Das gesetzliche Stimmverbot von GmbH-Gesellschaftern – ein Praxisüberblick

„Wer durch die Beschlussfassung von einer Verpflichtung befreit, oder wem ein Vorteil zugewendet werden soll, hat hiebei weder im eigenen noch im fremden Namen das Stimmrecht. Das Gleiche gilt von der Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäftes mit einem Gesellschafter oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites zwischen ihm und der Gesellschaft betrifft.“

Dieser nackte Gesetzestext des § 39 Abs. 4 GmbHG ist die Keimzelle von in der Beratungspraxis häufig auftretenden Auffassungsunterschieden, Missverständnissen und Überraschungen. Letzteres deshalb, weil in bestimmten Konstellationen der mit einer 90 %-igen Quote beteiligte Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist und sohin die 10 %-ige Minderheit bei den betreffenden Beschlussfassungsgegenständen 100 % des Kapitals repräsentiert. Dazu kommt, dass in unmittelbaren Zusammenhang zum Stimmverbot auch § 39 Abs 5 GmbHG steht, weil eben kein generelles Stimmverbot bei Interessenkollisionen besteht.

Die Bestimmung des § 39 Abs. 5 GmbHG lautet:

„Wenn ein Gesellschafter selbst zum Geschäftsführer oder Aufsichtsrat oder Liquidator bestellt oder als solcher abberufen werden soll, so ist er bei der Beschlussfassung in der Ausübung seines Stimmrechtes nicht beschränkt.“

Der Normzweck von Stimmverboten liegt darin, die gesellschaftsinterne Willensbildung auf eine möglichst fehlerfreie Grundlage zu stellen. Um es  deutlicher zu sagen: In den vom Gesetz erfassten Fällen gehen Gesellschaftsinteressen vor Gesellschafterinteressen. Die Bestimmung des § 39 Abs 4 erfasst bei weitem nicht alle Fälle widerstreitender Gesellschafts- und Eigeninteressen bzw Mehrheits- und Minderheiteninteressen, sondern lediglich zwei Teilaspekte von möglichen Interessenkonflikten:

Einem Gesellschafter kommt weder im eigenen noch im fremden Namen das Stimmrecht zu (§ 39 Abs 4), wenn

  1. er durch eine Beschlussfassung der Generalversammlung von einer bestehenden Verpflichtung befreit werden soll;
  2. ihm als Geschäftsführer im Rahmen einer ordentlichen Generalversammlung die Entlastung erteilt werden soll;
  3. ihm ein besonderer Vorteil durch eine Beschlussfassung der Generalversammlung zugewendet werden soll, dies unter der Voraussetzung, dass der GmbH oder mindestens  einem anderen Gesellschafter daraus ein Nachteil entstehen könnte;
  4. über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm abgestimmt werden soll;
  5. in der Generalversammlung über die Einleitung oder Beendigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der GmbH abgestimmt werden soll; Der Begriff „Rechtsstreit“ ist weit auszulegen; auch schiedsgerichtliche Verfahren sind erfasst. Kein Rechtsstreit im herkömmlichen Sinne ist aktives Konfliktmanagement, etwa durch einen Mediator. Als Einleitung eines Rechtsstreits ist jede mit der eigentlichen Prozessführung verbundene prozessuale Handlung zu verstehen; dazu gehören insbesondere die Bestellung eines Prozessvertreters bei einem Passivprozess, die Entscheidung, ob sich die Gesellschaft überhaupt in einen Rechtsstreit einlassen soll, die Bestellung eines Sonderprüfers nach § 45 GmbHG sowie verschiedene außergerichtliche Maßnahmen. Vom Begriff Beendigung eines Rechtsstreits umfasst sind sowohl alle (prozessualen) Rechtshandlungen zu verstehen als auch jene, die den Fortgang des Verfahrens betreffen (vgl hierzu exemplarisch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 39 Rz 43); darunter fallen beispielsweise Rechtsmittel, Klagerücknahmen, (außer)gerichtliche Vergleiche, usw.
  6. sein  Geschäftsanteil kaduziert werden soll;
  7. er aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden soll,
  8. er Geschäftsführer ist und über die Entlastung eines anderen Gesellschafter-Geschäftsführers abgestimmt werden soll;
  9. bei Maßnahmen, die gegen ihn von den übrigen Gesellschaftern aus einem wichtigen Grund ergriffen werden, sofern es sich nicht um den Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer oder Liquidator handelt;
  10. im Gesellschaftsvertrag ein über die Fälle a. bis i. hinausgehendes Stimmverbot für den konkreten Fall vereinbart ist.

Die Bestimmungen über den Stimmrechtsausschluss sind bei einer Einpersonen-GmbH naturgemäß nicht anwendbar. Die gesetzlichen Regelungen über das Stimmverbot sind kein Schutzgesetz zu Gunsten der Gläubiger. Das Teilnahmerecht des vom Stimmrecht ausgeschlossenen Gesellschafters an der Generalversammlung bleibt von einem allfälligen Stimmverbot unberührt.

Die Ausübung des Stimmrechts durch einen Gesellschaftertrotz möglicher Interessenkollision ist in folgenden Fällen zulässig:

Soll demnach ein Gesellschafter selbst zum Geschäftsführer oder Aufsichtsrat oder Liquidator bestellt oder als solcher abberufen werden, ist er bei der Beschlussfassung in der Ausübung seines Stimmrechts nicht beschränkt; ein Stimmrechtsausschluss besteht in diesem Fall nicht.

Stimmverbot eines Gesellschafters bei Beschlussfassungen

Die gesetzlichen Regelungen über das Stimmverbot sind zwingend, weshalb sie durch den Gesellschaftsvertrag nicht geändert werden können.


