Im vorherigen Beitrag wurden die Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers im Hinblick auf sein Vertretungsmonopol und die eigentliche Geschäftsführung in ihren Grundlagen dargestellt. Im heutigen Artikel werden weitere Aspekte der Organpflichten, insbesondere im Hinblick auf die geschuldete Sorgfalt erörtert. Die Nummerierung des ersten Teils wird fortgeführt.
4. Erledigung aller Angelegenheiten der Geschäftsführung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters
Muss ein Geschäftsführer der sprichwörtliche Wunderwuzzi sein? Die Antwort ist ein … JEIN. Geht es nach § 25 Abs. 1 GmbHG, wonach “die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden“ und die sich darauf stützende höchstgerichtliche Rechtsprechung, so könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, Geschäftsführer müssten Alleskönner sein. Wird dieser Sorgfaltsmaßstab aber auf praktische Gesichtspunkte reduziert, so ist er – mit Ausnahme der insolvenzrechtlichen Krise – durchaus bewältigbar.
Im Hinblick auf eben diese Krise vertrete ich in der Tat die Auffassung, dass ein durchschnittlicher österreichischer Geschäftsführer die ihm durch das Gesetz und die höchstgerichtliche Rechtsprechung auferlegten Pflichten auf Grund seiner subjektiven Kenntnisse gar nicht erfüllen kann. Einerseits gibt es in Österreich keine flächendeckende Aus- und Fortbildung für das richtige Verhalten in der unternehmerischen Krise; andererseits kommen oft noch hinderliche Faktoren dazu, wie etwa die persönliche Betroffenheit als geschäftsführender Gesellschafter eines seit Generationen bestehenden Familienunternehmens.
Ein Geschäftsführer schuldet „nur“ jene Sorgfalt, Fähigkeiten und Kenntnisse, die – abstrakt – von Mitgliedern des jeweiligen Geschäftsleitungsorgans in einem bestimmten Geschäftszweig, einer bestimmten Unternehmensgröße sowie einer bestimmten Situation üblicherweise erwartet werden können.
Die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers umfasst demnach „nur“ branchen-, situations- und größenadäquate Bemühungen. Wenn diese Bemühungen letztlich nicht zum Erfolg führen, fällt dies in das unternehmerische Risiko der Gesellschaft; eine Rechtsverletzung des Geschäftsführers liegt deshalb nicht vor. Im Hinblick auf diese objektivierten Bemühungen kann eine geringere Sorgfalt des Geschäftsführers in Folge von Unerfahrenheit oder fehlender Kenntnisse nicht Erfolg versprechend ins Treffen geführt werden.
Der Sorgfaltsmaßstab hat sich zu orientieren an
- dem von den Gesetzen abgesteckten Rahmen;
- den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages;
- den für die Geschäftsführung verbindlichen Beschlüsse der hierfür zuständigen anderen Organe;
- der Wahrung der Interessen der Gesellschaftsgläubiger sowie der Arbeitnehmer.
In diesem Rahmen sind die Geschäftsführer verpflichtet, das gesellschaftliche Unternehmen nach gesicherten sowie praktisch bewährten betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zu leiten (zukunftsorientierte Unternehmensplanung) und sich über alle relevanten wirtschaftlichen Umstände und Entwicklungen zu orientieren.
