Die Chancen einer richtigen Gestaltung von GmbH-Verträgen

Wenn wir uns die Beliebtheit der Gesellschaft mit beschränkter Haftung von Augen halten, so verwundert es, wie wenig Augenmerk der richtigen Vertragsgestaltung beigemessen wird. Richtig ist, was im Hinblick auf die jeweilige Ausgangssituation ein interessensgerechter Vertrag ist, von dem realistischer Weise erwartet werden kann, dass er entweder bis zum nächstfolgenden Generationenwechsel oder einer grundlegenden Umstrukturierung des Unternehmens seine Zwecke erfüllt. Wenn dann der Gesellschaftsvertrag auch noch einen friedensstiftenden Beitrag im Falle von Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern leistet, so verspürt der Rechtsformanwender fast schon so etwas wie Glückgefühle; ihnen solche – zumindest gesellschaftsvertraglicher Natur – zu vermitteln, ist das Ziel der nachfolgenden Ausführungen.

1. Grundsätzliches zum Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag ist ein Organisationsvertrag und stellt die Verfassung der Gesellschaft dar; er regelt die Rechte und Pflichten der Gesellschafter gegenüber der GmbH sowie zwischen ihnen. Sämtliche (auch zukünftige) Gesellschafter sind an die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages gebunden. Die Gesellschaft wird durch einen in notarieller Form zu beurkundenden Gesellschaftsvertrag errichtet (§ 4 Abs 3 GmbHG).

Der Satzung einer GmbH kommt im österreichischen Gesellschaftsrecht zentrale Bedeutung zu: Quantitativ im Hinblick auf die Anzahl bestehender und jährlich neu hinzukommender Gesellschaften, in qualitativer Hinsicht dadurch, dass der Vertrag die Grundlage für die Ausgestaltung der Verhältnisse während der gesamten Lebensdauer der GmbH ist. Diese Bedeutung, die der Gesellschaftsvertrag hat (zumindest jedoch haben sollte), spiegelt sich jedoch bei sehr vielen Gründungen nicht wieder: Dem Vertragsinhalt wird häufig zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die vorrangigen Bedürfnisse der (potenziellen) Gesellschafter liegen in einer schnellen Gründung sowie einer Kostenoptimierung („Die Gesellschaftsgründung muss schnell erledigt sein und darf nicht viel kosten.). Dazu kommt, dass zwischen den Gründern ohnehin alles klar ist. Im Regelfall ist nicht davon auszugehen, dass eine Gesellschaftsgründung erfolgt, wenn zwischen den Vertragspartnern in wesentlichen Punkten Dissens herrscht. Die Schwierigkeit eines zweckmäßigen, individuell ausgestalteten Gesellschaftsvertrages liegt darin, dass weniger die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Gründung abzubilden sind, sondern jene die sich in weiterer Folge entweder zwangsläufig ergeben (insbesondere das Ableben physischer Gründungsgesellschafter) oder eintreten können.

Die entscheidenden Fragen, die im Zuge der Verfassung des Gesellschaftsvertrages von den Gründungsgesellschaftern beantwortet werden sollten, sind insbesondere:

Der Gesellschaftsvertrag sollte für den jeweiligen Anlassfall „maßgeschneidert“ sein. Bei der Gesellschaftsgründung ist es meist leichter, ausgewogene Regelungen zu finden, weil bei vielen Regelungsbereichen noch nicht feststeht, in welcher „Rolle“ (etwa als ausscheidender oder als verbleibender Gesellschafter) einen Vertragspartner eine Regelung des Gesellschaftsvertrages treffen wird. Die Konsensbereitschaft ist insoweit bei der GmbH-Gründung ausgeprägter als bei nachträglichen Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Dieser Grundsatz gilt insbesondere auch im Falle der Beteiligung von (nur) Familienmitgliedern. Das Konfliktpotenzial von Familiengesellschaften wird vielfach unterschätzt: Gesellschaftsrechtliche Probleme (die im Lebenszyklus einer GmbH nun einmal passieren können) werden häufig durch die familiäre Situation zusätzlich verschärft. 

