Verdeckten Ausschüttungen und unzulässige Einlagenrückgewähr – ein praktischer Überblick über Gefahren und Rechtsfolgen 2. Teil
Im vorherigen Beitrag wurden die Grundsätze und Rechtsfolgen einer verdeckten Ausschüttung erörtert. Die verdeckte Ausschüttung ist ein Kind des Steuerrechts. Sie ist lästig, wenn gleich die Gefahren bewältigbar erscheinen: wesentlichste Konsequenz ist, dass die als Einkommensverwendung qualifizierten Zuflüsse an die Gesellschafter wie eine offene (Gewinn-)Ausschüttung behandelt werden und somit als Kapitalertragsteuer abzuführen ist (vgl. unter Punkt 4 in der letzten Ausgabe).
Ganz anders gestrickt ist das gesellschaftsrechtliche Pendant zu verdeckten Ausschüttung. Hier sieht das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein genaues Procedere vor, wer – und in welcher Reihenfolge (!) – zum Ausgleich unzulässiger Zahlungen an Gesellschafter verpflichtet ist. Im vorliegenden zweiten Teil dieses Beitrages werden die wesentlichsten Grundlagen einer unzulässigen Einlagenrückgewähr dargestellt.
6. Unzulässige Einlagenrückgewähr
Um sich dem Begriff der unzulässigen Einlagenrückgewähr behutsam anzunähern ist es zweckmäßig, sich die Grundlagen der Kapitalbindung vor Augen zu halten und zu prüfen, wann ein bloßer Gesellschafter aus seiner GmbH „Geld“ rausbekommt.
Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der GmbH unterliegt einer Ausschüttungssperre und darf an die Gesellschafter nicht ausbezahlt werden (§ 82 Abs. 1 GmbHG). Es handelt sich bei dieser Bestimmung um einen Schutz des gesamten haftenden Gesellschaftsvermögens. Die Ausschüttungssperre setzt das Verbot folgender drei Vorgangsweisen voraus
- einer Zuwendung aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses
- die Schmälerung des Gesellschaftsvermögens
- die Herbeiführung bzw. Verschärfung einer Unterbilanz.
Der Kapitalschutz erfasst nur das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen. Der nach § 82 Abs. 1 GmbHG verteilungsfähige Bilanzgewinn ergibt sich aus dem Jahresabschluss. Ein Ausschüttungsverbot, wonach nur bilanziell ausgewiesene Gewinne an die Gesellschafter fließen können, besteht nicht. Dieses Verbot greift sohin erst dann ein, wenn durch die Zuwendung eine Unterbilanz entsteht oder ein bereits vorhandenes negatives Eigenkapital erhöht wird. Eine Unterbilanz liegt vor, wenn in einem Vermögensstatus der Gesellschaft die Aktiven nicht mehr die Summe aus Verbindlichkeiten und Stammkapital decken. Bei der Feststellung, ob eine Unterbilanz vorliegt oder nicht, sind die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze anzuwenden, wie sie auch für die Jahresbilanz gelten.
Ein Ausschüttungsverbot greift auch ein, wenn durch die Vermögensverlagerung nicht nur eine Unterbilanz, sondern sogar eine Überschuldung herbeigeführt oder verstärkt wird. Von einer rechnerischen Überschuldung ist dann zu sprechen, wenn die Verbindlichkeiten das Aktivvermögen übersteigen.
Zuwendungen an Dritte können wie Auszahlungen an einen Gesellschafter behandelt werden, wenn sie von ihm veranlasst sind. Wird für Rechnung des Gesellschafters an einen Dritten – z.B. seine Gläubigerbank oder nahe Angehörige – gezahlt, so ist dies als eine Zahlung an den Gesellschafter selbst zu qualifizieren, wenn er dadurch mittelbar begünstigt wird. Ist der GmbH-Gesellschafter nur Treuhänder, so wird die Direktzahlung an den Treugeber ohnedies als Zahlung an einen Gesellschafter betrachtet.
Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen lässt sich zusammenfassen, dass Zahlungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter zulässig sind im Falle
- eines Gewinnausschüttungsbeschlusses unter der Voraussetzung dass der Bilanzgewinn zum maßgeblichen Bilanzstichtag hierfür ausreicht und zwischen diesem und dem Zeitpunkt des Gewinnausschüttung keine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage der GmbH eingetreten ist;
- einer Kapitalherabsetzung der auf seine Beteiligungsquote entfallende Betrag der verminderten Stammeinlage;
- der Liquidation durch anteilige Verteilung des nach Beendigung der Liquidation verbleibenden Restvermögens.