Beschlussgegenstand


Stimm


verbot


Ja


Nein


Abstimmung über ein Auskunftsersuchen




 

Änderungen des Gesellschaftsvertrages

 



Auflösung der Gesellschaft

 



Ausschluss des Gesellschafters aus der GmbH




 

Befreiung von einer Verpflichtung aller Gesellschafter

 



Befreiung von einer Verpflichtung eines Gesellschafters (Vgl OGH 25.9.2001, 1 Ob 190/01 z)




 

Beschlussfassung über die Einforderung noch ausstehender Einlagen

 



Beschlussfassung über die Teilung und Übertragung seines Geschäftsanteiles

 



Beseitigung eines Sonderrechts

 



Bestellung zum Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglied oder Liquidator

 



Eigene Entlastung des Gesellschafters als Geschäftsführer, Liquidator oder Mitglied des Aufsichtsrats




 

Einleitung oder Beendigung eines Rechtsstreites zwischen dem Gesellschafter und der GmbH




 

Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen der GmbH und dem Gesellschafter




 

Entlastung eines anderen Gesellschafter-Geschäftsführers




 

Erteilung der Prokura an einen Gesellschafter

 



Feststellung des Jahresabschlusses bei Mitwirkung bei der Erstellung des Jahresabschlusses

 



Genehmigung der Übertragung des eigenen vinkulierten Geschäftsanteiles

 



Kaduzierung des eigenen Geschäftsanteiles




 

Kapitalerhöhung und Übernahme eines Geschäftsanteiles

 



Rechtsgeschäft zwischen dem Gesellschafter und der GmbH




 

Vorbereitung einer Ausschlussklage (vgl. OGH 22.2.1996, 6 Ob 657/95)




 

Wahl des Vorsitzenden der Generalversammlung

 



Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglied oder Liquidator

 



Zustimmung der Generalversammlung zur Abtretung eines Geschäftsanteiles an einen Nichtgesellschafter

 



Zuwendung eines besonderen Vorteiles, wenn der GmbH oder zumindest einem Gesellschafter daraus ein Nachteil entstehen könnte




 

Bei der Beschlussfassung über die Teilung und Übertragung von Geschäftsanteilen ist der betroffene Gesellschafter uneingeschränkt stimmberechtigt, weil diese Entscheidung den Kernbereich seiner Mitgliedschaft betrifft. Vgl hierzu weiterführend Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³(2007) § 39 Rz 46; Enzinger in Straube (Hrsg), Wiener Kommentar zum GmbH-Gesetz (2013) § 39 Rz 110.

Soweit ein Gesellschafter bei der Beschlussfassung in der Sache vom Stimmverbot betroffen wäre, darf er auch nicht mitstimmen, wenn es in der Generalversammlung um Verfahrensanträge geht.

Beispiel:

Ein Gesellschafter darf nicht bei einer Abstimmung darüber teilnehmen, ob die Beschlussfassung über einen Antrag auf seine Entlastung als Geschäftsführer auf die nächste Generalversammlung vertagt werden soll.

Stimmt ein Gesellschafter entgegen einem Stimmverbot ab, so ist seine Stimme nichtig. Bei der Beschlussfeststellung, also bei der Ermittlung und Verlautbarung des Abstimmungsergebnisses, sind die Stimmen aus dem betroffenen Geschäftsanteil nicht mitzuzählen. Sie sind auch dann nicht mitzuzählen, wenn es um die Ermittlung der für die erforderliche Mehrheit jeweils benötigten Stimmenzahl geht. Bei einer Drei-Personen-Gesellschaft mit paritätischer Beteiligung kommt demnach bei Stimmenthaltung eines Gesellschafters und Stimmrechtsausschluss des zweiten Gesellschafters der Beschluss mit der gültig abgegebenen Stimme des dritten Gesellschafters einstimmig zustande(vgl. hierzu OGH 22.9.2005, 2 Ob 175/05g).

Hat ein Abstimmungsleiter jedoch die entgegen einem Stimmverbot abgegebenen Stimmen tatsächlich mitgezählt, so ist seine Feststellung vorläufig verbindlich. Der festgestellte Beschluss kann nur durch Anfechtungsklage beseitigt werden (OGH 10.11.1996, 2 Ob 2146/96 v).

Die Mehrheit entscheidet … und wie wird sie ermittelt? Grundsätzliches zu den Beschlussmehrheiten im Gesellschaftsrecht

Viel Ungemach ließe sich vermeiden, wenn sich GmbH-Gesellschafter entweder zu einstimmigen Beschlüssen durchringen könnten oder abwechselnde Mehrheiten sicherstellen, sodass zumindest die überwiegende Zahl der Gesellschafter ihre Interessen, und zwar nicht zum offenkundigen Nachteil der überstimmten Eigentümer, durchsetzen und Ziele erreichen können. Die Praxis zeigt jedoch (leider) ein anderes Bild. Die folgenden Ausführungen wollen einen Beitrag zum besseren Verständnis zur Systematik der Beschlussmehrheiten im GmbH-Recht leisten.

1. Grundsätzliches

Die Beschlussfassung der Gesellschafter erfolgt – soweit das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmen – durch einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Diese werden nicht nach Köpfen, sondern nach der Höhe des von den einzelnen Gesellschaftern übernommenen Teiles am Stammkapital gezählt. Je zehn Euro einer übernommener Stammeinlage gewährt eine Stimme; Bruchteile unter zehn Euro werden nicht mitgezählt. Jedem Gesellschafter kommt mindestens eine Stimme zu.

Durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung können die Mehrheitserfordernisse insoweit verschärft werden, als Beschlüsse nur mit einer größeren als der gesetzlich jeweils vorhergesehenen Mehrheit oder gar nur einstimmig zustande kommen. Der Gesellschaftsvertrag kann auch vorsehen, dass 

In diesen Fällen ist ein Beschlussantrag erst dann angenommen, wenn die jeweiligen zusätzlichen gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen erfüllt sind; die einfache oder sonst gesetzlich vorgeschriebene Mehrheit reicht nicht aus. Bei Wahlen zu einem Gesellschaftsorgan (insbesondere zum Aufsichtsrat) genügt ausnahmsweise die relative Mehrheit. 

Im Hinblick auf die Mehrheitserfordernisse ist zu unterscheiden in Beschlussgegenstände,

2. Einfache Mehrheit

In der Regel ist für die Beschlussfassung die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Hälfte der nach Kapitalanteilen abgegebenen Stimmen muss also mindestens um eine Stimme überschritten sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Mehrheit der abgegebenen Stimmen zugleich auch die Mehrheit der erschienenen Gesellschafter oder gar die Mehrheit des Stammkapitals umfasst. Zu den abgegebenen Stimmen zählen nur diejenigen Stimmen, die für oder gegen den Antrag abgegeben werden und gültig sind.

