
Grundlagen zum formellen Insolvenzrecht unter besonderer Berücksichtigung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung 1. Teil
Der Umstand, dass GmbHs besonders anfällig für insolvenzrechtlich relevante Krisen sind, ist allgemein bekannt. Der folgende Beitrag will einige wichtige Informationen und Klarstellungen zum formellen Insolvenzrechts vermitteln, die auch für Bilanzbuchhalter von praktischer Bedeutung sind.
1. Einführung
1.1 Allgemeines
Wenn die Sanierungsbemühungen scheitern, so ist durch die Geschäftsführung Insolvenzantrag zu stellen. Hierzu ist jeder einzelne Geschäftsführer – unbeschadet von seiner im Firmenbuch eingetragenen Vertretungsbefugnis – verpflichtet. Die Stellung des Insolvenzantrages durch bloß einen Geschäftsführer hat auch bei den übrigen Geschäftsführern die ordnungsgemäße Pflichterfüllung zur Folge.
Durch das Insolvenzrechts-Änderungsgesetz 2010 wurde ein einheitlicher Verfahrensrahmen geschaffen, welcher der GmbH-Geschäftsführung die Möglichkeit bietet, entweder ein Sanierungs- oder ein Konkursverfahren zu beantragen. Die unterschiedlichen Verfahrensabläufe und ihre Folgen werden in der nachfolgenden Übersicht zusammengefasst dargestellt.
Sanierungs- verfahren | Konkurs- verfahren | ||
| ohne Eigenverwaltung | mit Eigenverwaltung |
|
Art des Vergleiches | gerichtlicher Vergleich mit Restschuld- befreiung | gerichtlicher Vergleich mit Restschuld- befreiung | Es gibt keinen Vergleich! |
Mindestquote | 20% | 30% | keine |
Unternehmens- fortführung | ja | ja | nein |
Verwertung des Unternehmens- vermögens | nein | nein | Liquidation |
Verwalter | Sanierungs- verwalter mit Verwaltungs- und Verfügungs- befugnis | Sanierungs- verwaltermit Überwachungs- funktion | Masse- verwalter mit Verwaltungs- und Verfügungs- befugnis |
Antragstellung | nur Schuldnerantrag | nur Schuldnerantrag | Gläubiger- oder Schuldnerantrag |
Restschuld- befreiung | ja, bei Erfüllung der Quote | ja, bei Erfüllung der Quote | nein |
GmbH-Geschäftsführer können also zwei Arten von Sanierungsverfahren beantragen:
a. Beim Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beträgt die Mindestgläubigerquote 30 %. Der Sanierungsplan ist von den Geschäftsführern vorzulegen, wobei in der Folge die unbesicherten Gläubiger über den Sanierungsplan abzustimmen haben. Lehnen sie diesen ab, führt dies anschließend zur „Konkursliquidation“ des Unternehmens.
b. Beim Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung beträgt die Mindestgläubigerquote 20 %. Der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter hat das Unternehmen fortzuführen. Scheitert der Sanierungsplan, so wird anschließend ebenfalls die „Konkursliquidation“ des Unternehmens eingeleitet.
Wird durch die GmbH-Geschäftsführer kein Sanierungsplan vorgelegt oder scheitert dieser, so ist das Sanierungsverfahren in ein Konkursverfahren abzuändern. Der durch das Gericht bestellte Insolvenzverwalter hat das Vermögen der Gesellschaft entsprechend zu verwerten. Die Gläubiger erhalten eine Konkursquote; die Firma wird gelöscht.
Mit der Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung verfolgt der Gesetzgeber bestimmte Ziele, die sich als durchwegs realisierbar erwiesen haben:
- Anreiz zur rechtzeitigen Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.
- Eigenverwaltung des Schuldners unter Aufsicht eines Sanierungsverwalters als Maßnahme zur Verhinderung der bislang weit verbreiteten Konkursverschleppung.
- Gewährung von Begünstigungen an jene Schuldner, die ein Sanierungsverfahren sorgfältig vorbereiten und betreiben.
- Eine Eigenverwaltung wird nur dann ermöglicht, wenn die gesetzlich vorgesehenen Urkunden dem Gericht vorgelegt werden und der Antrag die obligatorischen Informationen enthält.
- Gesicherte Finanzierung der Fortführung durch Vorlage einer plausiblen Finanzplanung.
- Ausgleich möglicher Nachteile für die Gläubiger durch Erhöhung der Mindestquote auf 30 %, die innerhalb von zwei Jahren zahlbar ist.
- Rasche Evaluierung der Situation durch kurzfristige Anberaumung einer Tagsatzung.
1.2 Voraussetzungen für die Einleitung eines Sanierungsverfahrens
Das Insolvenzverfahren wird als Sanierungsverfahren bezeichnet, wenn die GmbH-Geschäftsführung beim Insolvenzgericht, unter Beifügung eines schlüssigen Sanierungsplans, dessen Annahme beantragt. In diesem Antrag ist anzugeben, in welcher Weise die Gläubiger erfüllt oder sichergestellt werden sollen.
Die Gesellschaft ist erst zu verwerten, wenn der Sanierungsplanvorschlag nicht innerhalb von 90 Tagen nach Insolvenzeröffnung angenommen wird (§ 168 Abs. 2 IO); es gilt somit eine Verwertungssperre; vgl. hierzu Schützinger/Schützinger/Balik, Praxis des Turn Around Managements idF IRÄG 2010 (2010) 81. Das Insolvenzgericht kann nach Einvernahme des Insolvenzverwalters und eines allfälligen Gläubigerausschusses anordnen, dass mit der Verwertung der Insolvenzmasse bis zur Beschlussfassung durch die Gläubigerversammlung abgewartet wird.
2. Der Sanierungsplan
2.1 Begriff, Wesen und Merkmale
Der Sanierungsplan ist eine gerichtlich bestätigte Vereinbarung der GmbH als Schuldnerin mit der Mehrheit der am Verfahren teilnehmenden Insolvenzgläubiger darüber, wie deren Ansprüche – und zwar auch der am Verfahren nicht teilnehmenden Gläubiger – gleichmäßig erfüllt werden sollen.
Wesentliche Merkmale eines Sanierungsplanes sind
- der Sanierungsplanvorschlag;
- die Annahme des (allenfalls geänderten) Vorschlags durch die Mehrheit der stimmberechtigten Insolvenzgläubiger; und
- eine gerichtliche Bestätigung des angenommenen Sanierungsplanes.
Die GmbH als Schuldnerin hat ihren Insolvenzgläubigern deren Forderungsausfall auch im Falle der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit nicht zu ersetzen. Die Gesellschaft hat allerdings
- jene Aussonderungsberechtigten zu erfüllen,
- den durch ein Absonderungsrecht gedeckten sowie den bevorrechteten Gläubigern Vollzahlung anzubieten; und
- die Insolvenzgläubiger gleich zu behandeln.
In inhaltlicher Hinsicht ist die Erstellung eines Sanierungsplans an sich keine Hexerei, sofern die von der schuldnerischen GmbH abgegebenen „Leistungsversprechen“ zutreffend sindund tatsächlich erwirtschaftet werden können.
Beispiel
Zwischen der XYZ-GmbH. und ihren Gläubigern wird folgender Sanierungsplan abgeschlossen:
1. Die Ansprüche der Aussonderungsberechtigten und der Absonderungsgläubiger werden durch den Sanierungsplan nicht berührt.
2. Die Masseforderungen werden zur Gänze erfüllt.
3. Die Insolvenzgläubiger erhalten eine 20%ige Quote, zahlbar innerhalb von zwei Jahren nach Annahme des Sanierungsplanantrages.
4. Die 20 %ige Quote, die auf bestrittene Forderungen entfallen, wird durch gerichtlichen Erlag sichergestellt, wenn die Frist zur Anbringung der Rechtfertigungsklage noch offen ist oder wenn die Rechtfertigungsklage bis zur Sanierungsplantagsatzung anhängig gemacht worden ist.
5. Bei Wechselforderungen erfolgt die Auszahlung der 20 %igen Quote gegen Rückstellung der Originalwechsel.
Den Sanierungsplanantrag kann nur die GmbH als Schuldnerin stellen; im Antrag ist anzugeben, auf welche Weise die Gläubiger erfüllt oder sichergestellt werden sollen. Die Gesellschaft ist verpflichtet, den Insolvenzgläubigern zumindest eine innerhalb von zwei Jahren zahlbare Quote von mindestens
- 20% bei einem Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung durch ihre Geschäftsführer;
- 30 % bei Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung durch ihre Geschäftsführer
vom Tag der Annahme des Vorschlages zu bieten.
Neben den jeweiligen Quotenzahlungen sind auch die jeweiligen Masseforderungen sowie alle Aussonderungs- und Absonderungsrechte zur Gänze zu erfüllen.