Angesichts der vorerwähnten klaren gesetzlichen Regeln stellt sich naturgemäß die Frage, wie hungrige Gesellschaftermäuler satt werden, wenn es keinen Bilanzgewinn gibt, die Gesellschaft nur über das gesetzliche Mindeststammkapital verfügt und eine planmäßige Liquidation der Gesellschaft nicht beabsichtigt oder etwa gar nicht mehr möglich ist? In solchen Fällen behilft man sich häufig mit einem konstruierten – jedenfalls nicht fremdüblichen – Leistungsaustausch. In steuerlicher Hinsicht liegt damit die in der letzten Ausgabe des BÖB-Journals bereits behandelte verdeckte Ausschüttung vor. In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht liegt ein Verstoß gegen das Einlagerückgewährverbot des § 82 GmbHG vor. Die Rechtsfolgen nehmen step by step an Schärfe zu:
- jene Gesellschafter, die – ohne eine Gegenleistung zu erbringen – keine zulässigen Zahlungen erhalten haben oder bei denen Leistung und Gegenleistung nicht angemessen ist, sind der Gesellschaft zum Rückersatz des zu Unrecht empfangenen in Geldeswert verpflichtet;
- kann (oder will!) der zu Unrecht begünstigte Gesellschafter nicht zahlen,
- so haften die Geschäftsführer solidarisch (!);
- ist auch bei diesen nichts zu „holen“, dann haften die (an der Begünstigung unbeteiligten) übrigen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Stammeinlagen.
Bei dieser Dramaturgie liegt natürlich die Überlegung nahe, eine unzulässige Einlagenrückgewähr buchstäblich unter den Tisch fallen zu lassen und es im Falle einer Außenprüfung auf eine festzustellende verdeckte Ausschüttung ankommen zu lassen. Diese Taktik geht so lange gut, so lange kein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet wird. Nachdem kraft Gesetz (§ 83 Abs. 4 GmbHG) der Gesellschaft aus Gründen der Kapitalbindung gar nicht das Recht zukommt, auf ihre Rückforderungsansprüche zu verzichten, wird dies der Insolvenzverwalter tun; ihm kommt insoweit kein Ermessen zu.
Bei Vorliegen eines objektiven Missverhältnisses zwischen Leistung des Gesellschafters und Vergütung durch die GmbH spricht eine Vermutung für das Vorliegen einer Begünstigung der Gesellschafter und damit einer verbotenen Einlagenrückgewähr (OGH 20.1.2000, 6 Ob 288/99t). Allerdings ist der Gegenbeweis zulässig, dass das Geschäft auch ohne das Vorhandensein der gemeinsamen Gesellschafter genauso zustande gekommen wäre, oder dass dennoch eine bessere Rechtfertigung aus der Sicht der Gesellschaft vorliegt.
Jede offene oder verdeckte Gewinnausschüttung, die nicht durch einen wirksamen, ausdrücklichen – allenfalls konkludenten – Beschluss der Gesellschafter gedeckt bzw. nachträglich geheilt ist, stellt eine ungerechtfertigte Bereicherung des Empfängers dar. Gesellschafterbeschlüsse, die eine Einlagenrückgewähr oder andere Zuwendungen an Gesellschafter vorsehen, sind nichtig, weil dadurch der Gläubigerschutz beeinträchtigt wird.
7. Rechtsfolgen einer unzulässigen Einlagenrückgewähr
Die Sanktionsnorm des § 83 Abs. 1 GmbHG sieht vor, dass Zahlungen, die gesetzwidrig oder entgegen dem Gesellschaftsvertrag bzw. eines Gesellschafterbeschlusses geleistet wurden, der Gesellschaft rückerstattet werden müssen. Dieser Anspruch ist sohin kein Bereicherungstatbestand, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Rückgewähranspruch. Dieser Rückgewähranspruch ist zu aktivieren, der Anspruch geht auf Wiederherstellung des Vermögensstandes, wie er vor der verbotenen Auszahlung bestand. Handelt es sich um eine Zahlung, so bedeutet dies Rückerstattung des empfangenen Betrages. Handelt es sich um eine andere Leistung, so kann der Empfänger grundsätzlich nach seiner Wahl zahlen oder den empfangenen Gegenstand – sofern das überhaupt noch möglich ist – zurückgewähren. Die Haftung der Gesellschafter besteht auch dann, wenn ihnen eine Leistung an Dritte zuzurechnen ist.
Auch die Rückgabe von Sachen kann verlangt werden, wenn es sich um eine einseitige Leistung der Gesellschaft handelt. Auf einen Wertersatzanspruch braucht sich die Gesellschaft nicht verweisen zu lassen. Stützt sich die verdeckte Gewinnausschüttung auf einen Austauschvertrag, ist der Vorgang nur im Ausmaß der Vermögensbeeinträchtigung der Gesellschaft unzulässig. Die Gesellschaft hat dann nur einen Anspruch auf Wertersatz in der Höhe dessen, was von ihr zu wenig empfangen wurde.
Zuwendungen, die sich als offene oder verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen, dürfen nur mit Zustimmung der Gesellschafter gewährt werden. Fehlt es an einem wirksamen Gesellschafterbeschluss, so stellt dieser kompetenzwidrige Eingriff in das Gesellschaftsvermögen eine ungerechtfertigte Bereicherung dar.