Eine Beschlussfassung der Gesellschafter mit einfacher Mehrheitder abgegebenen Stimmen erfolgt 

3. Qualifizierte Mehrheit

Für die nachfolgenden Beschlussgegenstände ist eine qualifizierte Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen erforderlich:

4. Einstimmigkeit

Ein einstimmiger Beschluss der Generalversammlung ist in folgenden Fällen erforderlich:

  1. Bei Abänderung oder Neufassung des Gesellschaftsvertrages im Hinblick auf die Änderung des Gesellschaftszwecks oder eine (wesentliche) Änderung des Unternehmensgegenstandes (§ 50 Abs 3); eine Verringerung der Mehrheitserfordernisse durch den Gesellschaftsvertrag ist zulässig.
  2. Ausgliederung des gesamten Betriebes in eine Tochtergesellschaft: das Einstimmigkeitserfordernis stützt sich auf das Vorliegen einer faktischen Änderung des Unternehmensgegenstandes. 
  3. Abänderung des Gesellschaftsvertrages im Hinblick auf die Herabsetzung eines einstimmigen Beschlusserfordernisses.
  4. Beschlussfassung über eine asymmetrische Gewinnverteilung: In diesem Fall ist die Mitwirkung sämtlicher Gesellschafter erforderlich; ein einstimmiger Beschluss der bloß anwesenden Gesellschafter ist nicht ausreichend.

5. Kombination von Stimmen- und Kapitalmehrheit

Für verschiedene im Gesetz angeführte Beschlussgegenständesind sowohl besondere Mehrheiten als auch Zustimmungserfordernisse vorgesehen:

  1. Bei der verschmelzenden Umwandlung (§ 2 Abs 1 UmwG) ist für den Umwandlungsbeschluss eine Drei-Viertel Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 2 Abs 3 UmwG iVm § 98)  und die Zustimmung des mit zumindest mit einer Quote von 90 % am Stammkapitel beteiligten Hauptgesellschafters erforderlich. Eine Erhöhung des Mehrheitserfordernisses bis zur Einstimmigkeit sowie die Statuierung weiterer Voraussetzungen sind zulässig.
  2. Im Falle der errichtenden Umwandlung (§ 5 UmwG) ist als erste Voraussetzung für den Umwandlungsbeschluss eine Drei-Viertel Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich (§§ 5 Abs 5 sowie 2 Abs 3 UmwG iVm § 98 Abs 3). Zweite Voraussetzung ist entweder

Diese Zustimmungen können auch außerhalb einer förmlichen Generalversammlung erklärt werden. Eine Erhöhung des Mehrheitserfordernisses bis zur Einstimmigkeit sowie die Statuierung weiterer Voraussetzungen sind zulässig.

3. Bei der nicht-verhältniswahrenden Spaltung ist für den Spaltungsbeschluss eine Drei-Viertel Mehrheit der abgegebenen Stimmen und eine Mehrheit von 90 % des gesamten Stammkapitals erforderlich (§ 8 Abs 3 SpaltG). Eine Erhöhung des Mehrheitserfordernisses bis zur Einstimmigkeit sowie die Statuierung weiterer Voraussetzungen sind zulässig. Im Falle einer nicht verhältniswahrenden Spaltung bedarf der Beschluss der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter.

4. Eine Strukturbereinigung der Beteiligungsverhältnisse (Ausschluss auf Grundlage des Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Gesellschafter-Ausschlussgesetz – GesAusG) erfolgt einerseits mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen und bedarf andererseits der Zustimmung des mit einer Quote von zumindest 90 % beteiligten Hauptgesellschafters.

6. Besondere Mehrheitsverhältnisse

In den folgenden Fällen sind unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zu den sonstigen Mehrheitsverhältnissen die Zustimmung einzelner Gesellschafter erforderlich:

  1. Im Falle einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag;
  2. bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags, wenn dadurch einzelnen Gesellschaftern eingeräumte Sonderrechte abgeändert oder aufgehoben werden sollen (§ 50 Abs 4 und 5);
  3. Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen (§ 50 Abs 3);
  4. im Falle von Umgründungsmaßnahmen, insbesondere bei Verschmelzungen (§ 99), formwechselnden Umwandlungen (§ 245 Abs 1 AktG) und Spaltungen (§ 10 SpaltG).

Eine Mehrheit von 90% des Stammkapitals ist erforderlich bei der verschmelzenden Umwandlung (§ 2 Abs 2 UmwG) sowie bei der errichtenden Umwandlung (§ 7 Abs 2 UmwG).

Bei den folgenden Strukturmaßnahmen ist die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich:

7. Praxisbeispiele 

Wie sich die Mehrheitsverhältnisse im Falle von gesetzlichen Stimmverboten oder abwesenden Gesellschaftern berechnen, wird an Hand nachfolgender Beispiele dargestellt.

Ausgangssituation: An der ABC-Industriebetriebe GmbH mit einem Stammkapital von € 100.000,– sind die nachfolgenden Gesellschafter beteiligt.



Gesellschafter



Übernommene Stammeinlage



Anzahl der Stimmen



Beteiligungs-quote in %



Anton Alber



€  41.000,–



4.100



41



Sieglinde Alber



€    9.000,–



900



9



Bernhard Berger



€  12.000,–



1.200



12



Brigitte Berger



€  13.000,–



1.300



13



Christine Claus



€  16.000,–



1.600



16



Dieter Daum



€    9.000,–



900



9




€ 100.000,–



10.000



100

Geschäftsführer sind Anton Alber und Emil Eder. Der Gesellschafter Anton Alber wurde im Gesellschaftsvertrag zum Geschäftsführer bestellt; der Widerruf seiner Bestellung ist auf wichtige Gründe beschränkt; es gelten die gesetzlichen Mehrheitsverhältnisse.

Beispiel:

Entlastung des Geschäftsführers Anton Alber. Bei diesem Generalversammlungsbeschluss ist Anton Alber nicht stimmberechtigt. Alle anderen Gesellschafter nehmen an der Beschlussfassung teil.