Bei einer bereits eingetretenen Konfliktsituation ist eine Adaptierung des Gesellschaftsvertrages meist nur mehr schwer möglich, da eine bereits vorhandene gesellschaftsvertragliche Bestimmung oder eine eben nicht vorhandene Regelung häufig den einen Gesellschafter in einem bestehenden Konfliktfall begünstigt und den anderen benachteiligt, sodass ein Nachgeben des im konkreten Fall Begünstigten oft nicht zu erwarten ist. 

2. Zwingende Vertragsbestandteile

Der Gesellschaftsvertrag hat folgenden Mindestinhalt aufzuweisen (§ 4 Abs 1 GmbHG):

Soll das Unternehmen auf eine gewisse Zeit beschränkt sein oder sollen den Gesellschaftern außer der Leistung von Kapitaleinlagen noch andere Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft auferlegt werden, so bedürfen auch diese Bestimmungen der Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag.

Die nachfolgenden relativ zwingenden Bestimmungen sind im Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren, andernfalls entfalten sie keine absolute Wirkung gegenüber neu eintretenden Gesellschaftern:

3. Fakultative Regelungen

Das österreichische GmbH-Recht ist vorwiegend durch das Prinzip der Vertragsfreiheit geprägt. Neben den notwendig zu regelnden Essentialia des Gesellschaftsvertrages (§ 4 Abs 1 GmbHG) kommt den Gesellschaftern eine weitgehende Dispositionsbefugnis zur Regelung ihres Vertrages zu, soweit diese nicht Grundprinzipien des GmbH-Gesetzes verletzen. In diesem Zusammenhang ist grundlegend zwischen materiellen (auch „echten“ oder „korporativen“) und formellen (auch „unechten“ oder „nichtkorporativen“) Satzungsbestandteilen zu unterscheiden.

Unter materiellen Satzungsbestandteilen ist die Summe jener Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages zu verstehen, die einerseits den notwendigen (§ 4 Abs 1 GmbHG), aber auch den fakultativen Satzungsinhalt regeln und die anderseits die organisatorische Grundlage der Gesellschaft bilden; sie sind nicht nur von den Gründern, sondern von künftigen Gesellschaftern und Dritten zu beachten (vgl.OGH 3.11.2005, 6 Ob 231/05x). Die als Satzung im materiellen Sinn zu qualifizierenden kooperativen Regelungen sind nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang rein objektiv zu interpretieren (vgl. OGH 16.6.2011, 6 Ob 99/11v).

Materielle Satzungsbestandteile sind insbesondere: 

Bestimmungen in der Vertragsurkunde, die nicht zum materiellen Satzungsinhalt gehören, werden als formelle Satzungsbestimmungen bezeichnet; sie führen trotz Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag nicht zum Entstehen korporativer Rechte und Pflichten (z. B. Vereinbarungen mit Gesellschaftsdritten). Formelle Satzungsbestandteile sind im Ergebnis dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Vereinbarungen handelt, die nicht die Gesellschaft, sondern bloß die Gesellschafter untereinander binden.

Zu den formellen Satzungsbestandteilen gehören: 

Die Unterscheidung zwischen materiellen und formellen Satzungsbestandteilen ist von praktischer Bedeutung für

4. Grundsatz der Gestaltungsfreiheit 

Für GmbH-Gesellschaftsverträge gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Der Gesellschaftsvertrag kann etwa die Übertragung der Geschäftsanteile erschweren, er kann Bestimmungen über die Geschäftsführung, über das Stimmrecht usw enthalten.

