen zu, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird. 

Zulässige gesellschaftsvertragliche Regelungen sind insbesondere

1. Festlegung einer besonderen Qualifikation für die von der Generalversammlung gewählten oder einzelnen Gesellschafter entsendeten Aufsichtsratsmitglieder.

2. Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden durch die Generalversammlung.

Beispiel:

„Die Generalversammlung wählt den Vorsitzenden des Aufsichtsrats und einen (zwei) Stellvertreter. Eine Ersatzbestellung hat unverzüglich zu erfolgen, wenn der Vorsitzende oder sein Stellvertreter aus dieser Funktion ausscheiden.“

3. Einräumung eines Entsendungsrechtes für bestimmte Gesellschafter unter der Voraussetzung, dass die Übertragung des betreffenden Geschäftsanteiles an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist (§ 30c Abs 2 GmbHG).

Beispiel:

 „Dem Gesellschafter Gustav Glück ist das höchstpersönliche Sonderrecht eingeräumt, eine Person seiner Wahl in den Aufsichtsrat zu entsenden und nach eigenem Ermessen auch wieder abzuberufen.“

4. Vereinbarung von Nominierungsrechten.

Beispiel:

 „Dem Gesellschafter Gustav Glück steht das Sonderrecht zu, drei Personen seiner Wahl zur Nominierung als Aufsichtsratsmitglied vorzuschlagen. Die übrigen Gesellschafter sind verpflichtet, einer dieser namhaft gemachten Personen in den Aufsichtsrat der Gesellschaft zu wählen.“

5. Festlegung eines Mindestanwesenheitsquorums bei Aufsichtsratssitzungen. 

Beispiel:

„Für die Beschlussfassung im Aufsichtsrat ist die Anwesenheit von mindestens sechs Mitgliedern erforderlich. Wird dieses Quorum nicht erreicht, hat sich der Aufsichtsrat ohne Beschlussfassung zu vertagen. Der Vorsitzende hat unverzüglich eine neuerliche Aufsichtsratssitzung mit den gleichen Tagesordnungspunkten einzuberufen. Die vertagte Aufsichtsratssitzung ist unabhängig von der Anzahl seiner anwesenden Mitglieder zur Beschlussfassung berechtigt; auf diese Rechtsfolge hat der Vorsitzende in der neuerlichen Einladung ausdrücklich hinzuweisen.“

6. Erweiterung der zustimmungsbedürftigen Geschäfte und Maßnahmen über das Ausmaß des § 30j Abs 5 GmbHGhinaus.

Beispiel:

„Die von der Geschäftsführung beabsichtigte Erteilung einer Prokura oder Handlungsvollmacht für den gesamten Geschäftsbetrieb bedarf der vorherigen Genehmigung durch den Aufsichtsrat.“

7. Zuweisung einer Personalkompetenz über die Geschäftsführung.

Beispiel:

 „Der Aufsichtsrat ist mit Ausnahme ihrer Bestellung und Abberufung dienstrechtlicher Ansprechpartner der Geschäftsführer; ihm obliegen insbesondere der Abschluss von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern und die Genehmigung der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung.“

8. Ausdrückliche Vertretungsmöglichkeit von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 30j Abs 6 GmbHG).

Beispiel:

„Ein Aufsichtsratsmitglied kann ein anderes Mitglied schriftlich mit seiner Vertretung bei einer einzelnen Sitzung einschließlich der rechtswirksamen Ausübung des Stimmrechts bevollmächtigen; das vertretene Auf­sichtsratsmitglied ist bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit einer Sitzung nicht mitzuzählen. Das Recht, den Vorsitz der Aufsichtsratssitzung zu führen, kann nicht übertragen werden. Ein Aufsichtsratsmitglied kann nur ein einziges anderes Aufsichtsratsmitglied vertreten. Eine Vertretung ist bei einer Beschlussfassung auf schriftlichem Wege nicht zulässig.“

9. Regelung, dass ein Aufsichtsratsmitglied bei Plenums- oder Ausschusssitzungen durch schriftlich ermächtigte Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, schriftliche Stimmabgaben überreichen lassen kann (§ 30h Abs 3 GmbHG).