Gesellschafter



Übernommene Stammeinlage



Kapital bei Beschluss-fassung



Stimmen-verhältnis



Stimmen für Entlastung



Stimmen gegen Entlastung



Stimm-enthaltung



Anton Alber



€ 41.000,–



/



0






Sieglinde Alber



€   9.000,–



€  9.000,–



15,25 %




15,25 %




Bernhard Berger



€ 12.000,–



€ 12.000,–



20,34 %





20,34 %



Brigitte Berger



€ 13.000,–



€ 13.000,–



22,04 %




22,04 %




Christine Claus



€ 16.000,–



€ 16.000,–



27,12 %



27,12 %





Dieter Daum



€   9.000,–



€   9.000,–



15,25 %



15,25 %






€ 100.000,–

€ 59.000,–
100 %
42,37 %
37,27 %
20,34 %

Ergebnis: Für die Entlastung des Geschäftsführers Anton Alber haben sich 2.500 Stimmen (42,37 % des bei der Beschlussfassung anwesenden Kapitals) ausgesprochen. Gegen die Entlastung haben 2.200 Stimmen (37,27 % des bei der Beschlussfassung anwesenden Kapitals) votiert. Einer konkreten Meinung enthalten hat sich Gesellschafter Bernhard Berger mit 1.200 Stimmen. Dem Gesellschafter-Geschäftsführer Anton Alber wurde sohin die Entlastung erteilt.

Beispiel: 

Die Gesellschafter Christine Claus und Dieter Daum beantragen die Abberufung von Anton Alber als Geschäftsführer; dieser ist bei der Beschlussfassung stimmberechtigt. Alle Gesellschafter nehmen an der Abstimmung teil.



Gesellschafter



Übernommene Stammeinlage



Stimmen für Abberufung



Stimmen gegen Abberufung



Stimm-enthaltung



Anton Alber.



€  41.000,–




4.100




Sieglinde Alber



€    9.000,–



900





Bernhard Berger



€  12.000,–



1.200





Brigitte Berger



€  13.000,–





1.300



Christine Claus



€  16.000,–



1.600





Dieter Daum



€    9.000,–



900






€ 100.000,–



4.600



4.100



1.300

Ergebnis: Wenn im Gesellschaftsvertrag geregelt ist, dass für die Abberufung eines Mitglieds der Geschäftsführung die einfache (wenn auch relative) Mehrheit genügt, so ist Anton Alber als Geschäftsführer rechtswirksam abberufen. Wurde hingegen sinngemäß vereinbart, dass für die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses „50 % und eine Stimme“ erforderlich sind, so verbleibt Anton Alber als Geschäftsführer.

Beispiel:

Die Geschäftsführer Anton Alber und Emil Eder stellen den Antrag auf Genehmigung eines Investitionsvorhabens, welches kraft Satzungsbestimmung als zustimmungspflichtige Maßnahme vereinbart ist. Als Fremdgeschäftsführer ist Emil Eder nicht stimmberechtigt.



Gesellschafter



Übernommene Stammeinlage



Stimmen  für die Investition



Stimmen gegen die Investition



Stimm-enthaltung



Anton Alber



€  41.000,–



4.100





Sieglinde Alber



€    9.000,–




900




Bernhard Berger



€  12.000,–




1.200




Brigitte Berger



€  13.000,–




1.300




Christine Claus



€  16.000,–




1.600




Dieter Daum



€    9.000,–



900






€ 100.000,–



5.000



5.000


Ergebnis: Die Investition hat zu unterbleiben, weil Stimmengleichheit – wie im vorliegenden Fall – keine Zustimmung bedeutet.

Beispiel:

Die Geschäftsführer Anton Alber und Emil Eder stellen den Antrag auf Genehmigung eines Investitionsvorhabens, welches kraft Satzungsbestimmung als zustimmungspflichtige Maßnahme vereinbart ist. Im Gegensatz zum vorherigen Beispiel ist bei der Beschlussfassung Sieglinde Alber weder anwesend noch hat sie eine Stimmrechtsvollmacht erteilt.




Gesellschafter



übernommene Stameinlage



Kapital bei Beschlussfassung



Stimmen für die Investition



Stimmen gegen die Investition




Anton Alber



€  41.000,–



€ 41.000,–



4.100



Sieglinde Alber



€    9.000,–






Bernhard Berger.



€  12.000,–



€ 12.000,–




1.200



Brigitte Berger



€  13.000,–



€ 13.000,–




1.300



Christine Claus



€  16.000,–



€ 16.000,–




1.600



Dieter Daum



€    9.000,–



€   9.000,–



900





€ 100.000,–



€ 91.000,–



5.000



4.100

Ergebnis: Dem Antrag der Geschäftsführung, ein zustimmungspflichtiges Geschäft abzuschließen, wird von der Generalversammlung mit 5.000 Stimmen bei 4.100 Gegenstimmen zugestimmt.

Wann haftet ein GmbH-Gesellschafter nicht? 2. Teil

Im vorherigen Beitrag wurde ausführlich dargestellt, warum Gesellschafter nicht nur für die eigenen Stammeinlagen haften, welche Nachteile bei der Vereinbarung von Nachschüssen im Gesellschaftsvertrag bestehen, wie die Geschäftsführerpflichten nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz zu einer konkreten Haftungsgefahr für GmbH-Gesellschafter werden können und was aus Sicht eines Minderheitsgesellschafters bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages zu beachten ist. Im heutigen zweiten Teil des Beitrages werden weitere Empfehlungen für ein sorgenfreies Dasein eines GmbH-Gesellschafters erstattet.

Zu 5. Kein kridaträchtiges Verhalten in der Generalversammlung

Dieser mögliche Haftungstatbestand lässt sich kurz und bündig erklären: Ein GmbH-Gesellschafter, der für einen Gesellschafterbeschluss stimmt, mit welchem dem Geschäftsführer die Unterlassung des gebotenen Insolvenzantrages aufgetragen wird, haftet gegenüber Dritten (OGH 10.12.1992, 6 Ob 656/90). Damit ist eigentlich alles gesagt.

Zu 6. Keine Unterkapitalisierung der Gesellschaft

Eine qualifiziert Unterkapitalisierung ist dann anzunehmen, wenn 

Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen sind bei der Feststellung materieller Unterkapitalisierung grundsätzlich zu berücksichtigen.

Es ist unzulässig eine GmbH mit einem Haftungsfonds so geringen Umfangs auszustatten, dass dieser unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Einnahmenserfüllung der künftigen Gläubiger offensichtlich nicht ausreicht (OGH 6 Ob 1123/06 s). Schon die Gründung einer GmbH mit dem Mindestkapital ist ein Gefahr begründendes Verhalten (So der OGH im Fall einer Tourismusmarketing GmbH mit einem Stammkapital von € 35.000,– und von den beteiligten Tourismusverbänden aufgebrachten Krediten von etwa € 2.000.000,–; vgl. OGH  29.4.2004, 6 Ob 313/03 b = GesRZ 2004, 379 = wbl 2004, 486 = ecolex 2004, 951 = GeS 2005, 19 = RWZ 2004, 366 = ÖZW 2005, 21.).

Ein höheres Stammkapital als das gesetzliche Mindestkapital von € 35.000,00 ist meines Erachtens bereits ein wesentlicher Hinweis darauf, dass eine solche Unterkapitalisierung nicht vorliegen kann; freilich kommt es – wie immer in der Juristerei – auf eine Einzelfallbetrachtung an. 

Zu 7. Keine unzulässigen Einlagenrückgewähr

Zu diesem Themenkomplex wird auf den Beitrag des Verfassers im BÖB-Journal (Verdeckte Ausschüttungen und unzulässige Einlagenrückgewähr – ein praktischer Überblick über Gefahren und Rechtsfolgen, 1. Teil, 49/12, 40, 2. Teil, 50/12, 53) verwiesen. Das Wesen einer unzulässigen Einlagenrückgewähr lässt sich – vereinfacht – folgendermaßen darstellen:

Die Geschäftsführung gewährt einem Gesellschafter Vorteile aus dem Gesellschaftsvermögen, die weder angemessen noch fremdüblich sind. Konsequenz einer solchen Rechtswidrigkeit ist, dass die Gesellschaft gegenüber dem betreffenden Gesellschafter einen Rückforderungsanspruch hat. Ist eine Rückforderung beim Gesellschafter nicht mehr zu erlangen, so haften die Geschäftsführer; ist auch bei denen kein Regress einforderbar, so haften die übrigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer übernommenen Stammeinlagen bis (wahrscheinlich) zur Höhe des Stammkapitals. Wahrscheinlich deshalb, weil es in der Literatur durchaus auch Stimmen gibt, die in Falle einer verbotenen Einlagenrückgewähr die Auffassung vertreten, dass die Gesellschafter unbeschränkt (also über das Prinzip der beschränkten Haftung hinaus) haften.

Eine besondere Form der Einlagenrückgewähr stellt die Downstream-Verschmelzung dar: Bei der Downstream-Verschmelzung wird das Vermögen der übertragenden Muttergesellschaft auf die übernehmende Tochtergesellschaft übertragen. Die von der Mutter an der Tochter gehaltenen Geschäftsanteile werden an die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft abgegeben. Eine Verschmelzung downstream ist daher nur dann zulässig, wenn die Tochtergesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge einen positiven Verkehrswert aufweist (OGH 11.11.1999, 6 Ob 4/99 h = SZ 72/172 = JBl 2000, 188 = GesRZ 2000, 25 = ecolex 2000, 121 = RWZ 2000, 47; OGH 25.6.1996, 4 Ob 2078/96 h = SZ 69/149 = JBl 1997, 108 = RdW 1996, 472 = ecolex 1997, 437 = ÖBA 1997, 193 = AnwBl 1997, 300). Bei dieser Beurteilung bleibt jedoch der Wert der Beteiligung an der Tochtergesellschaft außer Betracht. Überträgt demnach die Mutter mehr Verbindlichkeiten als Aktiva auf die Tochtergesellschaft, dann verstößt die Verschmelzung gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 82 Abs. 1 GmbHG. 

Die GmbH übernimmt bei derartigen Downstream-Merger-Gestaltungen Verbindlichkeiten von Gesellschaftern, denen keine adäquate Gegenleistung gegenübersteht. Aus diesem Grunde sind sowohl der Verschmelzungsvertrag als auch die Verschmelzungsbeschlüsse nichtig. Werden im Zusammenhang mit der Verschmelzung gesellschaftsrechtliche Begleitmaßnahmen ergriffen, wie z.B. eine ordentliche Kapitalherabsetzung bei der übernehmen Gesellschaft, wäre die Verschmelzung zulässig.

Zu 8. Bürgschaftsübernahme für GmbH-Verbindlichkeiten

Vorweg: Es ist insbesondere bei Familiengesellschaften vielfach nicht zu vermeiden, dass Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank oder sonstigen Dritten eine Haftungserklärung abgeben. Solche geschäftlichen Gepflogenheiten sind auch nichts Unanständiges. Man sollte sich jedoch vor Augen halten, dass in einem solchen Fall das Prinzip mit beschränkter Haftung durchbrochen wird, weil durch die Ausfallshaftung gegenüber der Bank der/die betreffenden Gesellschafter eine Erfolgshaftung haben. Wenn die Gesellschafter unvermeidbarer weise eine Solidarhaftung zu übernehmen haben, so ist man im Verhältnis zur Bank dem Haftungssystem einer offenen Gesellschaft schon sehr nahe.

Zu 9. Vorhandensein eines Geschäftsführers

Die Gesellschafter sind verpflichtet, Geschäftsführer in der erforderlichen Anzahl zu bestellen. Diese Verpflichtung wird insbesondere dann schlagend, wenn der letzte Geschäftsführer – aus welchen Gründen auch immer – seinen Rücktritt erklärt. Man sollte freilich meinen, dass es nicht so schwierig sein kann, geeignete Geschäftsführer zu finden, die Praxis zeigt ein anderes Bild: Häufig lässt sich ein Geschäftsführer deshalb nicht finden, weil die Gesellschafter untereinander zerstritten sind, die Gesellschaft in wirtschaftlicher Hinsicht insolvenzgefährdet ist und die Bedingungen für die Übernahme der Funktion schlichtweg unattraktiv sind. 

Das Firmenbuchgericht kann Zwangsstrafen gegenüber GmbH-Gesellschaftern erlassen, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, Geschäftsführer in der erforderlichen Anzahl zu bestellen. In Deutschland geht man einen Schritt weiter: hier ist der Mehrheitsgesellschafter einer „geschäftsführerlosen“ GmbH sogar zur Insolvenzantragstellung verpflichtet. Aber auch hierzulande ist eine Haftung des Mehrheitsgesellschafters zu bejahen, wenn durch die schuldhaft unterlassene Geschäftsführerbestellung einem Dritten ein Vermögensschaden erwächst. 

