Von den Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers 1. Teil
Die GmbH-Reform 2013 mit ihrer Herabsetzung des Mindeststammkapitals auf € 10.000,– ist geschlagen. Ob es damit gelungen ist, Voraussetzungen für eine unternehmerische Tätigkeit so zu verbessern, dass es zu einer regelrechten Gründungswelle kommen wird, erscheint seht zweifelhaft. Die Herabsetzung des Stammkapitals ist nunmehr weiten Bevölkerungskreisen bekannt; die konkreten Pflichten von GmbH-Geschäftsführern sind es vielfach nicht einmal den Betroffenen. Diese Lücke versucht dieser – und in loser Reihenfolge – weitere Beiträge zu schließen.
1. Einführung
Zu den Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers gehört es, das gesellschaftliche Unternehmen unter Beachtung aller maßgebenden Rechtsvorschriften zu leiten und sich stets ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, insb. von seiner Liquidität, zu verschaffen. Das klingt nicht unlogisch; welche Rechtsvorschriften allerdings maßgeblich sind, ist allerdings vielfach unbekannt. Deshalb sind die von einem GmbH-Geschäftsführer zu beachtenden Formalvorschriften in der folgenden Tabelle in alphabetischer Reihenfolge zusammen gefasst:
Beschreibung der Geschäftsführungsaufgabe | Rechtsgrundlage |
(aktive und passive) Vertretung, Verwaltung und Leitung der Gesellschaft | § 18 GmbHG |
Abgabe einer Musterunterschrift | § 12 FBG |
Abwicklung der Gesellschaft | §§ 90 ff GmbHG |
Anmeldung der Kapitalherabsetzung zum Firmenbuch | § 55 Abs 1 GmbHG |
Anmeldung des AR-Vorsitzenden und seines Stellvertreters zum Firmenbuch | § 30g Abs 1 GmbHG |
Anmeldung einer neu errichteten Gesellschaft zur Eintragung in das Firmenbuch | § 9 GmbHG |
Anmeldung von Veränderungen im Stande der Gesellschafter, insbesondere Firmenbuchanmeldung des Überganges von Geschäftsanteilen | § 26 Abs 1 GmbHG |
Antrag auf Einleitung eines Unternehmens-reorganisationsverfahrens | § 1 URG GmbHG |
Antrag auf gerichtliche Abberufung eines Geschäftsführers | § 16 Abs 2 GmbHG |
Antrag auf gerichtliche Bestellung eines fehlenden Geschäftsführers („Notgeschäftsführerbestellung“) | § 15a GmbHG |
Antrag auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern | § 30d Abs 1 GmbHG |
Aufbewahrungspflicht der Unterlagen des Rechnungswesens | § 212 Abs 1 UGB |
Aufnahme einer Niederschrift über die Beschlüsse der Generalversammlung und Übermittlung von Beschlussabschriften an die Gesellschafter | § 40 Abs 2 GmbHG |
Aufstellung des Jahresabschlusses | § 22 Abs 1 GmbHG |
Auskunftserteilung gegenüber den Gesellschaftern | §§ 22 Abs 2 und 40 Abs 2 GmbHG |
Auskunftspflicht gegenüber der Gesellschaft für 5 Jahren nach Beendigung der Organfunktion | § 24a GmbHG |
Beachtung der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates bei genehmigungspflichtigen Geschäften | § 30j Abs 5 GmbHG |
Beachtung des Gesellschaftsvertrages | § 20 Abs 1 GmbHG |
Befolgung von Weisungsbeschlüssen der Gesellschafter | § 20 Abs 1 GmbHG |
Berichterstattung an den Aufsichtsrat | § 28a GmbHG |
Berichterstattung über Verlangen des Aufsichtsrates (Anforderungsbericht auf Verlangen des AR-Vorsitzenden oder zwei AR-Mitgliedern) | § 30j Abs 2 GmbHG |
Bestätigung der Verfügungsbefugnis über geleistete Stammeinlagen sowie von den Gesellschaftern übernommene Kapitalerhöhungsbeträge | § 10 Abs 3 GmbHG |
Durchführung des Aufgebotsverfahrens bei Herabsetzung des Stammkapitals | §§ 54 ff GmbHG |
Durchführung des Kaduzierungsverfahrens | § 66 f GmbHG |
Einberufung der (ordentlichen) Generalversammlung | § 36 Abs 1 GmbHG |
