Grundlagen zum formellen Insolvenzrecht unter besonderer Berücksichtigung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung 2. Teil
Wie bereits im Vorherigen Beitrag erklärt ist der Umstand, dass GmbHs besonders anfällig für insolvenzrechtlich relevante Krisen sind, allgemein bekannt. In diesem zweiten Teil werden weitere wichtige Informationen und Klarstellungen zum formellen Insolvenzrechts vermittelt, die auch für Bilanzbuchhalter von praktischer Bedeutung sind.
3. Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung
3.1 Antragstellung
Ein Antrag auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung kann bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit beim zuständigen Gericht gestellt werden, jedoch nicht während eines Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Im Sanierungsverfahren steht der GmbH die Eigenverwaltung unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters zu, wenn die Geschäftsführung vor dessen Eröffnung beim zuständigen Insolvenzgericht folgende Urkunden vorgelegt hat:
- einen Sanierungsplan, in dem den Insolvenzgläubigern angeboten wird, innerhalb von längstens zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplans mindestens 30% der Forderungen zu zahlen;
- ein genaues Vermögensverzeichnis;
- eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die folgenden 90 Tage, aus der sich ergibt, wie die für die Fortführung des Unternehmens und die Bezahlung der Masseforderungen notwendigen Mittel aufgebracht und verwendet werden sollen (Finanzplan).
Neben den vorangeführten Urkunden hat der Antrag insbesondere folgende Angaben zu enthalten:
- darüber, wie die zur Erfüllung des Sanierungsplan nötigen Mittel aufgebracht werden sollen,
- über die Anzahl der Beschäftigten und über deren im Unternehmen errichteten Organe und
- über die zur Erfüllung des Sanierungsplans nötigen Reorganisationsmaßnahmen, insbesondere Finanzierungsmaßnahmen.
Die Geschäftsführer als Vertreter der Schuldnerin haben das Vermögensverzeichnis eigenhändig zu unterfertigen. Fehlt im Antrag das gesetzlich vorgeschriebene Vorbringen oder sind nicht alle erforderlichen Urkunden beigeschlossen, so hat das Insolvenzgericht einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Wird der Antrag nicht fristgerecht verbessert, so ist das Sanierungsverfahren unter Entziehung der Eigenverwaltung oder als Konkurs zu eröffnen.
In das Vermögensverzeichnis sind die einzelnen Aktiva und Passiva unter Berücksichtigung folgender Angaben aufzunehmen:
Forderungsverzeichnis | Verzeichnis der Verbindlichkeiten |
Schuldner (Name und genaue Anschrift, allfälliges Verwandtschaftsverhältnis oder gesellschaftsrechtliche (beteiligungsmäßige) Verflechtung) | Gläubiger (Name und genaue Anschrift, allfälliges Verwandtschaftsverhältnis oder gesellschaftsrechtliche (beteiligungsmäßige) Verflechtung) |
Rechtsgrund der Forderung | Rechtsgrund der Verbindlichkeit (inkl. Rechnungs-Nr. und allfälligem Exekutionstitel) |
Forderungshöhe | Höhe der Verbindlichkeit |
Fälligkeit der Forderung | Stichtag der Fälligkeit |
Sicherheiten | Absonderungs- und Aussonderungsrecht; Bewertung bestellter Sicherheiten |
Forderung streitig? | Verbindlichkeit streitig? |
Einbringlich ja / nein / teilweise | Vermutlicher Ausfall |
Dem Vermögensverzeichnis ist ein aktuelles Anlageverzeichnis beizuschließen.
Die Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die folgenden 90 Tage ab Insolvenzeröffnung ist durch Vorlage eines detaillierten Liquiditäts- und Finanzplans einschließlich allfälliger Erläuterungen nachzuweisen.