Liegt auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, so ist an einen weiter gehenden Schutz zu denken, etwa durch Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Schadenersatzklagen der betroffenen Gesellschafter, die auf Erhaltung oder Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens gerichtet sind.
Die Erstattungspflicht des Geschäftsführers ist in § 83 Abs. 2 GmbHG geregelt. Unzulässige Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter stellen einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 25 Abs. 1 und 3 Z 1 GmbHG dar. Die erstattungspflichtigen Gesellschafter und Geschäftsführer haften als Gesamtschuldner. Die Erstattungspflicht besteht nicht für Zahlungen, welche der Gesellschafter gutgläubig als Gewinnanteil erhalten hat. Der gute Glaube muss sich darauf beziehen, dass der Bilanzgewinn ordnungsgemäß ermittelt wurde. Eine Stundung oder Erlassung des Anspruchs ist nicht zulässig (§ 83 Abs. 4 GmbHG).
Ist die nach § 83 Abs. 1 GmbHG geschuldete Erstattung weder vom betreffenden Gesellschafter noch von den Geschäftsführern zu erlangen, so haften die übrigen Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile (§ 83 Abs. 2 GmbHG). Haftungsbeiträge, welche auch auf diese Weise nicht zu erlangen sind, werden auf die übrigen verteilt. Es haftet also jeder Mitgesellschafter hilfsweise für den Ausfall des Empfängers und – im Extremfall – sogar für den Ausfall eines (jeden) anderen Mitgesellschafters. Bei der Beurteilung der Frage, ob es zu einer Beeinträchtigung des Stammkapitals gekommen ist, ist der Auszahlungszeitpunkt heranzuziehen.
Die Haftung der Mitgesellschafter ist betragsmäßig mit der Stammeinlage des Empfängers beschränkt (§ 83 Abs. 2 GmbHG). Eine mögliche Schadenersatzhaftung der Gesellschafter ist allerdings nicht summenmäßig beschränkt. Diese Haftung kommt dann in Betracht, wenn die Gesellschafter das für die Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen rechtswidrig und schuldhaft verringern.
8. Empfehlungen für die Bilanzierungs- und Beratungspraxis
Realistischerweise sollte man sich vor Augen halten, dass im Regelfall die betreffenden Gesellschafter-Geschäftsführer ihre Berater nicht fragen, ob sie eine (unzulässige) Zahlung an einen Gesellschafter leisten dürfen. Insoweit werden Bilanzbuchhalter und Steuerberater häufig vor vollendete Tatsachen gestellt.
Für das was nachher kommt, seien die nachfolgenden Empfehlungen ausgesprochen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne den Eindruck eines erhobenen Zeigefingers erwecken zu wollen:
- Innerhalb des Wirtschaftsjahres lässt sich die betreffende verdeckte Ausschüttung im Regelfall noch ohne größere Schwierigkeiten rückabwickeln; dies setzt natürlich eine entsprechende Bereitschaft des begünstigten Gesellschafters voraus.
- Lässt sich die verdeckte Ausschüttung nicht rückgängig machen und ist auch kein Vorteilsausgleich möglich, so empfiehlt sich die Abgabe einer Kapitalertragsteuererklärung sowie Abfuhr der KESt, die zur Vermeidung einer weiteren verdeckten Ausschüttung vom betreffenden Gesellschafter zu übernehmen ist.
- Ausdrücklich abgeraten wird von der vielfach praktizierten Verbuchungsmethode auf einem Gesellschafter-Verrechnungskonto; dieses ist per se bereits verdächtig. Ein Gesellschafter-Verrechnungskonto ist ein Indiz für Zahlungen der Gesellschaft ohne entsprechende (angemessene) Gegenleistung des Gesellschafters. Gäbe es eine solche, so wäre ja die Buchung auf dem Verrechnungskonto gar nicht erforderlich; dass betreffende Rechtsgeschäft ließe sich auf einem Aufwandskonto (z. B. Geschäftsführerbezüge, Mietaufwand, usw.) viel zutreffender erfassen.
- Heikel wird es, wenn eine unzulässige Einlagenrückgewähr zu einer bilanziellen Überschuldung führt; in einem solchen Fall ist der Rückforderungsanspruch der Gesellschaft auf der Aktivseite der Bilanz auszuweisen. Dem Bilanzersteller kommt die Verpflichtung zu, die Einbringlichkeit dieser Gesellschaftsforderung zu evaluieren, um insoweit nicht zu optimistisch die Vermögenslage der Gesellschaft darzustellen.
- Wenn es hart auf hart geht, dass ist immer der Andere Schuld. Unter diesem Aspekt empfiehlt sich, alle Empfehlungen im Zusammenhang mit verdeckten Ausschüttungen insbesondere jedoch einer unzulässigen Einlagenrückgewähr aus Beweissicherungsgründen schriftlich zusammen zu fassen.