Die Pflicht zum sorgfältigen Handeln umfasst insbesondere
- die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben (vgl. hierzu die tabellarische Übersicht in Ausgabe 56/13, Seite 63 f.);
- die Beachtung des Gesellschaftsvertrages und allfälliger im Innenverhältnis wirksamer Beschränkungen der Geschäftsleitungsbefugnis;
- die Leitung der GmbH nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen: dazu gehören insbesondere die dauernde Überprüfung von Rentabilität und Liquidität, Geschäftsverlauf, Umsatzentwicklung und Konkurrenzfähigkeit sowie ein Soll-Ist-Vergleich mit Abweichungsanalyse;
- der Aufbau einer adäquaten Organisation des Unternehmens sowie das zeitnahe Abstellen von Missständen;
- – ganz allgemein – die jederzeitige Kenntnis der Unternehmenslage;
- das Erkennen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung;
- eine allenfalls erforderliche rechtzeitige Insolvenzantragstellung;
- die realistische Abschätzung des unternehmerischen Risikos;
- eine adäquate Risikovorsorge durch Haftpflicht-, Betriebsunterbrechungs- und andere Sach- sowie Personenversicherungen;
- die Zusammenarbeit mit anderen Organen, insbesondere mit einem allenfalls eingerichteten Aufsichtsrat;
- die Überwachung der übrigen Geschäftsführer im Hinblick auf deren Ressortverantwortlichkeit;
- die Aufstellung des Jahresabschlusses und eines allfälligen Lageberichtes sowie einer Planbilanz als Teil des Jahresabschlusses;
- die Einhaltung der gebotenen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft;
- die Verschwiegenheitspflicht.
In der unrichtigen Beurteilung der Folgen einer Handlung liegt noch keine Fahrlässigkeit, wenn nicht die Beurteilung der Entscheidungsgrundlagen selbst auf Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt beruht.
Einem Geschäftsführer kommt in der Praxis ein sehr weites Entscheidungsermessen zu, welches allerdings an einige Voraussetzungen gebunden ist.
- Es muss sich um eine unternehmerische Entscheidung handeln;
- der Geschäftsführer muss frei von Eigeninteressen und sachfremden Einflüssen sein;
- die Entscheidung muss zu dem Zeitpunkt, zu dem sie getroffen wird, offenkundig geeignet sein, dem Wohl der Gesellschaft zu dienen;
- die Entscheidungsgrundlage beruht auf einer angemessenen Information unter Abwägung von Vor- und Nachteilen bzw. Chancen und Risiken einer bestimmten Maßnahme;
- es liegt Gutgläubigkeit des Geschäftsführers im Hinblick auf die Voraussetzungen zu a. bis e. vor.
Eine Prüfung der Angemessenheit von Geschäftsführungshandlungen erfolgt vor allem bei einer Interessenkollision. Keinen Ermessenspielraum haben die Geschäftsführer in jenen Fällen, bei denen sie kraft Gesetz verpflichtet sind, bestimmte Handlungen zu setzen oder eben zu unterlassen.
5. Die von einem Geschäftsführer geschuldete Treuepflicht
5.1. Allgemeine Grundlagen
Die Treuepflicht ist ein verbandsrechtliches Prinzip im GmbH-Recht, das auf den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie wirtschaftsethischer Geschäftsführung basiert. Es dient in erster Linie der Bewältigung von Interessenkonflikten bei der Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben. Jeder Geschäftsführer hat demnach in allen Angelegenheiten, welche die Interessen der Gesellschaft berühren, allein deren Wohl und nicht den eigenen Nutzen oder den Vorteil anderer zu verfolgen. Die Treuepflicht ergänzt die Pflicht zur strikten Einhaltung des äußeren Handlungsrahmens und zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung und bildet ein Gegengewicht zu den umfassenden Geschäftsführungsbefugnissen; sie ist der Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung vorgelagert.
Jeden Geschäftsführer treffen kraft seiner Organstellung
- als Verwalter fremden Vermögens und der herausgehobenen Vertrauensstellung
- eine besondere Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und – unternehmensbezogen – auch gegenüber den Gesellschaftern,
- die ein überdurchschnittlich loyales Verhalten gebietet.
Aus dem sich auf die Treuepflicht stützenden Vorrang der Gesellschaftsinteressen können sich einerseits Schutz-, Rücksichtnahme- und Unterlassungspflichten, anderseits aber auch – in beschränktem Umfang – aktive Förderpflichten der Geschäftsführer zu Gunsten der Gesellschaft ergeben. Die Treuepflicht umfasst das Verbot
- des Einsatzes gesellschaftsrechtlicher Machtbefugnisse zugunsten gesellschaftsfremder Zwecke
- der eigennützigen Ausnützung der Organstellung auf Kosten der Gesellschaft.
Bei der Beurteilung, ob überhaupt eine Interessenkollision vorliegt, kommt dem betreffenden Geschäftsführer kein (unternehmerischer) Entscheidungsspielraum zu; hierüber hat grundsätzlich die Generalversammlung zu befinden. Aus diesem Grunde ist ein Geschäftsführer auch verpflichtet, alle Interessenkonflikte offen zu legen, um den Gesellschaftern diese Entscheidung zu ermöglichen.
Die Treuepflicht wirkt über die Amtszeit hinaus. Ein ausgeschiedener Geschäftsführer darf die Durchführung von Verträgen, welche die GmbH abgeschlossen hat (möglicherweise in Vertretung durch ihn selbst!), weder durch die Abwicklung auf eigene Rechnung noch auf sonstige Weise beeinträchtigen oder vereiteln. Aus dieser nachwirkenden Treuepflicht kann nicht (automatisch) auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot geschlossen werden; ein solches kann zwischen der Gesellschaft und dem betreffenden Geschäftsführer anlässlich des Abschlusses des Anstellungsvertrages vereinbart werden.
Der Grundsatz vom Vorrang der Gesellschaftsinteressen unterliegt aber auch Grenzen. Diese ergeben sich insbesondere
- aus dem (auch) einem Geschäftsführer zustehenden Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit;
- im Hinblick auf den Schutz seiner Privatsphäre;
- aus der Verfolgung eigener legitimer Ziele des Geschäftsführers, etwa im Hinblick auf die Festlegung seiner Vergütung.
5.2. Förderpflichten
Der Geschäftsführer muss seine Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Arbeitskraft vorbehaltlos der Gesellschaft zur Verfügung stellen.Der Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung richtet sich nach dem Unternehmensgegenstand, der Branche, dem Geschäftsumfang und der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. Da es den Gesellschaftern im Regelfall auf das Ergebnis des Arbeitseinsatzes des Geschäftsführers ankommt, bleibt es grundsätzlich jedem Geschäftsführer überlassen, zu welchen Zeiten er seinen Pflichten zur Unternehmensleitung nachkommt.
Neben der Leistung von Überstunden kann die Treuepflicht ausnahmsweise auch einen außergewöhnlichen Einsatz für die Gesellschaft erfordern, etwa einen Urlaub nicht anzutreten oder aber vorzeitig abzubrechen; diesbezüglich empfiehlt sich der nachfolgende Rahmen:
- Sowohl für Gesellschafter als auch für den Geschäftsführer selbst sollte der Urlaub heilig sein.
- Eine telefonische Erreichbarkeit, etwa bei eingetretenen Elementarereignissen, kann vereinbart werden.
- Die Entscheidung, ob ein Urlaub nicht angetreten wird oder gar vorzeitig abgebrochen wird, ist eine höchstpersönliche Entscheidung des Geschäftsführers.
- Bei mehreren Geschäftsführern fehlt üblicherweise die Notwendigkeit hierfür.
- Bei einem allfälligen Abbruch des Urlaubs sollte die Verhältnismäßigkeit von Kosten und Nutzen beachtet werden.
- Sowohl ein nicht angetretener als auch vorzeitig abgebrochener Urlaub sollte mit den übrigen Geschäftsführern oder den Gesellschaftern (bzw. einem allenfalls vorhandenen Aufsichtsrat als dienstrechtlichen Ansprechpartner) abgestimmt werden.
- In diesem Fall sind Stornokosten u.ä. von der Gesellschaft zu übernehmen.
- Für abgabenrechtliche Zwecke ist die Betriebsbedingtheit der Verschiebung bzw. des Urlaubsabbruches zu dokumentieren.