Beispiel für einen Liquiditätsplan
Liquiditätsplan ab Insolvenzeröffnung (Beträge rd €)
Einnahmen |
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Bestehende Forderungen | Stand zum Prüfungs-zeitpunkt | 1. Woche | 2. Woche | 3. Woche | 4. Woche | xx. Woche |
Kundenforderungen |
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Besitzwechsel |
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Sonstige Forderungen |
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Lieferungen und Leistungen erwartete Aufträge |
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Sonstige künftige Einnahmen |
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Mieten |
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Sonstiges |
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Anlagenverkäufer |
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Private Einlagen, Kapitaleinzahlungen |
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Summe der Einnahmen |
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AUSGABEN |
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Finanzamt (USt) |
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Finanzamt (Lohnabgaben) |
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Krankenkasse |
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Löhne und Gehälter |
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Sachausgaben des Betriebes |
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Waren- und Materialeinkaufe |
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„Investitionen“ |
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Sonstiges |
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Summe der Ausgaben |
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Einnahmenüberschuss / Ausgabenüberhang |
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Liquiditätsreserven aus: |
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Flüssigen Mitteln |
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„freie Kreditrahmen“ |
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Kumulierte Liquiditätsreserve |
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Zusätzlich benötigte liquide Mittel (kumuliert) |
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3.2 Überprüfung des Sanierungsplans durch den Sanierungsverwalter und Prüfungstagsatzung
Der durch das Insolvenzgericht bestellte Sanierungsverwalter hat innerhalb von drei Wochen die inhaltliche Prüfung des Finanzplans sowie die Erfüllbarkeit des Sanierungsplans vorzunehmen und seine Ergebnisse bei der Tagsatzung den Gläubigern zu präsentieren. Das Insolvenzgericht kann einen Sanierungsplanantrag nach Einvernahme des Insolvenzverwalters und eines allfälligen Gläubigerausschusses aus bestimmten Gründen zurückweisen.
Der Sanierungsverwalter hat die Wirtschaftslage der GmbH als Schuldnerin zu überwachen. Er hat spätestens bis zur ersten Gläubigerversammlung bzw. – falls eine solche nicht stattfindet – Berichtstagsatzung über die Wirtschaftslage der Gesellschaft und darüber zu berichten, ob
- der Finanzplan eingehalten werden kann,
- der Sanierungsplan angemessen sowie erfüllbar ist, und ob
- Gründe zur Entziehung der Eigenverwaltung vorliegen.
Die Berichtstagsatzung wird durch das Insolvenzgericht in der Regel innerhalb von drei Wochen ab Insolvenzeröffnung anberaumt.
Zu den Vorbehaltstätigkeiten des Sanierungsverwalters gehören unter anderem
- die Prüfung und Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen,
- die Forderungsprüfung der Insolvenzgläubiger (Erstellung des Anmeldeverzeichnisses);
- bestimmte, im Gesetz angeführte Mitteilungen gegenüber dem Gericht (§ 116 IO);
- die Abwicklung genehmigungspflichtiger Geschäfte § 117 IO (z. B. Veräußerung oder Verpachtung eines Unternehmens sowie unbeweglicher Sache, usw.);
- die gerichtliche Veräußerung nach § 119 IO;
- die Veräußerung von Sachen, an denen ein Absonderungsrecht besteht (§ 120 IO);.die Aufschiebung von anhängigen Exekutionsverfahren (§ 120a IO).
In der Prüfungstagsatzung gibt der Insolvenzverwalter bekannt, ob er die jeweilige angemeldete Gläubigerforderung bestreitet oder anerkennt. Die Prüfungstagsatzung wird 60 bis 90 Tage nach Insolvenzeröffnung einberufen. Im Falle der Bestreitung einer Insolvenzforderung kann der betroffene Gläubiger eine Feststellungsklage einbringen. Die Anerkennung einer Insolvenzforderung beinhaltet Exekutionstitel für Gläubiger
3.3 Umfang der Eigenverwaltung
Die GmbH-Geschäftsführung ist im Falle einer Eigenverwaltung berechtigt, alle Rechtshandlungen im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes vorzunehmen. Der Genehmigung des Sanierungsverwalters bedürfen allerdings Rechtshandlungen, die nicht zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, sowie der Rücktritt, die Kündigung oder die Auflösung von zweiseitigen, noch nicht erfüllten Verträgen, Bestand- und Arbeitsverträgen. Die Geschäftsführung hat allerdings eine zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehörende Handlung zu unterlassen, wenn der Sanierungsverwalter dagegen Einspruch erhebt.