Einberufung einer (außerordentlichen) Generalversammlung, wenn es das Interesse der Gesellschaft erfordert, insbesondere bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals | § 36 Abs 2 GmbHG |
Einberufung einer Generalversammlung, wenn das begründete schriftliche Verlangen hierzu von mind. 10 % des Stammkapitals vorgebracht wird | § 37 Abs 1 GmbHG |
Einforderung von Nachschüssen der Gesellschafter auf Grund eines Gesellschafterbeschlusses | §§ 72 ff GmbHG |
Einforderungen von Einzahlungen auf die Stammeinlagen der Gesellschafter | § 64 Abs 1 GmbHG |
Einhaltung des Wettbewerbsverbotes | § 24 GmbHG |
Einstellung der Zahlungen bei Insolvenzreife | § 25 Abs. 3 Z 2 GmbHG |
Erledigung aller Angelegenheiten der Geschäftsführung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters | § 25 Abs 1 GmbHG |
Erstattung eines Sonderberichtes an den Aufsichtsrat | § 28a Abs 1 GmbHG |
Feststellung und Evidenzhaltung der Anzahl der beschäftigen Dienstnehmer | § 29 Abs 4 GmbHG |
Führung der Bücher sowie Verantwortung für ein ordnungsgemäßes Rechnungswesen sowie ein geeignetes Controlling-System | § 22 Abs1 GmbHG |
Gläubigeraufruf im Zusammenhang mit einer Kapitalherabsetzung | § 55 Abs 2 GmbHG |
Hinweis auf die verpflichtenden Angaben auf allen Geschäftspapieren der Gesellschaft | § 14 UGB |
Kapitalerhaltung und Kapitalsicherung | § 82 ff GmbHG |
Keine Gewährung unzulässiger Zahlungen an Gesellschafter | § 83 GmbHG |
Prüfplicht bei Sacheinlagen der Gesellschafter | § 6a Abs 2 GmbHG |
Rechtzeitige Insolvenzantragstellung bei Zahlungsfähigkeit oder Überschuldung | § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG; § 67 Abs 1 sowie § 69 Abs 2 und 3 IO |
Vornahme der erforderlichen Anmeldungen zum Firmenbuch | §§ 3, 4, 11 FBG |
Zusendung des Jahresabschlusses samt Lagebericht an die Gesellschafter | § 22 Abs 2 GmbHG |
Wie die Tabelle zeigt, ist der Pflichtenkreis eines Geschäftsführers geradezu erschreckend umfangreich. Glücklicherweise haben vor allem für kleine GmbHs gewisse Bestimmungen – etwa über den Aufsichtsrat – keine allzu große praktische Relevanz. Das was an Pflichten übrig bleibt ergibt aber, wenn die kraft Gesetz geschuldete Sorgfalt (§ 25 Abs. 1 GmbHG) nicht erbracht wird, immer noch ein ganz gehöriges Haftungspotenzial.
Ein Geschäftsführer schuldet jene Sorgfalt, Fähigkeiten und Kenntnisse, die – abstrakt – von Mitgliedern des Geschäftsleitungsorgans in einem bestimmten Geschäftszweig, einer bestimmten Unternehmensgröße sowie einer bestimmten Situation üblicherweise erwartet werden können.
Der Sorgfaltsmaßstab hat sich zu orientieren an
- dem von den Gesetzen abgesteckten Rahmen;
- den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages
- den für die Geschäftsführung verbindlichen Beschlüsse der hierfür zuständigen anderen Organe sowie
- der Wahrung der Interessen der Gesellschaftsgläubiger und der Arbeitnehmer.
Ein Geschäftsführer kann Leitungs- und Führungsverantwortung unter der Voraussetzung delegieren, dass
- der Betreffende persönlich und fachlich qualifiziert ist;
- der Geschäftsführer sich regelmäßig informiert;
- er einer Maßnahme widerspricht und den Aufgabenbereich oder eine Einzelentscheidung in das Geschäftsleitungsorgan zurückholt;
- er die Gesellschafter unterrichtet, wenn er eine Maßnahme eines Mitgeschäftsführers für nachteilig hält.
Es lässt sich also sagen, dass ein Geschäftsführer Arbeit, keinesfalls aber Haftung delegieren kann.
Zu den wichtigsten Aufgaben eines GmbH-Geschäftsführers gehört die Vertretung, Verwaltung und Leitung der Gesellschaft einschließlich der Geschäftsführung; diesen Kernaufgaben widmen sich die nachfolgenden Ausführungen.