Zulässig und häufig gebräuchlich sind folgende gesellschaftsvertragliche Regelungen:

Die Frage Wie weit reicht die Vertragsfreiheit? ist vor allem dann von Bedeutung, wenn es um Vertragsänderungen geht, nur der materielle Satzungsinhalt ist Inhalt der notariellen Form und der strengen Regeln der Satzungsänderungen (§§ 49 ff GmbHG). Die Organisation der Gesellschaft einschließlich der Grundlagen der Gesellschafterstellung kann nur durch echte Satzungsbestandteile geregelt werden. Die als Satzung im materiellen Sinn zu qualifizierenden korporativen Regelungen sind nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv zu interpretieren (vgl OGH 3.11.2005, 6 Ob 231/05x = GesRZ 2006, 35 = Ges 2006/3, 119). Korporative Regelungen sind solche, die nicht für derzeitige, sondern auch für künftige Gesellschafter und Dritte von Bedeutung sind. Umgekehrt sind Vereinbarungen mit Dritten niemals echte Satzungsbestandteile. Zwischen diesen beiden Positionen liegt der Bereich der indifferenten Bestimmungen, die echte Satzungsbestandteile sein können, aber nicht müssen. Insoweit besteht ein Gestaltungsspielraum der Gesellschafter, ihr Parteiwille entscheidet darüber, ob eine Vertragsregelung korporativer Satzungsbestandteil oder als bloß schuldrechtliche Regelung zu qualifizieren ist.

Unzulässige Regelungen. Es gibt aber auch Bestandteile des Gesellschaftsvertrages, die weder materieller noch formeller Natur sondern schlichtweg unzulässig sind oder mit Inhaltsmängel behaftet sind. 

Beispiele

Als unzulässig (und daher unwirksam), weil gegen zwingendes Recht verstoßend, werden unter anderen folgende Bestimmungen beurteilt: 

Die als Satzung im materiellen Sinn zu qualifizierenden korporativen Regelungen sind nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv zu interpretieren. Eine Auslegungshilfe bietet auch eine Präambel. Eine Präambel wird zur Auslegung des Gesellschaftsvertragessowohl von den Gesellschaftern als auch – im worst case – vom Gericht herangezogen. Werden Feststellungen zum Vertragszweck getroffen, liegt es nahe, dass der Inhalt der Präambel als Geschäftsgrundlage anzusehen ist. Vor allem bei komplexeren Sachverhalten ist eine Präambel sinnvoll, sie sollte sich jedoch auf eine möglichst knappe Zusammenfassung des wirtschaftlichen Hintergrundes des Gesellschaftsvertrages beschränken. Die Präambel soll einem außenstehenden Dritten ein leichteres Verständnis für die Zielsetzungen der Gesellschafter ermöglichen. Zur Auslegung des Gesellschaftsvertrages vgl weiterführend Fritz/Wildmoser/Koch, Mustersammlung zum GmbH-Recht I² – Gründung, Gesellschaftsverträge (2016) 19.

5. Obligatorische notarielle Form

Der Gesellschaftsvertrag (samt dessen Änderung vor Eintragung der GmbH in das Firmenbuch) sowie die Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft sind zwingend als Notariatsakt (§ 4 Abs 3 iVm § 3 Abs 2 GmbHG; § 52 NO) zu errichten.  Dem Formerfordernis nach § 4 Abs 3 wird auch durch Solennisierung einer Privaturkunde durch Mantelung gemäß § 54 NO entsprochen. Der Notariatsakt als öffentliche Urkunde mit einer erhöhten Beweiskraft dient vor allem der Beweissicherung und soll die Vorlage unrichtiger Urkunden unmöglich machen. Eine Verletzung der Notariatsaktpflicht führt zur absoluten Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages; die Eintragung der GmbH in das Firmenbuch heilt jedoch den Formmangel. Vorverträge zu formpflichtigen Rechtsgeschäften bedürfen der Form des Hauptvertrages. Der Abschluss eines Syndikatsvertrages unterliegt grundsätzlich keiner Formpflicht.