10. Beschränkung des nach § 30h Abs 2 GmbHG grundsätzlich jedem Aufsichtsratsmitgliedes zustehenden Rechtes, an Sitzungen von Ausschüssen, denen das Aufsichtsratsmitglied nicht angehört, teilzunehmen. 

11. Regelung einer Ersatzmitgliedschaft im Aufsichtsrat.

Beispiel:

„Die Gesellschafter können für die von ihnen zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder Ersatzmitglieder bestellen, die nach den näheren Bestimmungen durch die Gesellschafter Mitglieder des Aufsichtsrates werden, wenn ein Aufsichtsratsmitglied vorzeitig aus dem Amt ausscheidet, ohne dass im Zeitpunkt des Ausscheidens dafür ein anderes Mitglied auf Grund einer Nachfolge in den Aufsichtsrat gewählt worden ist.“ 

12. Übertragung sonstiger Obliegenheiten im Sinne des § 30l Abs 4 GmbHG.

Beispiel:

Dem Aufsichtsrat können durch eine konkrete Regelung im Gesellschaftsvertrag verschiedene weitere Befugnisse eingeräumt werden, darunter fallen insbesondere 

4. Aufgaben und besondere Pflichten des Aufsichtsrats

4.1. Grundsätzliches

Die wesentliche Tätigkeit eines Aufsichtsrats lässt sich aus dem Wortstamm ableiten: Aufsicht führen und Rat geben. Unter Aufsicht führen fällt ein viel umfangreicheres Spektrum als eine reine Kontrolltätigkeit. Der zweite Teil des Wortstammes – Rat geben – wird gerade bei GmbHs mit der kraft Gesetz eher schwachen Stellung des Aufsichtsrats vielfach nicht als sehr willkommen angesehen. Der Aufsichtsrat ist jedenfalls in die strategische Planung der Gesellschaft einzubinden.

4.2. Überwachung der Geschäftsführung

Die Hauptaufgabe des Aufsichtsratesist die Überwachung der GmbH-Geschäftsführung der GmbH in allen ihren wesentlichen Bereichen, insbesondere ob die Geschäfte

Der Aufsichtsrat hat auch die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes durch die Geschäftsführer zu überwachen. Etwaigen Mängeln der Geschäftsführung kann der Aufsichtsrat im Regelfall nicht selbst entgegentreten; er hat vielmehr die Generalversammlung mit dieser Angelegenheit zu befassen.

4.3. im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss

Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluss, den Vorschlag für die Gewinnverteilung sowie einen allfälligen Lagebericht zu prüfen und der Generalversammlung darüber zu berichten. Bei jenen Sitzungen des Aufsichtsrats, die sich mit der Feststellung des Jahresabschlusses, deren Vorbereitung sowie mit seiner Prüfung beschäftigen, ist jedenfalls der Abschlussprüfer beizuziehen (§ 30k Abs 1 GmbHG). Sofern der Aufsichtsrat aus mehr als fünf Mitgliedern besteht, ist jedenfalls ein Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat einzurichten (§ 30g Abs 4a GmbHG).

4.4. in der Krise der Gesellschaft

Im Falle einer insolvenzrechtlich maßgeblichen Unternehmenskrise hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung unter anderem zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu veranlassen. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass in der Krise der Aufsichtsrat seine Aufgaben noch intensiver wahrzunehmen hat als im gesellschaftlichen Normalbetrieb; dazu gehört auch eine Erhöhung der Anzahl der Aufsichtsratssitzungen.

4.5. Einberufung einer Generalversammlung

Der Aufsichtsrat als Kollegialorgan (nicht hingegen seine einzelnen Mitglieder) ist berechtigt und verpflichtet, eine Generalversammlung einzuberufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist (§ 30j Abs 4 GmbHG). Die Einberufung der Generalversammlung ist bei Vorliegen der hierfür erforderlichen Gründe zwingend. Zuständig für die Einberufung einer Generalversammlung ist der gesamte Aufsichtsrat. Die Einberufungskompetenz des Aufsichtsrates umfasst auch die Befugnis, eine Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen.

Beispiel:

Die Einberufung einer Generalversammlung durch den Aufsichtsrat kann erforderlich sein

4.6. Zustimmungspflichtige Geschäfte

In § 30j Abs 5 GmbHGist geregelt, welche Rechtsgeschäfte bzw. Handlungen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen. 