2. Die Vertretung der Gesellschaft
2.1. Begriff und Wesen
Unter Vertretung wird das Tätig werden eines Geschäftsführers für die GmbH im Außenverhältnis verstanden; darunter fallen insbesondere die Abgabe von Willenserklärungen, der Abschluss von Verträgen und die Empfangnahme von Erklärungen Dritter, die sog. passive Vertretung.
Den Geschäftsführern obliegt ausschließlich die aktive und passive (außer)gerichtliche Vertretung der Gesellschaft (§ 18 Abs. 1 GmbHG); insoweit besteht ein Vertretungsmonopol, dass mit der Annahme der Bestellung zum Mitglied des Vertretungsorgans beginnt. Aus diesem Grunde wird die Geschäftsführung auch als notwendiges Organ einer GmbH bezeichnet. Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats (§ 30e Abs. 2 GmbHG) und der Generalversammlung (§ 35 Abs. 1 Z 6 und 7 GmbHG) sind derart beschränkt, dass die GmbH ohne Geschäftsführer nahezu handlungsunfähig ist.
Mit der Bestellung sind die Geschäftsführer kraft Gesetz geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt. Es bedarf daher weder einer zusätzlichen Vereinbarung mit der Gesellschaft noch einer rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung. Der Anstellungsvertrag ist lediglich die dienstrechtliche Ausgestaltung der Organfunktion unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten.
Auch der Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter ist in dieser Eigenschaft, also ohne zum Geschäftsführer bestellt oder bevollmächtigt zu sein, zur Vertretung der Gesellschaft nicht berechtigt. Die Gesellschaft wird durch die von den Geschäftsführern in ihrem Namen geschlossenen Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet (§ 19 Abs. 1 erster Satz GmbHG). Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft auch vor Verwaltungsbehörden und gegenüber den Gesellschaftern.
Eine GmbH wird immer dann vertreten, wenn in ihrem Namen Willenserklärungen abgegeben bzw. entgegen genommen werden. Äußerungen, die keine Willenserklärung sind, fallen nicht unter den Vertreterbegriff; dazu sind auch rechtserhebliche Wissenserklärungen zu zählen. Diese Wissenserklärungen können demnach auch bei organschaftlicher Gesamtvertretung von jedem einzelnen Geschäftsführer abgegeben werden; vgl. hierzu auch OGH 25.8.1998, 1 Ob 172/98w = RdW 1999, 25.
Der Umfang der Vertretungsmacht der Geschäftsführer ist nach außen hin unbeschränkbar; eine dennoch erfolgte Beschränkung bleibt in rechtlicher Hinsicht Dritten gegenüber unwirksam (§ 20 Abs. 2 GmbHG).
Die Rechtswirksamkeit der Vertretungsmacht beginnt grundsätzlich mit dem Bestellungsbeschluss der Gesellschafter und besteht (in der Regel) unabhängig von der Eintragung in das Firmenbuch. Im Bestellungsbeschluss sind der Beginn sowie die Art der Vertretung festzulegen und im Zuge der Firmenbuchanmeldung anzugeben.
Form. Die Vertretung erfolgt in der Weise, dass die erforderliche Anzahl von Geschäftsführern zur Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift hinzufügen (§ 18 Abs. 2 letzter Satz GmbHG). Bei dieser Bestimmung handelt es sich zwar „nur“ um eine Ordnungsvorschrift, der aber für die Zurechnung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung entscheidende Bedeutung zukommt.
2.2. Gesetzliche vs. Gesellschaftsvertragliche Regelung der Vertretungsarten
Zur Ausübung der aktiven Vertretungsmacht durch Abgabe von Willenserklärungen für die GmbH gilt Gesamtvertretung aller Geschäftsführer, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht eine abweichende Regelung trifft (§ 18 Abs. 2 GmbHG). Die gesetzliche Regelung ermöglicht die ständige Vertretung der Gesellschaft bis zum Ausscheiden des letzten Geschäftsführers: Solange mehrere Geschäftsführer vorhanden sind, vertreten diese gemeinsam. Das Vertretungsrecht von Geschäftsführern, die nachträglich wegfallen, geht auf die übrigen noch verbleibenden Geschäftsführer über. Scheiden schließlich alle Geschäftsführer bis auf einen aus, ist der verbleibende Geschäftsführer bis zur neuerlichen Bestellung eines weiteren Geschäftsführers einzelzeichnungsberechtigt (vgl. hierzu auch OGH 17.2.2005, 6 Ob 207/04 s = SWK 2005, 870).