Rechtshandlungen, welche die GmbH-Geschäftsführung ohne Zustimmung oder gegen Einspruch des Sanierungsverwalters vorgenommen hat, sind den Gläubigern gegenüber unwirksam, wenn der Dritte wusste oder wissen musste, dass
- sie über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen; oder
- der Sanierungsverwalter seine Zustimmung nicht erteilt; oder
- er Einspruch gegen die Vornahme erhoben hat.
Das Gericht kann der Gesellschaft bestimmte Rechtshandlungen untersagen, soweit dies notwendig ist, um Nachteile für die Gläubiger zu vermeiden. Die Beschränkungen sind, wenn sie gleichzeitig mit der Eröffnung des Sanierungsverfahrens angeordnet werden, im Edikt, sonst gesondert, öffentlich bekannt zu machen und in den Büchern und öffentlichen Registern anzumerken.
Das Gericht hat der GmbH als Schuldnerin die Eigenverwaltung zu entziehen, wenn
- Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, insbesondere wenn der Finanzplan nicht eingehalten werden kann;
- die Geschäftsführer ihre Mitwirkungs- und Auskunftspflichten verletzen;
- die Geschäftsführer gegen Verfügungsbeschränkungen verstoßen oder überhaupt den Interessen der Gläubiger zuwider handeln;
- die für die Einräumung der Eigenverwaltung erforderlichen Urkunden und Angaben nicht vorgelegt werden;
- die Angaben im Vermögensstatus nicht der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage entsprechen;
- die Gesellschaft die Masseforderungen nicht pünktlich erfüllt;
- der Sanierungsplan nicht innerhalb von neunzig Tagen nach Eröffnung des Verfahrens von den Gläubigern angenommen wurde;
- die Geschäftsführung den Sanierungsplan zurückzieht;
- das Gericht den Antrag auf Sanierungsverfahrenseröffnung zurückweist;
- das Gericht dem Sanierungsplan die Bestätigung versagt.
Die Entziehung der Eigenverwaltung ist öffentlich bekannt zu machen; die Rechtswirkungen treten mit Beginn des Tages ein, welcher der öffentlichen Bekanntmachung folgt.
Die Eigenverwaltung ist zeitlich befristet. Sie ist zu entziehen, wenn der Sanierungsplan nicht innerhalb von 90 Tagen nach Verfahrenseröffnung angenommen wurde (§ 170 Abs. 1 Z 3 IO). Das Sanierungsverfahren selbst – also die Verhandlung und Beschlussfassung über den Sanierungsplan – kann jedoch über 90-tägige Frist hinaus weitergeführt werden.
3.4 Wie erfolgt die formelle gerichtliche Sanierungsplanabwicklung?
Die Sanierungsplantagsatzung zur Verhandlung und Beschlussfassung über den Sanierungsplan darf nicht vor der Prüfungstagsatzung stattfinden; sie ist mit der Rechnungslegungstagsatzung zu verbinden. Die Tagsatzung ist öffentlich bekannt zu machen. Außerdem sind
- die GmbH-Geschäftsführung,
- Personen, die sich zur Übernahme einer Haftung für seine Verbindlichkeiten bereit erklären,
- der Insolvenzverwalter,
- die Mitglieder des Gläubigerausschusses; und
- die übrigen stimmberechtigten Insolvenzgläubiger
gesondert zu laden. Die GmbH-Geschäftsführung hat an der Tagsatzung persönlich teilzunehmen.
Eine Änderung des Sanierungsplans erfordert die Zustimmung der Insolvenzgläubiger.