Der Sanierungsplanantrag ist allerdings unter bestimmten Voraussetzungen unzulässig, etwa
- solange die GmbH-Geschäftsführung das Vermögensverzeichnis der GmbH als Schuldnerin nicht vorgelegt und / oder nicht vor dem Insolvenzgericht unterfertigt hat;
- wenn der Inhalt des Sanierungsplanantrags gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt;
- wenn der Antrag offenkundig Verschleppungszwecken dient;
- wenn die Erfüllung des Sanierungsplans voraussichtlich nicht möglich sein wird, wobei Forderungen aus Eigenkapital ersetzenden Leistungen nicht zu berücksichtigen sind.
2.2 Prüfung der Angemessenheit und Erfüllbarkeit des Sanierungsplans
Das Gericht stellt dem Insolvenzverwalter den Sanierungsplanvorschlag zu; dieser prüft in der Folge, ob der Sanierungsplanvorschlag angemessen und erfüllbar ist oder den gesetzlichen Bestimmungen widerspricht. Um die Angemessenheit des Sanierungsplanvorschlages beurteilen zu können, hat der Insolvenzverwalter zunächst zu ermitteln, welche Quote für den Fall der Zerschlagung und Verwertung der Gesellschaft erwartet werden kann. Ist die zu erwartende Quote höher als jene, die im Sanierungsplanvorschlag angeboten wird, ist der Sanierungsplanvorschlag unangemessen. Der Insolvenzverwalter prüft, ob die fristgerechte Bezahlung der angebotenen Quote zu erwarten ist. Die Finanzierung dieser Quote kann aus den (künftigen) Betriebsergebnissen oder durch Zuwendungen von dritter Seite erfolgen.
2.3 Abstimmung über die Annahme des Sanierungsplans
Zur Annahme des Sanierungsplanantrages ist erforderlich, dass
- die Mehrheit der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger dem Antrag zustimmt (Kopfmehrheit); und
- die Gesamtsumme der Forderungen der zustimmenden Insolvenzgläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen der bei der Tagsatzung anwesenden stimmberechtigten Insolvenzgläubiger (Kapitalmehrheit) beträgt.
Grundsätzlich hat jeder Quotengläubiger nur eine Kopfstimme und zwar auch dann, wenn ihm mehrere Forderungen zustehen. Für die Berechnung der Summenmehrheit werden die Forderungen mit dem vom Gläubiger in der Forderungsanmeldung angegebenen Betrag berücksichtigt. Wird nur eine der beiden Mehrheiten erreicht, können die Geschäftsführer namens der GmbH als Schuldnerin beantragen, die Sanierungsplantagsatzung zu vertagen.
Ist der Sanierungsplanvorschlag der Gesellschaft in der Tagsatzung von den Insolvenzgläubigern mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen, so bedarf es zu seinem Zustandekommen noch der Bestätigung durch einen Beschluss des Insolvenzgerichtes. Die Prüfung vor der Beschlussfassung erstreckt sich auf die Gesetzmäßigkeit und auf die Zweckmäßigkeit des Sanierungsplanes; einem gesetzwidrigen oder nicht zweckmäßigen Sanierungsplan ist die Bestätigung zu versagen. Die Annahme des Sanierungsplanes wird öffentlich bekannt gemacht.
Unwirksamkeit des Sanierungsplans. Wenn der Sanierungsplan durch betrügerische Handlungen oder durch Einräumung unzulässiger Vorteile an einzelne Gläubiger zustande kam, kann jeder Insolvenzgläubiger binnen dreier Jahre nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes mit Klage die Bezahlung des Ausfalles oder die Unwirksamkeitserklärung der sonst gewährten Begünstigungen begehren (§ 161 IO).
Die Bezeichnung Sanierungsverfahren ist auf Konkursverfahren abzuändern, wenn:
- der Insolvenzverwalter angezeigt hat, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderung zu erfüllen;
- die GmbH-Geschäftsführung den Sanierungsplanantrag zurückzieht, oder das Gericht den Antrag zurückweist;
- der Sanierungsplan in der Sanierungsplantagsatzung abgelehnt und die Tagsatzung nicht erstreckt wurde;
- dem Sanierungsplan vom Gericht die Bestätigung versagt wurde.
Der Insolvenzverwalter wird im Konkursverfahren als Masseverwalter bezeichnet.
Gemäß § 140 IO kann der Schuldner bis zur Aufhebung des Konkursverfahrens den Abschluss eines Sanierungsplanes beantragen. Aus der allgemeinen Masse sind vorrangig die Masseforderungen zu bezahlen. Vor Verteilung der Insolvenzmasse ist die insolvenzgerichtliche Zustimmung einzuholen. Die Zuteilung an die Insolvenzgläubiger erfolgt quotenmäßig. Die jeweils auszuschüttende Insolvenzquote errechnet sich nach dem Verhältnis des zu verteilenden Erlöses zur Gesamtsumme der Forderungen.