Im Gesellschaftsvertrag kann jede vom Gesetz abweichende Vertretungsregelung festgelegt werden:
- Bei mehreren Geschäftsführern ist jeder von ihnen zur selbständigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
- Einräumung einer kollektiven Vertretungsbefugnis von jeweils zwei Geschäftsführern.
- Einräumung einer kollektiven Vertretungsbefugnis für bestimmte Geschäftsführer.
- Kombination von Einzel- und kollektiver Vertretungsbefugnis.
- Gemischte Gesamtvertretung eines Geschäftsführers mit einem Gesamtprokuristen (§ 18 Abs. 3 GmbHG), sofern die Vertretungsbefugnis auch ohne Mitwirkung von Prokuristen möglich ist.
- Kombination kollektive Vertretungsbefugnis einzelner Geschäftsführer mit Gesamtvertretung der übrigen Geschäftsführer.
Sieht der Gesellschaftsvertrag ausschließlich kollektive Vertretungsberechtigung der Geschäftsführer vor oder wird eine solche im Bestellungsbeschluss festgelegt, dann können nach Ausscheiden einzelner Geschäftsführer und Unterschreiten der für die Vertretungsberechtigung erforderlichen Anzahl die verbliebenen Geschäftsführer nicht einzelzeichnungsberechtigt vertreten. Das Gleiche gilt, wenn Geschäftsführer in bestimmten personellen Kombinationen kollektiv vertretungsberechtigt sind.
Kollektivvertretungsberechtigte Geschäftsführer sind auch bei Gefahr im Verzug nicht einzelvertretungsberechtigt. Eine Ausnahme besteht nur im Hinblick auf die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages.
Wird also durch Ausscheiden eines Geschäftsführers die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Anzahl der Geschäftsführer unterschritten, so besteht die Wahl zwischen Neubestellung und Abänderung des Gesellschaftsvertrages (OGH 6.7.1998, 8 Ob 73/98p = RdW 1998, 613).
Auch wenn sich die Gesellschafter bei allen oder einzelnen ihrer Geschäftsführer für eine selbständige Vertretung entscheiden, gibt es Fälle, wo unbeschadet der tatsächlich vereinbarten Art der Vertretung sämtliche Geschäftsführer gemeinsam handeln müssen. Zwingende Gesamtvertretung der Geschäftsführer besteht demnach bei der
- Anmeldung auf Eintragung der GmbH (§ 9 Abs. 1 GmbHG)
- Erklärung betreffend die freie Verfügung der Stammeinlagen (§ 10 Abs. 3 GmbHG) anlässlich der Gesellschaftsgründung oder einer Kapitalerhöhung
- Anmeldung der formwechselnden Umwandlung in eine Aktiengesellschaft (§ 51 GmbHG iVm § 248 AktG)
- Abänderung des Gesellschaftsvertrages (§ 51 Abs. 1 GmbHG)
- Beabsichtigte Herabsetzung des Stammkapitals (§ 55 Abs. 1 GmbHG)
- Vereinfachte Herabsetzung des Stammkapitals (§ 59 Abs. 1 GmbHG)
- Einforderung weiterer Einzahlungen auf nicht zur Gänze einbezahlte Stammeinlagen (§ 64 Abs. 1 GmbHG)
- Fortsetzung der Gesellschaft nach Auflösung
- Spaltung (§ 12 SpaltG)
Unabhängig von der Art der Vertretungsbefugnis können (bzw. müssen) Erklärungen und andere Zustellungen an die Gesellschaft von jedem Geschäftsführer entgegen genommen werden (Passive Vertretungsbefugnis). Auch das Wissen eines kollektiv zeichnungsberechtigten Geschäftsführers ist grundsätzlich der Gesellschaft zuzurechnen.
2.3. Sonderfall Selbstkontrahieren
Beim Selbstkontrahieren vertritt der Geschäftsführer die GmbH bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts, an dem er zugleich im eigenen Namen oder als Bevollmächtigter eines Dritten als Vertragspartner der Gesellschaft auftritt. Selbstkontrahieren ist nur zulässig, wenn der Vertretene persönlich dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft im Vorhinein zugestimmt oder dieses im Nachhinein genehmigt hat (OGH 6.10.2005, 6 Ob 56/05m = ecolex 2006, 55).