Wiewohl im § 30j Abs 5 GmbHG wörtlich ausgeführt ist „… doch nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden sollen“, ist darunter ein rechtliches ,,Müssen“ zu verstehen. Die Geschäftsführer sind also verpflichtet, vor Durchführung einer der genannten Maßnahmen den Aufsichtsrat damit zu befassen. Ist dies aus dringenden Fällen ausnahmsweise nicht möglich, ist die nachträgliche Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Die Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates haben verbindliche Wirkung nur im Innenverhältnis der Gesellschaft. 

4.7. Besorgung dienstrechtlicher Angelegenheiten gegenüber den Geschäftsführern

Ob die Bestellung oder Abberufung der GmbH-Geschäftsführer dem Aufsichtsrat übertragen werden kann oder zwingend der Generalversammlung obliegen muss, ist strittig. Dem Aufsichtsrat hingegen darf der Abschluss des Anstellungsvertrages mit dem Geschäftsführer übertragen werden. Hierzu bedarf es allerdings einer diesbezüglichen Regelung im Gesellschaftsvertrag. Der Aufsichtsrat kann allgemein oder durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag zum dienstrechtlichen Ansprechpartner der Geschäftsführer gemacht werden. In einem solchen Fall obliegt dem Aufsichtsrat neben der Überwachung der Einhaltung des Wettbewerbsverbotes auch die Zustimmung zur Ausübung einer Konkurrenztätigkeit (teilweise oder gänzliche Aufhebung des Wettbewerbsverbotes gemäß § 24 GmbHG) des Geschäftsführers.

Der betriebliche Generationswechsel – Die Hitliste der (Miss-)Erfolge

In der heutigen GmbH-Ecke wird das Namensgebende Thema insoweit ausgedehnt, als ein betrieblicher Generationenwechsel in sehr vielen Fällen in der Rechtsform einer GmbH seinen Abschluss findet. Der Beitrag behandelt aber weniger die Rechtsform als vielmehr die Übergabestrategie. Mit Hilfe von zehn Thesen wird der Versuch unternommen, sich dem betrieblichen Generationenwechsel im weiteren Sinne behutsam zu nähern.

Erste These: Die Nachfolge beginnt früher als man denkt

Ein betrieblicher Generationenwechsel beginnt viel früher, als wir alle denken: nämlich dann, wenn die Kinder wahrnehmen, wie sehr sich die Eltern im Unternehmen plagen … oder eben nicht.

Jeder Unternehmer versucht seinen Betrieb in einem guten Licht darzustellen; warum nicht auch gegenüber der Familie? Es wird immer Siege und Niederlagen geben, aber eine lebenslange Pein …?

Meine Empfehlung geht (vielleicht) über Ihre Kernkompetenz hinaus: Sorgen Sie dafür, dass bei ihren Mandanten zwischen der Generalversammlung und einem familiären Mittagstisch doch wieder ein Unterschied erkennbar ist.

Zweite These: Die Mär des immerwährenden Unternehmens-bestandes

Ein Unternehmen ist ein von seinen Eigentümern losgelöstes System wirtschaftlichen Handelns; auch wenn man es angesichts mancher Patriarchen nicht für möglich halten würde: Theoretisch kann ein Unternehmen immerwährenden Bestand haben; die Praxis sieht freilich anders aus.

Es geht auch nach einem weiter … wenn man es richtig macht!

Empfehlung: Niemand ist näher am Ohr des Unternehmers als der Steuerberater oder Bilanzbuchhalter. Stellen Sie doch ihrem Mandanten im Zuge einer Bilanzbesprechung die Frage, wie es mit dem Unternehmen einmal weitergehen soll. Und wiederholen Sie die Frage, wenn Sie beim letzten Mal keine schlüssige Antwort erhalten haben.

Dritte These: Ohne den Willen zur Übergabe geht es nicht

Ein betrieblicher Generationenwechsel gegen jemanden ist denkunmöglich. Wenn der gegenwärtiger Eigentümer eines Unternehmens, Inhaber von Geschäftsanteilen, usw. nicht abgeben möchte, dann gibt es keine geordnete Übergabe zu Lebzeiten.  

Ein krampfhaftes nicht loslassen können hängt vielfach damit zusammen, dass die Vorbereitung auf das sog. dritte Leben – die Zeit nach Beendigung der Erwerbstätigkeit – schlichtweg nicht erfolgt ist. 

Empfehlungen:

Machen Sie Ihrem Mandanten klar, dass er gerade dabei ist, sein Lebenswerk zu versenken. Skizzieren Sie in anschaulichen Bildern, was passieren kann, wenn nichts passiert. 

Signalisieren Sie, dass der Rückzug nicht auf einen Schlag, sondern sukzessive auf Grundlage vereinbarter Schritte erfolgt. 

Vierte These: Identifikation des Nachfolgers

Es geht vor allem um die Frage wer soll es sein? Steht der gewünschte Nachfolger (aus der Familie) zur Verfügung? Weiß er von seinem Glück?

Viele Unternehmer wollen, dass es nach ihnen (im Wesentlichen) so weiter geht wie mit ihnen.

Empfehlungen:

Stellen Sie (viele) Fragen (Wer fragt, der lenkt):

Fünfte These: Ein Generationenwechsel ist ein gesamtheitlicher Prozess 

Eine Betriebsübergabe ist wie ein Hausbau: er will geplant sein und am Ende soll ein brauchbares Ergebnis erzielt werden. Viele unternehmerische Aktivitäten werden im Detail geplant; auf die Vereinbarung von Etappen beim betrieblichen Generationenwechsel wird häufig vergessen. 

Die Anforderungen an eine Prozessorientierung sind vielfältig; hier eine kleine Auswahl:

Empfehlung: Erstellen Sie mit Ihren Mandanten einen realistischen Zeitplan für den Übergabeprozess, der die berechtigten Interessen sowohl des Übergebers als auch des Übernehmers berücksichtigt. Drängen Sie auf die Einhaltung der vereinbarten Etappen des betrieblichen Generationenwechsels. 

Sechste These: Denken in Alternativen

Betriebsübergaben sind so verschieden wie die Vorstellungen der Betroffenen darüber. Im günstigsten Fall hat Ihr Mandant eine Wunschlösung parat; im ungünstigsten Fall hält er sich für unsterblich. 

Zwischen schwarz und weiß gibt es noch grau in einer Vielzahl von Schattierungen. In der Praxis kommen die unterschiedlichsten Beteiligung- und Gesellschaftsformen genauso in Frage wie ein (für die Familie bis dahin völlig unbekanntes) Fremdmanagement, die Errichtung einer Privatstiftung, die Veräußerung des Unternehmens, management buy-out und vieles andere mehr.

Empfehlung: Motivieren Sie Ihren Mandanten, auch einmal über den von ihm selbst festgelegten Tellerrand zu schauen. Unterbreiten Sie Vorschläge für alternative Nachfolgemodelle und stellen Sie deren Vorteile augenscheinlich dar.

Siebente These: Unterschiedliche Meinungen sind wichtig

Das Unternehmen steht sowohl innerhalb einer Familie als auch bei potenziellen Investoren im Vordergrund. Das ist verständlich: die Familie lebt davon und will – genauso wie betroffene Dritte – mit dem Unternehmen Geld verdienen. Über den Weg zum Erfolg bestehen jedoch unterschiedliche Vorstellungen.

Unterschiedliche Auffassungen führen zum Überdenken langjähriger Strukturen. Unter diesem Aspekt ist eine Betriebsübergabe ohne Konflikte gar nicht wünschenswert. Es kommt lediglich darauf an, wie diese ausgetragen werden …

Empfehlung:

Übergeber und Übernehmer sollen ihre Vorstellungen im Hinblick auf die künftige Unternehmensstrategie sowie die Einschätzung der gegenwärtigen betrieblichen Situation (etwa durch Ausarbeitung eines Stärken-Schwächen-Profils) getrennt erarbeiten. Aufgabe beizuziehender externer Berater ist es, im Moderationswege diese Einzelziele zu einem Gesamtziel zu formen, mit dem alle Betroffenen zufrieden sind. Jede Zielerarbeitung wird scheitern, wenn Persönliches zwischen Übergeber und Übernehmer (noch) nicht ausgeräumt ist. Aus diesem Grunde gilt: Beziehungsprobleme sind vorrangig zu lösen; erst danach kann auf die Sachebene übergegangen werden.

Achte These: Erst Sanierung, dann Übergabe

Eine wirtschaftliche Krise orientiert sich nicht am Lebensalter des Unternehmers. Wirtschaftliche Probleme und ein unstrukturierter Generationenwechsel sind eine Existenzgefährdung x 2.

Sanierung bedeutet, dass 

Auch die Banken sind an einer gedeihlichen Entwicklung ihrer Kunden in der nächsten Generation interessiert: ein 40-jähriger kann einen langfristigen Kredit leichter zurückzahlen als ein 70-jähriger; das leuchtet ein. Die Person des Betriebsnachfolgers ist meistens in der Lage, das unter Umstände angespannte Verhältnis des Seniors zur Hausbank zu entkrampfen.  

Empfehlung: Machen Sie als Berater Ihres Mandanten der Hausbank klar, 

Bei aller Verbundenheit zum Altunternehmer: schauen Sie auf seine Nachfolger; sie werden es Ihnen danken. Geben Sie Ihr o. k. zur Übernahme, wenn auch ohne phantasievolle Ertragsaussichten das Unternehmen Erfolg versprechend geführt werden kann.

Neunte These: Eine zweite Chance ist die Ausnahme

Der betriebliche Generationenwechsel ist im Lebenszyklus eines Unternehmens etwas völlig normales. Aber: er kommt in einer Eigentümergeneration nur einmal vor … und man bekommt nur selten eine zweite Chance.

Für jeden Unternehmer ist der Gedanke an eine Betriebsübergabe etwas Neues, wofür es – im Gegensatz zum Tagesgeschäft – (fast) keine Erfahrungswerte im eigenen Betrieb geben kann.

Empfehlung: Der Unternehmer – Ihr Kunde (!) – benötigt für eine erfolgreiche Betriebsübergabe als strategischen Prozess Ihre Expertise: nicht nur fachlich (es geht um mehr als Bilanzierung und Steuern), sondern auch in menschlicher Hinsicht (Stichwort: Emotionen, Ängste, usw.) und vor allem im Hinblick auf das Projektmanagement.

Zehnte These: Die Bedeutung einer richtigen Beratung

Die Übertragung von Vermögen ist ein anspruchsvoller Mix aus wirtschaftlichen, zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Faktoren; vom Emotionalen einmal ganz zu schweigen. Niemand wird daher einen betrieblichen Generationenwechsel ohne Beiziehung externer Konsulenten schaffen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Angehörige der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe zu einer Verrechtlichung des Übergabe Prozesses neigen, in den zur Diskussion stehenden Gestaltungsalternativen vordergründig Probleme erblicken und (zu) ausgeprägt die steuerliche Optimierung vor Augen haben. Mehrere Berater tragen zu dem häufig zur Verunsicherung ihrer Auftraggeber bei.

Empfehlung:

Lassen Sie nach einer grundsätzlichen Information über die Rahmenbedingungen eines betrieblichen Generationenwechsels bzw. der Übertragung von Vermögen Ihren Mandanten freien Lauf bei der Entwicklung kreativer Gestaltungsalternativen. Bremsen Sie in diesem Stadium niemanden mit rechtlichen Detailproblemen ein – die es mit Sicherheit geben wird. Geben Sie bitte dem Steuerrecht jene Bedeutung, die ihm zukommen sollte: es ist Bestandteil einer Betriebsübergabe – aber auch nicht mehr. Mehrere beigezogene Berater sollten nach Möglichkeit die gleichen Empfehlungen aussprechen. Es ist völlig kontraproduktiv, rechtliche Fragen vor den Mandanten auszudiskutieren. Ihr Kunde versteht es wahrscheinlich nicht und wird zudem im höchsten Maße verunsichert. Übernehmen Sie eine Steuerungs- und Koordinierungsfunktion zwischen allen involvierten Beratern: Ihre Mandanten werden es zu schätzen wissen. 

Jede These fordert (fördert) auch Antithesen. Schreiben Sie mir bitte Ihre Meinung: team@kanzleifritz.at