Zu 10. Kein Handeln in der Vor-(Gründungs-) gesellschaft

Bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages ist die (ins Auge gefasste) GmbH als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren. Diese einzige im ABGB geregelte Gesellschaftsform ist gekennzeichnet durch eine Anteilshaftung, die durch die Lehre und Rechtsprechung faktisch zu einer unbeschränkten solidarischen Haftung aller (bekannten) Gesellschafter stilisiert wurde. 

Von einer Vorgesellschaft wird hingegen im Zeitpunkt zwischen der Errichtung des Gesellschaftsvertrages und der Eintragung des Rechtsträgers im Firmenbuch gesprochen. Die Vorgesellschaft ist insb. dadurch gekennzeichnet, dass die GmbH zwar entstanden ist, mangels Firmenbucheintragung jedoch einem Dritten nicht bekannt ist, wer tatsächlich zum Geschäftsführer bestellt ist. Um diesen berechtigten Besorgnissen vorzukehren, sieht § 2 Abs. 2 GmbHG entsprechende gesetzliche Haftungsregelungen vor: wenn ein Gesellschafter (ohne Geschäftsführer zu sein) vor Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch für diese handelt, der haftet – selbstverständlich nur, wenn irgendjemandem dadurch ein Schaden entstanden ist.   

Zu 11. Keine faktische Geschäftsführung

Eine faktische Geschäftsführung, die in haftungsrechtlicher Hinsicht mit einem im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer gleichzusetzen ist liegt dann vor, wenn Gesellschafter (selten auch Dritte) auf die Leitung der Gesellschaft maßgeblichen Einfluss nehmen. Was maßgeblich ist und was nicht, kommt naturgemäß auf den jeweiligen Einzelfall an. Eine faktische Geschäftsführung ist jedenfalls zu bejahen, wenn der betreffende Gesellschafter die Konten der Gesellschaft führt und in seinem Handeln von einem im Firmenbuch eingetragenen organschaftlichen Vertreter nicht (mehr) zu unterscheiden ist. Wie sagt doch der OGH ganz lapidar: Auch der faktische Geschäftsführer haftet wegen Konkursverschleppung (OGH 23.2.2009, 8 Ob 108/08b, OGH 17.12.2007, 8 Ob 124/07d).

Zu 12. Missbrauch der Organisationsfreiheit

Vorab: Das, was im restlichen Teil dieses Beitrages kommt, hat eher „exotischen“ Charakter und kommt bei kleinen und mittelständischen GmbH´s eher nicht vor. Es geht allerdings darum, kritisch das System der beschränkten Haftung zu hinterfragen. Die Existenzvernichtungshaftung betrifft die Haftung der Gesellschafter für Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen (etwas salopp formuliert, könnte man die Existenzvernichtungshaftung im Hinblick auf ihre Folgewirkungen als ein juristisches Überziehen der übertragenden Sanierung bezeichnen) durch Entnahmen, wenn sie eine angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit zur Bedienung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft vermissen lassen (vgl. hierzu grundlegend  BGH 17.9.2001, BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan“). Der Eingriff der Gesellschafter hat die Insolvenz der alten herbeigeführt. Nach neuer Auffassung des BGH II ZR 3/04 ist die Existenzvernichtungshaftung eine reine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft.

Beim Missbrauch der Leitungsmacht geht es um besondere Sorgfaltspflichten der Gesellschafter (speziell im Konzern), wenn es zur Verlagerung der Geschäftsführungsentscheidungen auf die Gesellschafterebene kommt (grundlegend hierzu die „Eumig“-Entscheidung, OGH 14.7.1986, 1 Ob 571/86 = SZ 59/132 = JBl 1986, 713 = GesRZ 1987, 46 = RdW 1986, 336). Aus diesem Grund kann auch ein Gesellschafter wegen Verletzung der Konkursantragspflicht zur Haftung herangezogen werden.

Zu 13. Keine Verletzung des Prinzips der Trennung des Vermögens der Gesellschaft von jenem der Gesellschafter

Eine Haftung wegen Vermögensvermischung wurde vom OGH anerkannt, aber nicht näher konkretisiert (vgl. hierzu aber BGH 13.4.1994 II ZR 16/93: Die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen ist durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden, sodass die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung des Gesellschaftsvermögens ist, nicht funktionieren).

Beim Rechtsformmissbrauch ist strittig, ob es sich überhaupt um eine eigene Kategorie handelt (OGH 20.4.1978, 6 Ob 789/77 = RIS-Justiz RS0009098). Der Grundgedanke des Begriffes der Durchgriffshaftung liegt darin, dass sich niemand der Rechtsform einer juristischen Person zu dem Zweck bedienen darf, Dritte zu schädigen oder Gesetze zu umgehen. Wird eine Durchgriffshaftung schlagend, so kommt für den betroffenen Gesellschafter das Schutzschild der Gesellschaft mit beschränkter Haftung erst gar nicht zum Tragen.

Wann haftet ein GmbH-Gesellschafter nicht? 1. Teil

Der Titel der Beitrags der GMBH-Ecke mag provokant wirken: Der Begriff Gesellschaft mit beschränkter Haftung – einer Rechtsform, die in weiten Anwenderkreisen gemeinhin mit einer geradezu erotisierenden Wirkung behaftet ist – wird üblicherweise in der Form erklärt, dass die Gesellschafter mit ihren Einlagen beschränkt haften. Im Folgenden wird diese Definition kritisch hinterfragt und eine Art Persilschein entwickelt, damit sich ein GmbH-Gesellschafter – auch rein rechtstheoretisch – auf der sicheren Seite bewegt. Auf Grund der – wie sich zeigen wird – Komplexität der Materie erscheint der Beitrag in zwei Teilen.