Liegt eine solche ausdrückliche Zustimmung oder Genehmigung nicht vor, ist es für die Gültigkeit und Rechtswirksamkeit eines In-sich-Geschäftes erforderlich, dass
- weder die Interessen des Vertretenen noch die Sicherheit des Verkehrs gefährdet werden können (Interessengefährdung) und
- der Selbstkontrahent nicht die Möglichkeit hat, das Geschäft unkontrollierbar rückgängig zu machen (Publizität).
Beim In-sich-Geschäft sind die Interessen des Vertretenen und die der Allgemeinheit besonders schutzwürdig. In diesem Fall vereinigen sich gegenläufige Interessen zweier Vertragspartner eines Rechtsgeschäfts in einer Person. Ob eine Interessengefährdung vorliegt, ist durch eine abstrakte ex-ante-Betrachtung zu beurteilen. Es ist nicht notwendig, dass das betreffende In-sich-Geschäft konkret nachteilig war, sondern es genügt die abstrakte Gefahr, dass Interessen der GmbH durch das Eigeninteresse des Geschäftsführers beeinträchtigt werden könnten.
Keine Interessengefährdung liegt vor, wenn
- das Rechtsgeschäft der GmbH ausschließlich rechtliche Vorteile bringt;
- die Ware bzw. Leistung einen üblichen Marktpreis hat; oder
- das Rechtsgeschäft der Erfüllung bereits bestehender und unbestrittener Verpflichtungen dient.
Vor Abschluss eines In-sich-Geschäfts sind die Geschäftsführer bei sonstigem Schadenersatz verpflichtet, die Zustimmung des Aufsichtsrates oder, wenn kein Aufsichtsrat besteht, sämtlicher übriger Geschäftsführer einzuholen (§ 25 Abs 4 GmbHG). Ist kein Aufsichtsrat bestellt und nur ein Geschäftsführer vorhanden, hat dieser die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen. Der Aufsichtsrat hat über Rechtsgeschäfte, die zwischen Gesellschaft und Geschäftsführern abgeschlossen wurden, der jeweils nächsten Generalversammlung zu berichten. Verabsäumt der Geschäftsführer eines dieser Gesellschaftsorgane zu verständigen, wird er schadenersatzpflichtig.
Rechtsgeschäfte, die der Alleingesellschafter sowohl im eigenen Namen als auch namens der Gesellschaft abschließt sind dann rechtswirksam (§ 18 Abs. 5 GmbHG), wenn
- darüber unverzüglich eine Urkunde errichtet; und
- vorgesorgt wird, dass nachträgliche Änderungen des Inhalts und Zweifel über den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses ausgeschlossen sind.
2.4. Missbrauch der Vertretungsmacht
Die Vertretungsbefugnis von GmbH-Geschäftsführern ist dritten Personen gegenüber (also im Außenverhältnis) inhaltlich nicht beschränkbar (§ 20 Abs. 2 GmbHG). Dieser Grundsatz gilt auch in jenen Fällen, in denen ein Geschäftsführer im Innenverhältnis verpflichtet ist, die ihm auferlegten Beschränkungen einzuhalten (§ 20 Abs. 1 GmbHG). Diese Bestimmung bezweckt den Schutz der Allgemeinheit und befreit einen Vertragspartner der GmbH von jeder Nachforschungspflicht im Hinblick auf den konkreten Umfang der Vertretungsmacht.
Die Gesellschaft wird daher – unter der Voraussetzung, dass der Vertragspartner schutzwürdig ist – auch durch Rechtsgeschäfte berechtigt und verpflichtet, die ein Geschäftsführer in Überschreitung der ihm für seine Vertretung im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen abgeschlossen hat.
Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
- Objektive Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers gegenüber der GmbH.
- Der Geschäftspartner hat dies erkannt oder hätte dies erkennen müssen.
- Es handelt sich um ein vorsätzliches und bewusstes (kollusives) Zusammenwirken vom betreffenden Geschäftsführer und einem Dritten.
Der Vertragspartner verliert seine Schutzwürdigkeit, wenn er den Missbrauch der Vertretungsmacht
- des Geschäftsführers nicht erkannt hat, obwohl ihm dies bekannt war oder bekannt sein hätte müssen (fahrlässiges Nichterkennen); oder
- kennt und mit dem Geschäftsführer arglistig zusammenwirkt, um die Gesellschaft zu schädigen (Kollusion in Schädigungsabsicht).
3. Geschäftsführung
3.1. Grundlagen
Der als Gegenstück zur Vertretung geregelte Begriff Geschäftsführung umfasst jede rechtliche und tatsächliche Tätigkeit eines oder mehrerer Geschäftsführer(s) für die Gesellschaft; dazu gehören auch betriebswirtschaftlichen Maßnahmen im Rahmen der (strategischen) Unternehmensführung. Neben gesetzlichen Beschränkungen erstreckt sich die Geschäftsführungsbefugnis auch nicht auf Angelegenheiten, die durch den Gesellschaftsvertrag auf andere Gesellschaftsorgane (Aufsichtsrat oder Beirat) übertragen sind.
Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, kommt ihnen Gesamtgeschäftsführungsbefugnis zu. Die Geschäftsführer bilden dabei ein Kollegialorgan; für die Willensbildung sind einstimmige Beschlüsse erforderlich. Bei Gefahr im Verzug kann dennoch jeder Geschäftsführer selbständig die notwendigen Geschäftsführungshandlungen vornehmen (§ 21 Abs. 1 GmbHG).
Der Gesellschaftsvertrag kann die Geschäftsführungsbefugnis unabhängig von der Vertretungsberechtigung in einem relativ großen Rahmen regeln. Es besteht daher die Möglichkeit, Einzelgeschäftsführungsbefugnis einzelnen oder allen Geschäftsführern zu erteilen. In diesem Fall muss eine zur Geschäftsführung gehörende Handlung unterbleiben, wenn ein anderer Geschäftsführer dagegen Widerspruch erhebt (§ 21 Abs. 2 GmbHG). Dieses gesetzliche Widerspruchsrecht kann durch den Gesellschaftsvertrag in jeder Richtung bis zur gänzlichen Beseitigung modifiziert werden.
Der Gesellschaftsvertrag kann eine Aufgabenteilung (Geschäftsverteilung). vorsehen. Die Verantwortlichkeit der einzelnen Geschäftsführer ist dann mit Ausnahme jener Bereiche, für die zwingend Gesamtverantwortung vorgeschrieben ist, auf ihren Arbeitsbereich eingeschränkt. Erfolgt eine Aufgabenteilung nur durch eine Vereinbarung zwischen den Geschäftsführern, bleibt die Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer bestehen.
3.2. Beschränkungen und Erweiterungen der Geschäftsführungsbefugnis
Die Gesellschafter können auch durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag die gesetzlich angeordnete Gesamtgeschäftsführung in jeder nur denkbaren Weise modifizieren und dabei andere Erfordernisse festlegen.
Konkret können Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis vereinbart werden
- im Gesellschaftsvertrag (insbesondere im Hinblick auf den Unternehmensgegenstand und genehmigungspflichtige Maßnahmen);
- in den mit den Geschäftsführern abgeschlossenen Anstellungsverträgen;
- durch die Einrichtung eines Aufsichtsrates und dessen Zustimmungsvorbehalts für bestimmte Arten von Geschäften (§ 30j Abs. 5 GmbHG);
- durch ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes Zustimmungserfordernis einzelner Gesellschafter als Sonderrecht
- durch besondere Organe (z. B. einem Beirat);
- in einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung;
- durch Erteilung von Weisungen durch die Generalversammlung.
Die Erweiterung der Geschäftsführungsbefugnis kann vereinbart werden, indem den Geschäftsführern entweder durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluss die Erteilung von Prokura und Handlungsvollmacht nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen gestattet wird.
3.3. Widerspruch zu Geschäftsführungsmaßnahmen
Der Widerspruch zu Geschäftsführungsmaßnahmen (§ 21 Abs. 2 GmbHG) hat in jenen Fällen zu erfolgen, in denen er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers erfordert. Die nachweisliche Ausübung des Widerspruchsrechts ist von besonderer Bedeutung im Falle der wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft. Das Widerspruchsrecht bzw. die Widerspruchspflicht ist einer der „Aufhänger“ für die Frage, wie mehrere Geschäftsführer haften. Erschwerend kommt in der Praxis hinzu, dass keine gesetzliche Regelung besteht, wie der Widerspruch zu erfolgen hat: er muss jedenfalls zumutbar sein; dabei ist auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen.