Der betriebliche Generationswechsel – Die Hitliste der (Miss-)Erfolge

In der heutigen GmbH-Ecke wird das Namensgebende Thema insoweit ausgedehnt, als ein betrieblicher Generationenwechsel in sehr vielen Fällen in der Rechtsform einer GmbH seinen Abschluss findet. Der Beitrag behandelt aber weniger die Rechtsform als vielmehr die Übergabestrategie. Mit Hilfe von zehn Thesen wird der Versuch unternommen, sich dem betrieblichen Generationenwechsel im weiteren Sinne behutsam zu nähern.

Erste These: Die Nachfolge beginnt früher als man denkt

Ein betrieblicher Generationenwechsel beginnt viel früher, als wir alle denken: nämlich dann, wenn die Kinder wahrnehmen, wie sehr sich die Eltern im Unternehmen plagen … oder eben nicht.

Jeder Unternehmer versucht seinen Betrieb in einem guten Licht darzustellen; warum nicht auch gegenüber der Familie? Es wird immer Siege und Niederlagen geben, aber eine lebenslange Pein …?

Meine Empfehlung geht (vielleicht) über Ihre Kernkompetenz hinaus: Sorgen Sie dafür, dass bei ihren Mandanten zwischen der Generalversammlung und einem familiären Mittagstisch doch wieder ein Unterschied erkennbar ist.

Zweite These: Die Mär des immerwährenden Unternehmens-bestandes

Ein Unternehmen ist ein von seinen Eigentümern losgelöstes System wirtschaftlichen Handelns; auch wenn man es angesichts mancher Patriarchen nicht für möglich halten würde: Theoretisch kann ein Unternehmen immerwährenden Bestand haben; die Praxis sieht freilich anders aus.

Es geht auch nach einem weiter … wenn man es richtig macht!

Empfehlung: Niemand ist näher am Ohr des Unternehmers als der Steuerberater oder Bilanzbuchhalter. Stellen Sie doch ihrem Mandanten im Zuge einer Bilanzbesprechung die Frage, wie es mit dem Unternehmen einmal weitergehen soll. Und wiederholen Sie die Frage, wenn Sie beim letzten Mal keine schlüssige Antwort erhalten haben.

Dritte These: Ohne den Willen zur Übergabe geht es nicht

Ein betrieblicher Generationenwechsel gegen jemanden ist denkunmöglich. Wenn der gegenwärtiger Eigentümer eines Unternehmens, Inhaber von Geschäftsanteilen, usw. nicht abgeben möchte, dann gibt es keine geordnete Übergabe zu Lebzeiten.  

Ein krampfhaftes nicht loslassen können hängt vielfach damit zusammen, dass die Vorbereitung auf das sog. dritte Leben – die Zeit nach Beendigung der Erwerbstätigkeit – schlichtweg nicht erfolgt ist. 

Empfehlungen:

Machen Sie Ihrem Mandanten klar, dass er gerade dabei ist, sein Lebenswerk zu versenken. Skizzieren Sie in anschaulichen Bildern, was passieren kann, wenn nichts passiert. 

Signalisieren Sie, dass der Rückzug nicht auf einen Schlag, sondern sukzessive auf Grundlage vereinbarter Schritte erfolgt. 

Vierte These: Identifikation des Nachfolgers

Es geht vor allem um die Frage wer soll es sein? Steht der gewünschte Nachfolger (aus der Familie) zur Verfügung? Weiß er von seinem Glück?

Viele Unternehmer wollen, dass es nach ihnen (im Wesentlichen) so weiter geht wie mit ihnen.

Empfehlungen:

Stellen Sie (viele) Fragen (Wer fragt, der lenkt):

Fünfte These: Ein Generationenwechsel ist ein gesamtheitlicher Prozess 

Eine Betriebsübergabe ist wie ein Hausbau: er will geplant sein und am Ende soll ein brauchbares Ergebnis erzielt werden. Viele unternehmerische Aktivitäten werden im Detail geplant; auf die Vereinbarung von Etappen beim betrieblichen Generationenwechsel wird häufig vergessen. 

Die Anforderungen an eine Prozessorientierung sind vielfältig; hier eine kleine Auswahl:

Empfehlung: Erstellen Sie mit Ihren Mandanten einen realistischen Zeitplan für den Übergabeprozess, der die berechtigten Interessen sowohl des Übergebers als auch des Übernehmers berücksichtigt. Drängen Sie auf die Einhaltung der vereinbarten Etappen des betrieblichen Generationenwechsels. 

Sechste These: Denken in Alternativen

Betriebsübergaben sind so verschieden wie die Vorstellungen der Betroffenen darüber. Im günstigsten Fall hat Ihr Mandant eine Wunschlösung parat; im ungünstigsten Fall hält er sich für unsterblich. 

Zwischen schwarz und weiß gibt es noch grau in einer Vielzahl von Schattierungen. In der Praxis kommen die unterschiedlichsten Beteiligung- und Gesellschaftsformen genauso in Frage wie ein (für die Familie bis dahin völlig unbekanntes) Fremdmanagement, die Errichtung einer Privatstiftung, die Veräußerung des Unternehmens, management buy-out und vieles andere mehr.

Empfehlung: Motivieren Sie Ihren Mandanten, auch einmal über den von ihm selbst festgelegten Tellerrand zu schauen. Unterbreiten Sie Vorschläge für alternative Nachfolgemodelle und stellen Sie deren Vorteile augenscheinlich dar.

Siebente These: Unterschiedliche Meinungen sind wichtig

Das Unternehmen steht sowohl innerhalb einer Familie als auch bei potenziellen Investoren im Vordergrund. Das ist verständlich: die Familie lebt davon und will – genauso wie betroffene Dritte – mit dem Unternehmen Geld verdienen. Über den Weg zum Erfolg bestehen jedoch unterschiedliche Vorstellungen.

Unterschiedliche Auffassungen führen zum Überdenken langjähriger Strukturen. Unter diesem Aspekt ist eine Betriebsübergabe ohne Konflikte gar nicht wünschenswert. Es kommt lediglich darauf an, wie diese ausgetragen werden …

Empfehlung:

Übergeber und Übernehmer sollen ihre Vorstellungen im Hinblick auf die künftige Unternehmensstrategie sowie die Einschätzung der gegenwärtigen betrieblichen Situation (etwa durch Ausarbeitung eines Stärken-Schwächen-Profils) getrennt erarbeiten. Aufgabe beizuziehender externer Berater ist es, im Moderationswege diese Einzelziele zu einem Gesamtziel zu formen, mit dem alle Betroffenen zufrieden sind. Jede Zielerarbeitung wird scheitern, wenn Persönliches zwischen Übergeber und Übernehmer (noch) nicht ausgeräumt ist. Aus diesem Grunde gilt: Beziehungsprobleme sind vorrangig zu lösen; erst danach kann auf die Sachebene übergegangen werden.

Achte These: Erst Sanierung, dann Übergabe

Eine wirtschaftliche Krise orientiert sich nicht am Lebensalter des Unternehmers. Wirtschaftliche Probleme und ein unstrukturierter Generationenwechsel sind eine Existenzgefährdung x 2.

Sanierung bedeutet, dass 

Auch die Banken sind an einer gedeihlichen Entwicklung ihrer Kunden in der nächsten Generation interessiert: ein 40-jähriger kann einen langfristigen Kredit leichter zurückzahlen als ein 70-jähriger; das leuchtet ein. Die Person des Betriebsnachfolgers ist meistens in der Lage, das unter Umstände angespannte Verhältnis des Seniors zur Hausbank zu entkrampfen.  

Empfehlung: Machen Sie als Berater Ihres Mandanten der Hausbank klar, 

Bei aller Verbundenheit zum Altunternehmer: schauen Sie auf seine Nachfolger; sie werden es Ihnen danken. Geben Sie Ihr o. k. zur Übernahme, wenn auch ohne phantasievolle Ertragsaussichten das Unternehmen Erfolg versprechend geführt werden kann.

Neunte These: Eine zweite Chance ist die Ausnahme

Der betriebliche Generationenwechsel ist im Lebenszyklus eines Unternehmens etwas völlig normales. Aber: er kommt in einer Eigentümergeneration nur einmal vor … und man bekommt nur selten eine zweite Chance.

Für jeden Unternehmer ist der Gedanke an eine Betriebsübergabe etwas Neues, wofür es – im Gegensatz zum Tagesgeschäft – (fast) keine Erfahrungswerte im eigenen Betrieb geben kann.

Empfehlung: Der Unternehmer – Ihr Kunde (!) – benötigt für eine erfolgreiche Betriebsübergabe als strategischen Prozess Ihre Expertise: nicht nur fachlich (es geht um mehr als Bilanzierung und Steuern), sondern auch in menschlicher Hinsicht (Stichwort: Emotionen, Ängste, usw.) und vor allem im Hinblick auf das Projektmanagement.

Zehnte These: Die Bedeutung einer richtigen Beratung

Die Übertragung von Vermögen ist ein anspruchsvoller Mix aus wirtschaftlichen, zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Faktoren; vom Emotionalen einmal ganz zu schweigen. Niemand wird daher einen betrieblichen Generationenwechsel ohne Beiziehung externer Konsulenten schaffen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Angehörige der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe zu einer Verrechtlichung des Übergabe Prozesses neigen, in den zur Diskussion stehenden Gestaltungsalternativen vordergründig Probleme erblicken und (zu) ausgeprägt die steuerliche Optimierung vor Augen haben. Mehrere Berater tragen zu dem häufig zur Verunsicherung ihrer Auftraggeber bei.

Empfehlung:

Lassen Sie nach einer grundsätzlichen Information über die Rahmenbedingungen eines betrieblichen Generationenwechsels bzw. der Übertragung von Vermögen Ihren Mandanten freien Lauf bei der Entwicklung kreativer Gestaltungsalternativen. Bremsen Sie in diesem Stadium niemanden mit rechtlichen Detailproblemen ein – die es mit Sicherheit geben wird. Geben Sie bitte dem Steuerrecht jene Bedeutung, die ihm zukommen sollte: es ist Bestandteil einer Betriebsübergabe – aber auch nicht mehr. Mehrere beigezogene Berater sollten nach Möglichkeit die gleichen Empfehlungen aussprechen. Es ist völlig kontraproduktiv, rechtliche Fragen vor den Mandanten auszudiskutieren. Ihr Kunde versteht es wahrscheinlich nicht und wird zudem im höchsten Maße verunsichert. Übernehmen Sie eine Steuerungs- und Koordinierungsfunktion zwischen allen involvierten Beratern: Ihre Mandanten werden es zu schätzen wissen. 

Jede These fordert (fördert) auch Antithesen. Schreiben Sie mir bitte Ihre Meinung: team@kanzleifritz.at