Aus der Sicht eines GmbH-Gesellschafters sollten die nachfolgenden Kriterien kumulativ vorliegen, damit wirklich nichts passieren kann:

  1. Volleinzahlung aller Stammeinlagen sämtlicher Gesellschafter.
  2. Keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zur Leistung von Nachschüssen.
  3. Nicht gegen die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens stimmen. 
  4. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen entweder der Einstimmigkeit oder der Zustimmung der jeweiligen (Minderheits-)Gesellschafter. 
  5. Kein kridaträchtiges Verhalten in der Generalversammlung. 
  6. Keine Unterkapitalisierung der Gesellschaft. 
  7. Vermeidung einer unzulässigen Einlagenrückgewähr.
  8. Keine Bürgschaftsübernahmen für GmbH-Verbindlichkeiten.
  9. Vorhandensein eines Geschäftsführers.
  10. Kein Handeln in der Vorgründungsgesellschaft. 
  11. Keine faktische Geschäftsführung.
  12. Kein Missbrauch der Organisationsfreiheit.
  13. Keine Verletzung des Prinzips der Trennung des Vermögens der Gesellschaft von jenem der Gesellschafter.

Zu 1. Volleinzahlung aller Stammeinlagen sämtlicher Gesellschafter

Jeder Bilanzbuchhalter wird seine Mandanten darauf hinweisen, dass sie, insbesondere im Falle des gesetzlichen Mindeststammkapitals von € 35.000,00 oder einer vergleichbar geringen Stammkapitalziffer, ihre Stammeinlagen zur Gänze einbezahlen. Die Krux an den – dass sei hier ausdrücklich gesagt – gesetzlich zulässigen ausstehenden Einlagen liegt darin, dass ein Gesellschafter nicht nur für seine Stammeinlagen geradezustehen hat, sondern im Falle der Kaduzierung eines Geschäftsanteiles (so zu sagen als worst case) auch für die Stammeinlagen der Mitgesellschafter. 

An dieser Stelle sollte man sich vor Augen halten, was eigentlich Kaduzierung im Sinne der §§ 60 – 66 GmbHG bedeutet: Das Kaduzierungsverfahren stellt sicher, dass jene Haftungsfonds, den die Gesellschafter anlässlich der Gründung den (abstrakten) Gesellschaftsgläubigern versprochen haben, auch im Falle eines säumigen Gesellschafters geleistet wird. Die Kaduzierung kann durch den Gesellschaftsvertrag nicht wirksam ausgeschlossen werden; allerdings kann die Dauer des Fristenlaufes im Zusammenhang mit der Fälligstellung der ausstehenden Einlagen gesellschaftsvertraglich verlängert werden. 

Wie funktioniert nunmehr eine Kaduzierung?

Beispiel: 

Das Stammkapital der XY-GmbH beträgt € 36.000,00 und wurde von den Gesellschaftern mit folgenden Stammeinlagen übernommen:

Name, Geburtsdatum Übernommene Stammeinlage Hierauf geleistet Beteiligung in %
Anton Alber, * 9 000,– 4.500,– 25
Berta Berger, * 9 000,– 4.500,– 25
Cäsar Capelli, * 9 000,– 4.500,– 25
Dora Daum, * 9 000,– 4.500,– 25

36.000,– 18.000,– 100

Am 31. August 2012 überträgt Anton Alber seinen Geschäftsanteil zur Gänze an Emil Eder. Im notariell zu errichtenden Abtretungsvertrag findet sich unter anderen folgende Regelung.

„Der abtretende Gesellschafter bestätigt, vom Vertragsrichter über seine subsidiäre Haftung für eine nicht voll geleistete Stammeinlage (§ 67 GmbHG) informiert worden zu sein.“

Drei Jahre später wird die Gesellschaft insolvent. Der Insolvenzverwalter stellt bei den aktuellen Gesellschaftern die Stammeinlagen fällig. Weder die verbleibenden Gründungsgesellschafter Bernhard Berger, Cäsar Capellari und Dora Daum noch der später hinzugetretene Emil Eder sind zahlungsfähig bzw. zahlungsbereit. Der Oberste Gerichtshof hat zwar ausgeführt, dass die Ausfallshaftung der übrigen Gesellschafter auch ohne einem Kaduzierungsverfahren besteht (OGH 13.10.2011, 6 Ob 204/11 = GesRZ 2012, 182), diese Verfahrenserleichterung gilt jedoch dann nicht, wenn Vormänner des säumigen Gesellschafters vorhanden sind und es nicht ausgeschlossen ist, dass die fehlende Stammeinlage (teilweise) von diesem hereingebracht werden kann.

Die Lösung unseres Beispiels sieht also so aus, dass dem ehemaligen Gesellschafter Anton Alber sämtliche Geschäftsanteile der gegenwärtigen Gesellschafter zugeschlagen werden (ob er nun will oder nicht) und er – als mit dieser Kaduzierung verbundene Verpflichtung – sämtliche noch nicht einbezahlte Stammeinlagen (€ 18.000,–) zu leisten hat.  

Angesichts der dargestellten Haftungsdramaturgie leuchtet die Empfehlung der Beratungspraxis ein, dass sämtliche Gesellschafter sämtliche Stammeinlagen zur Gänze anlässlich der Gründung (bzw. zeitnah mit dieser) vollwertig leisten. Wenn man sich vor Augen führt, dass diese Stammeinlagen ja kein Kostenfaktor sind, so verwundert es, warum man sich vielerorts dieses Haftungsrisiko überhaupt antut.

Zu 2. Keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zur Leistung von Nachschüssen

Die in den §§ 72 -74 GmbHG geregelte Nachschusspflicht ist eine Besonderheit des österreichischen GmbH-Rechtes, die es beispielsweise in Deutschland nicht gibt. Nachschüsse sind über die Stammeinlagen der Gesellschafter hinaus Beiträge, die nur in Geld bestehen dürfen, die auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage zu leisten sind und für deren Rückzahlung keine formelle Kapitalherabsetzung erforderlich ist. Unter diesem Aspekt dienen Nachschüsse der Gesellschaft als zusätzliche Innenfinanzierung. Kokettiert man mit der Leistung von Nachschüssen, so sind diese im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zu verankern. Umgekehrt bedeutet das: Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen, so dürfen Nachschüsse nicht eingefordert werden. Dieser Grundsatz gibt den Gesellschaftern auch eine entsprechende Sicherheit, dass nach vollständiger Leistung ihrer Stammeinlagen nichts mehr kommt

Umgekehrt und da kommen wir zum 3. Punkt des „Persilscheins“, können natürlich auch Nachschüsse – auch gegen den Willen des/der Minderheitsgesellschafter – durch Änderung des Gesellschaftsvertrages vereinbart werden. Die Nachschusspflicht muss zwingend auf einen nach Verhältnis der Stammeinlagen bestimmten Betrag beschränkt werden. Die Angabe eines Höchstbetrages genügt nicht, das Ausmaß der potenziellen Gesamtverpflichtung muss im Voraus bestimmt sein. Die Einzahlung der Nachzahlung ist zwingend von sämtlichen Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Stammeinlage zu leisten; insoweit besteht ein Gleichbehandlungsgebot. Voraussetzung für die Nachschussverpflichtung ist ein Einforderungsbeschluss der Gesellschafter. 

Nachschussverpflichtungen sind deshalb unangenehm, weil den betroffenen Gesellschaftern üblicherweise zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht klar ist, ob diese Verpflichtung jemals – und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt – schlagend wird. Streng genommen müsste der betreffende Gesellschafter den Höchstbetrag der auf ihn im Verhältnis zu seiner Stammeinlage bestehenden Nachschussverpflichtung immer auf einem Sparbuch parken, um im Falle eines Einforderungsbeschlusses gegen seinen Willen, seinen gesellschaftsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Dass eine solche Vorkehrung nicht besonders attraktiv ist, liegt auf der Hand.

Zu 3. Nicht gegen die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens stimmen

Diese Haftungsbestimmung zu Lasten der Gesellschafter ist einigermaßen skurril, jedenfalls aber völlig unsystematisch: Die Geschäftsführer prüfungspflichtiger Kapitalgesellschaften sind angehalten (eine ausdrückliche Verpflichtung besteht nicht), im Falle der kumulativen Über- oder Unterschreitung von Kennzahlen (Eigenmittelquote und fiktive Schuldentilgungsdauer) ein Reorganisationsverfahren zu beantragen. 

Wenn jetzt ein „schlauer“ Geschäftsführer die Frage ob ein Unternehmensreorganisationsverfahren beantragt werden soll oder nicht, der Generalversammlung zur Beschlussfassung vorlegt und die Gesellschaftermehrheit gegen eine Antragstellung votiert, 

Die Eigenmittelquote ermittelt sich wie folgt:

Eigenkapital (§ 224 Abs. 3 A UGB) + unversteuerte Rücklagen (§ 224 Abs. 3 B UGB)

: Gesamtkapital (§ 224 Abs. 3 UGB)  – Anzahlungen (soweit gem. § 225 Abs. 6 UGB von den Vorräten absetzbar)

Die Formel für die Ermittlung der fiktiven Schuldentilgungsdauer lautet:

Rückstellungen (§ 224 Abs. 3 C UGB)

+ Verbindlichkeiten (§ 224 Abs. 3 D UGB)

– im Unternehmen verfügbare Aktiva gem. § 224 Abs. 2 B III Z 2 UGB
(sonstige Wertpapiere und Anteile des Umlaufvermögens) und § 224
Abs. 2 B IV UGB (Kassenbestand, Schecks, Guthaben bei Kreditinstituten)

– Anzahlungen (soweit nach § 225 Abs. 6 UGB von den Vorräten
absetzbar)

: Mittelüberschuss aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit

Der Berechnung des Mittelüberschusses aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit liegt nachfolgendes Berechnungsschema zu Grunde:

Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit

– auf die gewöhnliche Geschäftstätigkeit entfallende Steuern vom
Einkommen

+ Abschreibungen auf das Anlagevermögen

– Zuschreibungen zum Anlagevermögen

+ Verluste aus dem Abgang von Anlagevermögen

– Gewinne aus dem Abgang von Anlagevermögen

+ Erhöhung der langfristigen Rückstellungen

– Verminderung der langfristigen Rückstellungen  

= Mittelüberschuss aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit

Praktiker-Tipp: Wenn in der Generalversammlung über die Folgen einer von der Geschäftsführung vorgelegten Maßnahme keine Klarheit besteht, so möge man sich der Stimme enthalten. Auf diese Art und Weise lassen sich finanzielle Folgen (maximale Haftung nach dem URG pro Kopf: € 100.000,00) vermeiden. 

Die Gesellschafterhaftung nach § 25 URG lässt sich daher wie folgt zusammenfassen: 

Zu 4. Änderungen des Gesellschaftsvertrages

Nach der gesetzlichen Regelung genügt für Änderungen des Gesellschaftsvertrages eine ¾-Mehrheit. Ist demnach ein Gesellschafter mit weniger als 26 % beteiligt, so können Änderungen gegen seinen Willen – mit allen damit verbundenen Konsequenzen – beschlossen werden. Die unter Umständen dramatischen Auswirkungen werden anhand des nachfolgenden Beispiels (wie es in der Praxis tatsächlich schon vorgekommen ist) dargestellt:

Das Stammkapital der XY-GmbH ist mit € 100.000,00 vereinbart. A hat Stammeinlagen im Nominalbetrag von € 80.000,00 übernommen (Beteiligung 80 %). B hat Stammeinlagen von € 20.000,00 übernommen (Beteiligung 20 %). A beschließt mit einer Mehrheit von 80 % eine Erhöhung des Stammkapitals von € 100.000,00 um € 900.000,00 auf insgesamt € 1,000.000,00. B stimmt dagegen und ist auch nicht verpflichtet, den auf ihn entfallenden Erhöhungsbetrag von € 180.000,00 (20 % von € 900.000,00) zu übernehmen. In seinem solchen Fall erfolgt die Übernahmeerklärung für den gesamten Erhöhungsbetrag von € 900.000,00 durch A. Die Beteiligung verändert sich sohin auf € 980.000,00 (Gesellschafter A) zu € 20.000,00 (Gesellschafter B). In Prozenten beträgt die Beteiligung 99,8 % zu 0,2 %. Folge dieser geänderten Beteiligungsverhältnisse wäre, dass A nach den Bestimmungen des Gesellschafterausschlussgesetzes B aus der Gesellschaft ausschließen könnte. 

Eine Einstimmigkeit bei Vertragsänderungen empfiehlt sich insbesondere dann, wenn nicht sämtliche Gesellschafter die Erhöhungsbeträge im Rahmen einer Kapitalerhöhung bar einzahlen.