- Die Aufbau- und Ablauforganisation der Gesellschaft sollte so funktionsfähig sein, dass Störungen des Geschäftsführers während seines Erholungsurlaubes nicht notwendig sind.
- Vor allen Kontaktaufnahmen ist zu prüfen, ob der Geschäftsführer von einem (fernen) Urlaubsort wirklich etwas Entscheidendes bewegen kann.
Dem Geschäftsführer obliegt in gewissen Grenzen auch im außerdienstlichen Bereich die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es nicht zu Interessenkollisionen kommt. Er hat – das sollte wohl selbstverständlich sein – Äußerungen, die das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit beeinträchtigen könnten, zu unterlassen. Dem Geschäftsführer kann ein Mäßigungsgebot im privaten bzw. sozialen Bereich auferlegt werden, soweit durch seine Tätigkeit die dienstlichen Interessen beeinträchtigt sind. So darf etwa das soziale oder politische Engagement die Wahrnehmung seiner Dienstpflichten und das Gesellschaftsinteresse nicht (wesentlich) beeinträchtigen. Eine Verpflichtung des Geschäftsführers, seine private Lebensführung so einzurichten, dass seine Gesundheit nicht gefährdet werde (und daher auf bestimmte Sportarten zu verzichten) ist durch die Treupflicht jedenfalls nicht umfasst.
5.3. Entgeltkürzung in der wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft?
Die Höhe der Vergütung sowie der sonstigen entgeltwerten Vorteile haben mit der Treuepflicht eines Geschäftsführers zur Gesellschaft nichts zu tun. Dem Geschäftsführer ist es nicht verwehrt, im Zuge von Vertragsverhandlungen die für ihn beste Vergütungsregelung heraus zu holen. Bei sachlich zweckmäßiger Entgeltbemessung gliedert sich dieses in eine fixe Vergütung sowie einen erfolgsabhängigen Anteil; dieser wird während einer (wirtschaftlichen) Krise der Gesellschaft mangels eines hinreichenden Erfolges ohnehin wegfallen. Unter diesem Aspekt besteht demnach auch keine Grundlage für eine weitere Entgeltkürzung: gerade im Zuge einer wirtschaftlichen Krise sind besonders viele Pflichten zu erfüllen.
Auch eine Reduzierung der Geschäftsführervergütung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist durch die Treuepflicht nicht geboten; daran ändert auch der Umstand nichts, dass wesentliche Vertretungshandlungen dem Insolvenzverwalter zukommen. Erachtet der Insolvenzverwalter die Vergütungen der Geschäftsleitungsorgane als zu hoch, so kommt ihm das Recht zu, die Anstellungsverhältnisse aufzulösen.
5.4. Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaftsorganen
Ein Geschäftsführer ist zur kollegialen Zusammenarbeit mit den übrigen Geschäftsführern und zu einem loyalen, kooperativen Verhalten gegenüber der Generalversammlung sowie einem etwaigen Aufsichtsrat (Beirat) verpflichtet. Jeder Geschäftsführer hat demnach die Mitgeschäftsführer
- über die wesentlichen Vorgänge in seinem Zuständigkeitsbereich sowie
- sonstige Vorkommnisse zu informieren,
- soweit sie für die Gesellschaft und den Verantwortungsbereich der übrigen Geschäftsführer von Bedeutung sind.
Die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit hindert einen Geschäftsführer aber nicht, pflichtgemäß andere Verantwortungsbereiche zu überwachen, eigene Meinungen zu äußern, auf die Abstellung von Missständen hinzuwirken und – falls eine solche Intervention nicht erfolgreich war – allenfalls (je nach Schwere und/oder Haftungsgeneigtheit) davon ein anderes Gesellschaftsorgan zu unterrichten.
5.5. Verbot der Ausnutzung der Organstellung
5.5.1. Unzulässige Vorteilsgewährung durch die Gesellschaft
Eine Treuepflichtverletzung liegt nicht nur vor, wenn der Geschäftsführer sich persönlich bereichert. Das ist nicht nur bei einem Griff in die Kasse der Fall, sondern auch dann, wenn er Ressourcen der Gesellschaft nutzt, ohne dass ihm ein Anspruch auf deren Nutzung und somit Zuwendung eines vermögenswerten Vorteils zusteht.
Beispiele:
- Nutzung des Dienstwagens entgegen der Bestimmungen des Anstellungsvertrages auch für private Zwecke;
- Erstattung von privat verursachten Reisekosten;
- Einsatz von Mitarbeitern der Gesellschaft für eigene Zwecke;
- Kreditgewährung eines Geschäftsführers an sich selbst oder an einen anderen Geschäftsführer (unter dem marktüblichen Zinssatz) ohne vorherige Zustimmung der Generalversammlung oder eines allfälligen Aufsichtsrats;
- Gewährung eines Darlehens an einen kreditunwürdigen Verwandten;
- Verrechnung von Spesen für gesellschaftsfremde Zwecke;
- unangemessen hoher Aufwand zu Lasten der Gesellschaft.
5.5.2. Geschäfte mit der Gesellschaft
Im Falle von Geschäften des Geschäftsführers mit der Gesellschaft bietet § 25 Abs. 4 GmbHG einen gewissen Schutz vor Interessenkonflikten; ein absolutes Verbot von In-Sich-Geschäften sieht das Gesetz allerdings nicht vor. Ist dem Geschäftsführer ein Selbstkontrahieren (ausnahmsweise) gestattet, unterliegt er in diesen Fällen einer besonderen, aus der Treuepflicht folgenden Pflichtenbindung.
Der Geschäftsführer handelt treuwidrig, wenn die von ihm getroffene Maßnahme aus der Sicht der Gesellschaft nicht angemessen war. Ob dies der Fall ist, wird auf Grundlage eines Drittvergleichs beurteilt. Dabei ist wesentlich, ob die Gesellschaft das mit dem Geschäftsführer geschlossene Geschäft unter sonst gleichen Umständen auch mit einem beliebigen Dritten abgeschlossen hätte. Ist dies nicht der Fall, dann hat der Geschäftsführer seine Organstellung zum Abschluss des Geschäftes ausgenutzt und sich treuwidrig verhalten. Nur wenn das Geschäft einem Drittvergleich standhält, ist auch die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung (einschließlich des unternehmerischen Ermessensspielraums) Prüfungsmaßstab.
Der wissentliche Missbrauch des Gesellschaftsvermögens und die damit verbundene Zufügung eines Vermögensnachteiles ist gerichtlich strafbar; es handelt sich um Untreue (§§ 153 und 153a StGB). Ein solcher Anlassfall führt zum Widerruf der Geschäftsführerbestellung aus wichtigen Gründen sowie einer fristlose Auflösung des Anstellungsvertrages.
5.5.3. Geschäftschancen
Konflikte zwischen Gesellschaftsinteressen und (unternehmerischen) Eigeninteressen des Geschäftsführers können insbesondere im Hinblick auf die Nutzung von Geschäftschancen entstehen.
Geschäftsführer dürfen nicht günstige Geschäftsgelegenheiten,
- die ihnen nur mit Rücksicht auf ihre Organstellung angetragen werden,
- ohne entsprechende Information anderer Gesellschaftsorgane für eigene Rechnung abschließen
- – und zwar auch dann nicht, wenn sie vom Wettbewerbsverbot ausgenommen sind – oder
- einem Unternehmen zukommen zu lassen, an dessen Gewinn sie beteiligt sind.
Diese Geschäftschancen kommen auf Grund der einem Geschäftsführer obliegenden Treuepflicht vorrangig der Gesellschaft zu. Jeden Geschäftsführer trifft daher die Pflicht, alle Maßnahmen zu ergreifen, um ein solches Geschäft zustande zu bringen undim Umkehrschluss alles zu unterlassen, was einen solchen Erwerb verhindert.
Ein Geschäftsführer darf eine der Gesellschaft zustehende Geschäftschance grundsätzlich nicht an sich ziehen. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob ein Geschäftsführer im Zuge seiner Organfunktion oder privat von der Geschäftschance erfahren hat. Für das Vorliegen einer Geschäftschance spricht auch, wenn das Geschäft nach Art, Gegenstand, Umfang, Marktpositionierung sowie strategischer Ausrichtung und Finanzkraft („objektive Sicht“) einen konkreten Bezug zum ausgeübten Unternehmensgegenstand der Gesellschaft aufweist. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Geschäftsführer ein sich der Gesellschaft eröffnendes Betätigungs- und Geschäftsfeld für sich selbst erschließt und die Geschäftschance auf eigene Rechnung, für eine ihm nahe stehende Person oder von ihm beherrschtes Unternehmen nutzt.
Wenn dem Geschäftsführer eine Geschäftschance privat angetragen oder er hiervon im privaten Bereich erfahren hat (es also an formalen Zuordnungskriterien fehlt),
- erfolgt eine Zuordnung der Geschäftschance zu Gunsten der Gesellschaft dann,
- wenn eine eindeutige Beziehung zwischen dem konkreten Geschäft und deren Unternehmensgegenstand besteht.
Eine Geschäftschance für die Gesellschaft liegt ab dem Zeitpunkt vor, wenn
- Vertragsverhandlungen begonnen haben;
- die Gesellschaft ein Angebot erhalten hat;
- im Hinblick auf eine konkrete unternehmerische Maßnahme ein Beschluss der Generalversammlung (Beirat, Aufsichtsrat) vorliegt;
- der Geschäftsabschluss durch die Gesellschaft bereits erwogen oder beschlossen bzw. die Gesellschaft ein allgemeines Interesse an Geschäften dieser Art geäußert hat.
Ein Geschäftsführer darf während seiner Amtszeit geschlossene, jedoch nicht vollzogene Verträge der Gesellschaft mit Dritten nicht nach Beendigung der Organstellung auf eigene Rechnung abwickeln oder „mitnehmen“ und dadurch zu Lasten der Gesellschaft vereiteln. Voraussetzung ist aber, dass dem Geschäftsführer die Geschäftschance noch während seiner Organfunktion bekannt wurde.
Es liegt nicht im Ermessen der Geschäftsführer, zu Lasten der Gesellschaft auf eine Geschäftschance zu verzichten. Für ein unzulässiges An-Sich-Ziehen spielt es auch keine Rolle, ob und inwieweit die GmbH die Geschäftschance selbst genutzt hätte. In jenen Fällen, in denen die Wahrnehmung der Geschäftschance durch die Gesellschaft offensichtlich unmöglich ist, kann der Geschäftsführer diese an sich ziehen, wenn der GmbH hierdurch kein Schaden entsteht.
Eine Eigenwahrnehmung von Geschäftschancen durch einen Geschäftsführer ist grundsätzlich dann zulässig, wenn die Generalversammlung (der Aufsichtsrat/Beirat) zustimmt. Ein entsprechender Beschluss setzt jedoch voraus, dass der Geschäftsführer das für die Zustimmung maßgebliche Gesellschaftsorgan umfassend über den Interessenkonflikt und die Tragweite der Entscheidung aufklärt.Die Kenntnis oder die Einwilligung der übrigen Geschäftsführer rechtfertigen das An- Sich-Ziehen eines Geschäftes jedenfalls nicht.
Verstößt ein Geschäftsführer gegen das Geschäftschancenverbot kommen nachstehende Rechtsfolgen in Betracht:
- Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts bei gemeinsamen Zusammenwirken;
- Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer;
- Auflösung des Anstellungsvertrages aus wichtigen Gründen;
- Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen;
- Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen;
- Vorteilsherausgabe und das Eintrittsrecht der Gesellschaft.