Für die Annahme des Sanierungsplans ist erforderlich, dass
- die Mehrheit der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger dem Antrag zustimmt; und
- die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden Insolvenzgläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger beträgt.
3.5 Bestätigung des Sanierungsplans
Die gerichtliche Sanierungsplanbestätigung ist erst zu erteilen, wenn
- sowohl die Vergütung des Insolvenzverwalters als auch der Gläubigerschutzverbände vom Gericht bestimmt sowie geleistet oder beim Sanierungsverwalter sichergestellt sind; und
- alle fälligen und feststehenden sonstigen Masseforderungen gezahlt bzw. sichergestellt sind; und
- im Sanierungsplan vorgesehene Bedingungen für die Bestätigung erfüllt sind.
Bezüglich des „Vorliegens“ der genannten Voraussetzungen hat der Insolvenzverwalter über Aufforderung des Insolvenzgerichts zu berichten.
Die Bestätigung ist zu versagen, wenn
- ein Grund vorliegt, aus dem der Antrag auf Abschluss eines Sanierungsplans unzulässig ist;
- die für das Verfahren und den Abschluss des Sanierungsplans geltenden Vorschriften nicht beachtet worden sind, es sei denn, dass diese Mängel nachträglich behoben werden können oder nach der Sachlage nicht erheblich sind;
- der Sanierungsplan durch verstoßende Begünstigung eines Gläubigers zustande gebracht worden ist.
Die Bestätigung kann versagt werden, wenn
- die der GmbH als Schuldnerin im Sanierungsplan gewährten Begünstigungen in Widerspruch mit dessen Verhältnissen stehen;
- der Sanierungsplan dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht, wobei Forderungen aus Eigenkapital ersetzenden Leistungen nicht zu berücksichtigen sind;
- die Insolvenzgläubiger weniger als 30% ihrer Forderungen erhalten und dieses Ergebnis darauf zurückzuführen ist, dass der Schuldner seinen Vermögensverfall durch Unredlichkeit, Leichtsinn oder übermäßigen Aufwand verursacht oder beschleunigt hat oder dass er den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verzögert hat.
Gegen die Bestätigung des Sanierungsplans kann Rekurs erhoben werden von
- jedem Beteiligten, der dem Sanierungsplan nicht ausdrücklich zugestimmt hat,
- jedem Mitschuldner und Bürgen des Schuldners,
- Massegläubigern.
Gegen die Versagung der Bestätigung des Sanierungsplans kann Rekurs erhoben werden vom Schuldner sowie von jedem Insolvenzgläubiger, der dem Sanierungsplan nicht widersprochen hat.
3.6 Aufhebung des Insolvenzverfahrens
Wird der Sanierungsplan bestätigt, so ist zugleich auch über die vom Sanierungsverwalter gelegte Rechnung abzusprechen. Das Insolvenzverfahren ist mit Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung aufgehoben; dies ist gemeinsam mit dem Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung in der Insolvenzdatei anzumerken. Soweit der Sanierungsplan nichts anderes bestimmt, kann die Gesellschaft wieder über ihr Vermögen frei verfügen.
3.7 Rechtswirkungen des Sanierungsplans
Durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan ist es nicht erforderlich, dass die Gesellschaft
- den Gläubigern ihren Forderungsausfall nachträglich ersetzt; oder
- für eine sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen,
und zwar unabhängig davon, ob sie
- am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen; oder
- gegen den Sanierungsplan gestimmt haben; oder
- ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden ist.
In gleicher Weise wird die Gesellschaft gegenüber den Bürgen und anderen Rückgriffsberechtigten befreit. Entgegenstehende Bestimmungen im Sanierungsplan sind nur soweit gültig, als sie den Erfordernissen über die Gleichbehandlung der Gläubiger nicht widersprechen. Jene Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden der GmbH-Geschäftsführung im Sanierungsplan unberücksichtigt geblieben sind, können nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen.