
„Gemeinsam oder einsam …“ – die abgestimmte Ausübung des Stimmrechts. Oder: Der Syndikatsvertrag – das unbekannte Vertragswesen
Syndikatsverträge sind etwas, vom dem Frau oder Mann schon einmal gehört hat, damit jedoch nicht auch zwangsläufig beruflich befasst war. Was ist der Zweck von Syndikatsverträgen? Worin besteht der Unterschied zu einem Stimmbindungsvertrag? Sind solche Verträge überhaupt notwendig oder geht es auch ohne? Auf diese und andere Fragen will der folgende Beitrag im Hinblick auf das Zusammenspiel mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung praxistaugliche Antworten geben.
1. Allgemeine Grundlagen, Begriff und Wesen
Ein Syndikatsvertrag – für den keine gesetzliche Definition besteht – ist eine schuldrechtliche Nebenabrede, deren Zweck es ist, die Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern sowie zwischen diesen untereinander ergänzend auszugestalten.
Der Syndikatsvertrag regelt also in gewisser Weise das „Leben“ nach Erwerb der Gesellschafterstellung. Üblicherweise werden mit ihm Vereinbarungen
- zur Verschiebung gesellschaftlicher Machtverhältnisse im Sinne einer Verstärkung des beherrschenden Einflusses einschließlich der Bindung des Stimmrechts, oder
- zur Verbesserung der Rechtsstellung von Minderheitsgesellschaftern (um sowohl ihre wirtschaftlichen Interessen an der Entwicklung der Gesellschaft als auch ihre Eigeninteressen besser durchzusetzen), und / oder
- betreffend die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises, und / oder
- zur Verschiebung der Anteilsquote (einseitige Bezugsrechte), und / oder
- zur Sicherstellung der Managementtätigkeit bestimmter Gesellschaftern, und / oder
- über die Leistung der Stammeinlagen hinausgehende Finanzierungszusagen, und / oder
- über die Nominierung von Aufsichtsrats- und Beiratsmitgliedern
getroffen.
Stimmbindung im vorangeführten Zusammenhang bedeutet, dass die Gesellschafter die Willensbildung nicht allein nach Maßgabe der Sachargumente trifft, sondern dass die Entscheidungsfindung gleichsam vorweg genommen wird.
Unbeschadet des engen Zusammenhanges ist ein Syndikatsvertrag nicht Bestandteil des Rechtsverhältnisses (insbesondere nicht des im Firmenbuch veröffentlichten Gesellschaftsvertrages) mit der bzw zur Gesellschaft. Er bindet nur die an der Stimmbindungsabrede Beteiligten und nicht die GmbH als solche (OGH 21.5.2014, 3 Ob 73/14b);ihr gegenüber entfaltet der Syndikatsvertrag nur ausnahmsweise Wirkung. Eine solche absolute Wirkung von Stimmbindungsverträgen besteht etwa dann, wenn diese durch eine personalistische Struktur der Gesellschaft hervorgerufen ist und sämtliche Gesellschafter auch Mitglieder der Stimmbindungsvereinbarung sind (OGH 26.8.1999, 2 Ob 46/97x). Dieser Grundsatz gilt auch für andere, bloß schuldrechtlicheVereinbarungen zwischen den Gesellschaftern, die nicht unmittelbar als Stimmbindungsvertrag einzustufen sind. Stimmbindungsverträge können für einen einmaligen Anlassfall (OGH 28.4.2003, 7 Ob 59/03g), zeitlich befristet oder unbefristet abgeschlossen werden. Gegen die Zulässigkeit einer schuldrechtlichen Vereinbarung zwischen einem Gesellschafter und der GmbH, womit sich der Betreffende zur Erbringung einer bestimmten Leistung verpflichtet, bestehen allerdings keine Bedenken. Aufgrund des Vertragszwecks und der Koppelung mit dem GmbH-Geschäftsanteil wird jedoch davon ausgegangen, dass ohne ausdrückliche gegenteilige Vereinbarung der Stimmbindungsvertrag auf Dauer der Zugehörigkeit zur GmbH abgeschlossen ist. In diesem Fall kann der Stimmbindungsvertrag vorzeitig nur aus wichtigem Grund aufgelöst werden. Der Gesellschaftsvertrag kann den Abschluss von Stimmbindungsverträgen untersagen.
Ein Syndikatsvertrag ist als Dauerrechtsverhältnis aufgrund
- seiner Ausrichtung auf die Erreichung eines gemeinsamen – zumindest mittelbaren wirtschaftlichen – Zweckes,
- des Abschluss eines Gesellschaftsvertrages und
- der Vergemeinschaftung von Beiträgen der Vertragspartner.
als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 1175 ff ABGB) zu qualifizieren (OGH 22.07.2009, 3 Ob 72/09y). Von dieser grundsätzlichen Einstufung bestehen zwei Ausnahmen:
- Wenn einzelne Gesellschafter der Weisung von anderen unterworfen sind, ist ein Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 1002 ff ABGB anzunehmen.
- Eine einmalige Stimmbindung kann mangels gesellschaftsrechtlicher Organisation (noch) keine GesbR begründen, sondern lediglich eine vertragliche Nebenpflicht zu einem anderen Vertrag darstellen.
Die beiden Begriffe Syndikatsvertrag und Stimmbindungsvertrag haben die gleiche rechtliche Bedeutung: Es liegt – von den vorangeführten Ausnahmen abgesehen – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor.
Im Zuge eines Stimmbindungsvertrages verpflichten sich einzelne oder sämtliche Gesellschafter, im Rahmen ihrer Herrschaftsrechte ihre Stimme zu bestimmten Tagesordnungspunkten in einer Generalversammlung in einem vorab koordinierten Sinn abzugeben; Vertragsgegenstand ist die Ausübung des Stimmrechts in der GmbH. Ein Stimmbindungsvertrag ist eine Ergänzung der Satzung, ohne jedoch unmittelbar in die gesellschaftliche Organisationsstruktur einzugreifen (OGH 24.1.2001, 9 Ob 13/01d). Syndikatsverträge können auch zwischen (einzelnen) Gesellschaftern und gesellschaftsfremden Dritten geschlossen werden (OGH 28.4.2003, 7 Ob 59/03g).
Beispiel:
An der X-GmbH sind die Gesellschafter A, B, C, D und E mit je 20% des Stammkapitals beteiligt. Die Gesellschafter A, B und C vereinbaren ein Syndikat, das sodann über insgesamt 60% aller Stimmen verfügt und daher ein „Mehrheitssyndikat“ darstellt.
Beispiel:
In der X-GmbH (siehe vorangehendes Beispiel) vereinbaren die Gesellschafter D und E (Beteiligung je 20%) ein Syndikat und bilden somit ein „Minderheitssyndikat“. Gemeinsam verfügen sie immerhin in Bezug auf die qualifizierte 75%-Mehrheit über eine Sperrminorität.
Die Stimmvereinheitlichung im Syndikat kann auf verschiedene Weise erzielt werden, etwa durch
- eine Vorabstimmung in der Syndikatsversammlung;
- Weisungsrechte einzelner Gesellschafter anderen syndizierten Gesellschaftern gegenüber;
- inhaltlich konkretisierte Vorgaben im Syndikatsvertrag (zB Nominierung bestimmter Personen durch die Gesellschafter für den Aufsichtsrat);
- die Vereinbarung eines festgelegten Verhaltens in Gesellschaftsorganen;
- die Stimmabgabe in einem bestimmten Sinn oder durch Stimmenthaltung;
- eine bestimmte Antragstellung oder deren Unterlassung;
- eine allfällige Nichtteilnahme an Generalversammlungen.
Beispiel
Die Beteiligungsquoten (und damit auch die Stimmrechte) einer GmbH zeigen, dass für Generalversammlungsbeschlüsse, für welche die einfache Mehrheit erforderlich ist, der „E“ lediglich die Mitwirkung von einem der anderen Gesellschafter benötigt.
A | B | C | D | E |
15% | 15% | 15% | 15% | 40% |
| Glück & Fuchs GmbH |
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Wenn jedoch die Gesellschafter A, B, C und D ihre Stimmrechte durch eine Syndikatsvereinbarung bündeln und in der Generalversammlung auch dementsprechend abstimmen, so ist der (gesellschaftsvertraglich) meistbeteiligte Gesellschafter E mit einem Schlag in der Minderheit.
A | B | C | D | E |
60% | 40% | |||
| Glück & Fuchs GmbH |
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Ein Mittel zur Erreichung der vorerwähnten Ziele ist die Koordinierung des Stimmverhaltens nach einem bestimmten, vertraglich vereinbarten Modus:
- Zunächst erfolgt zwischen den Syndikatsmitgliedern eine Willensbildung zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt der Generalversammlung.
- Auf Grundlage dieses Entscheidungsfindungsprozesses sind sämtliche Syndikatsmitglieder – und zwar auch die überstimmten – verpflichtet, sich entsprechend der im Stimmbindungsvertrag vereinbarten Willensbildung zu verhalten und in diesem Sinne in der Generalversammlung abzustimmen.
Für die Willensbildung im Syndikat spielen die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Beschlussmehrheiten keine Rolle, sodass über Angelegenheiten, für die bei Generalversammlungsbeschlüssen eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist, im Syndikat mit einfacher Mehrheit abgestimmt werden kann.
Als Stimmbindungsvertrag bezeichnete Vereinbarungen gehen vielfach über die eigentliche Stimmbindung im Rahmen gesellschaftlicher Entscheidungsfindungsprozesse hinaus. Syndikatsverträge können als schuldrechtliche Nebenabreden zwischen Gesellschaftern vieles mehr regeln, wie etwa Personalabsprachen, Liefer- und Leistungsbeziehungen, grundsätzliche Fragen zur Geschäfts- und Unternehmenspolitik, Finanzierungen, Kapitalerhöhungen, freiwillige Gesellschafterleistungen (Zuschüsse, Darlehen), Sonder- und Informationsrechte sowie, Rechtsnachfolgen auf übernommene Geschäftsanteile (Put- oder Call-Optionen, Vorkaufs-, Wiederkaufs- und Aufgriffsrechte).
2. Unterschied zwischen Gesellschafts- und Syndikatsvertrag
2.1. Formvorschriften
Der Gesellschaftsvertrag ist zwingend in der Form eines Notariatsaktes abzuschließen (§ 4 Abs 3), satzungsändernde Beschlüsse bedürfen der notariellen Beurkundung (§ 49 Abs 1). Im Gegensatz dazu bedarf der Abschluss eines Stimmbindungsvertrages auch dann keiner besonderen Formpflicht, wenn notariell zu protokollierende Gesellschafterbeschlüsse integrierter Vertragsbestandteil sind. Enthält der Stimmbindungsvertrag hingegen Vorkaufs- oder Aufgriffsrechte sowie Verpflichtungen zum künftigen Erwerb oder zur Abtretung von Geschäftsanteilen, so ist die Notariatsaktform erforderlich.
2.2. Beschlussfassung
Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen eines Beschlusses mit ¾ Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 50 Abs 1), sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine höhere Mehrheit vorsieht; solche Beschlüsse verpflichten auch jene Gesellschafter, die einer Vertragsänderung nicht zugestimmt haben. Hingegen bedürfen Änderungen des Syndikatsvertrages der Zustimmung sämtlicher Vertragspartner, sofern nicht etwas Gegenteiliges vereinbart ist.
2.3. Publizitätserfordernisse
Der Gesellschaftsvertrag und Änderungen desselben sind im Firmenbuch einzutragen (§§ 11, 51); die Änderungen werden erst mit Eintragung im Firmenbuch wirksam. Der den strengen Publizitätsvorschriften unterliegende Gesellschaftsvertrag ist beim Firmenbuch einzureichen und in der jeweils geltenden Fassung als Bestandteil der Urkundensammlung für jedermann einsehbar (§§ 12, 33 Abs 2 FBG). Dem gegenüber wird ein Syndikatsvertrag weder im Firmenbuch eingetragen noch in die Urkundensammlung aufgenommen; dadurch bleibt er Dritten („der Öffentlichkeit“) in aller Regel verborgen. Änderungen des Syndikatsvertrages werden nach gültiger Beschlussfassung seiner Mitglieder (Gesellschafter) sofort wirksam.
2.4. Wem obliegen welche Pflichten?
Der Gesellschaftsvertrag berechtigt und verpflichtet auch zukünftige Gesellschafter unabhängig davon ob die Gesellschafterstellung im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge erlangt wird; er hat sohin dingliche Wirkung. Im Gegensatz dazu verpflichtet der Syndikatsvertrag grundsätzlich nur die Vertragspartner und deren Gesamtrechtsnachfolger; ihm kommt demnach schuldrechtliche Wirkung zu. Neue Gesellschafter können dem Syndikat(svertrag) nur auf Grundlage einer Zustimmung sämtlicher Vertragspartner durch rechtsgeschäftliche Erklärung beitreten.
3. Verhältnis Syndikatsvertrag – Gesellschaftsvertrag
Durch den Syndikatsvertrag kann vom dispositiven Recht abgewichen werden. Der Syndikatsvertrag kann den Gesellschaftsvertrag im weiteren Maße ergänzen und ausgestalten, ohne dass eine Firmenbuchkontrolle und Publizität betroffen ist, an die die Gesellschafter im Syndikatsvertrag nicht gebunden sind. Soweit dritte Interessen berührt werden, kann jedoch ein Zwang zur Regelung im Gesellschaftsvertrag bestehen; die Satzung ist bei Auslegung des Syndikatsvertrages jedenfalls zu berücksichtigen. Im Hinblick auf Vereinbarungen im Syndikatsvertrag, die auf Dauer oder hinsichtlich eines konkreten Einzelfalls im Widerspruch zum Gesellschaftsvertrag stehen bzw eine abweichende Regelung begründen, ist zu unterscheiden, ob die
- vertragliche Regelung mit einer dauerhaften inhaltliche Modifikation der Satzung gleichzusetzen ist; oder
- ob der Gesellschaftsvertrag „nur“ in einem konkreten Einzelfall durchbrochen wurde.
Dauerhafte inhaltliche Änderungen des Gesellschaftsvertrages haben den gesetzlichen Formerfordernissen des § 49 Abs 1 GmbHG zu entsprechen, ansonsten sind diese unwirksam. Satzungsüberlagernde Regelungen im Syndikatsvertrag entfalten keine kooperative Verbindlichkeit, da damit eine dauerhafte Modifikation der Satzung verbunden wäre. Wollen demnach die Gesellschafter Organisationsrecht schaffen, so obliegt ihnen eine Änderung des Gesellschaftsvertrages.
Die treuwidrige Verletzung der Beschlussfassungserfordernisse und Regeln des Syndikatsvertrages oder einer darin vereinbarten Stimmenbindung durch einen Vertragspartner führt dennoch dazu, dass die Ausübung des Stimmrechts wirksam ist (OGH 17.9.2014, 6 Ob 35/14m). Nichts desto weniger kann jedoch der Generalversammlungsbeschluss – sollte er auf Grund der unwirksam syndizierten Stimmen zustande gekommen sein – wegen Treuepflichtverletzung oder anderen Gründen anfechtbar, nichtig oder schwebend unwirksam sein. Schadenersatzansprüche oder eine Konventionalstrafe können aus der Nichteinhaltung einer unwirksamen Stimmbindungsvereinbarung jedoch nicht abgeleitet werden. Das entgegen des Syndikatsvertrages erfolgte Stimmenvotum führt deshalb nicht zu einer Fehlerhaftigkeit eines Beschlusses in der Generalversammlung und begründet nicht dessen Anfechtbarkeit. Von diesem Grundsatz, wonach Stimmen, die entgegen einem Syndikatsvertrag abgegeben werden, wirksam, für das Ergebnis der Abstimmung in der Generalversammlung ohne praktische Bedeutung sind und daher keinen tauglichen Grund für die Anfechtung von Beschlüssen darstellen, bestehen folgende wesentliche Ausnahmen:
Anfechtbar ist ein unter Verletzung von Syndikatsvereinbarungen zustande gekommener Generalversammlungsbeschluss dann, wenn
- die Syndikatsvereinbarung von allen Gesellschaftern abgeschlossen wurde und einen inhaltlichen Bezug zum GmbH-Gesellschaftsvertrag aufweist (OGH 14.9.2011, 6 Ob 80/11z);
- sich der Syndikatsvertrag darauf beschränkt, die zwischen den Gesellschaftern einer personalistisch strukturierten GmbH bestehenden Treuepflichten zu konkretisieren.
Damit ist klargestellt, dass ein Syndikatsvertrag dann satzungsgleiche Wirkung entfaltet, wenn die Stimmbindungsvereinbarung lediglich die Konkretisierung bestehender Treuepflichten in einem allseitigen (omnilateralen) Syndikatsvertrag zum Gegenstand hat. Die Verletzung von Treuepflichten führt zur Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen, da diese unabhängig von einem Syndikatsvertrag bestehen. Die Intensität der einzuhaltenden Treuepflicht steigert sich nach dem Grad der personalistischen Ausgestaltung, der Treuepflichtverstoß (sei es gegenüber den Mitgesellschaftern, sei es gegenüber der Gesellschaft) ist im GmbH-Recht unstrittig anerkannt. Nicht allseitige Syndikatsverträge vermögen Treuepflichten folglich nicht zu konkretisieren.
Satzungsbestimmungen sind einheitlich und aus sich heraus objektiv ohne Rückgriff auf den Syndikatsvertrag auszulegen (OGH 18.7.2011, 6 Ob 121/11d). Dieser Grundsatz gilt aber nur für korporative Satzungsbestimmung nicht für individualrechtliche. Für individualrechtliche Satzungsbestimmungen sind der Parteiwille und die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (OGH 16.6.2011, 6 Ob 99/11v). Außerhalb der Satzung liegende Sachzusammenhänge sind dann zu berücksichtigen werden, wenn deren Kenntnis bei den GmbH-Gesellschaftern allgemein vorausgesetzt werden kann. Widersprüche zu individualrechtlichen Satzungsbestimmungen sind ausnahmslos anhand subjektiver Auslegungskriterien aufzulösen („Was war der Parteiwille?“), da keine schützenswerten Drittinteressen betroffen sind. Bei Widersprüchen zu kooperativen Satzungsbestimmungen gilt der Vorrang des Gesellschaftsvertrages. Eine Verletzung vertraglicher Regelungen gegen zwingendes Recht führt zur Unwirksamkeit. Fehlen Bestimmungen über die Beschlussfassung im Syndikatsvertrag, so kommt die Regelung des § 833 ABGB zur Anwendung. Bei Änderungen des Syndikatsvertrages können auch Mehrheitsbeschlüsse vereinbart werden, es darf dabei jedoch nicht – wie ganz allgemein im Personengesellschaftsrecht – in die Kernbereiche der Mitgliedschaft eingegriffen werden (OGH 13.7.2006, 2 Ob 218/05w).
Durch die Einfügung des letzten Satzes in § 1209 Abs 2 ABGB im Zuge des Abschlussprüfungsrechts-Änderungsgesetz 2016 (BGBl. I Nr. 43/2016) ist sichergestellt, dass bei auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Syndikatsverträgen das ordentliche Kündigungsrecht wirksam ausgeschlossen werden kann; die frühere Rechtsprechung, wonach ein auf unbestimmte Dauer abgeschlossener Stimmbindungsvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Beteiligten gekündigt werden kann, ist nunmehr genauso obsolet, wie das Erfordernis eines wichtigen Grundes bei zeitlich befristeten Syndikatsverträgen.
4. Rechtsfolgen von Syndikatsverträgen
Durch den wirksamen Stimmbindungsvertrag wird der GmbH-Gesellschafter zur vertragsgemäßen Stimmrechtsausübung bzw -enthaltung verpflichtet. Im Falle der Verletzung des Syndikatsvertrages kann sowohl Schadenersatz- als auch Leistungsklage zwecks Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen erhoben werden; das Problem der Bezifferung der Schadenshöhe kann mit (verschuldensunabhängigen) Konventionalstrafen gelöst werden. Syndikatsverträge sind mittels Klage und Vollstreckung durchsetzbar. Nachdem die Durchsetzung von Syndikatsverträgen regelmäßig zu spät kommen würde, wird von der Rspr die Zulässigkeit von Handlungsverboten bejaht.
Syndikatsvereinbarungen sind gemäß § 879 ABGB unwirksam, wenn sie
- dauerhaft Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages verletzen, ohne auf dessen Abänderung gerichtet zu sein;
- zur Umgehung des gesetzlichen Stimmrechtsausschlusses führen würden;
- gegen gesetzliche Vorschriften (zB im Kartellrecht) oder gegen die guten Sitten verstoßen, insbesondere damit eine faktische Knebelung des Verpflichteten verbunden ist;
- gegen die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander und / oder gegenüber der jeweiligen Gesellschaft verstoßen.
Ein Syndikatsvertrag ist, falls er nicht ausnahmsweise „nur“ für eine Abstimmung in der Generalversammlung abgeschlossen wird, als Dauerschuldverhältnis zu qualifizieren. Sofern keine gegenteilige Regelung vereinbart ist, kann ein auf unbestimmte Dauer abgeschlossener Stimmbindungsvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Beteiligten gekündigt werden. Wird der Stimmbindungsvertrag hingegen für eine bestimmte Zeit abgeschlossen, so ist er nur aus wichtigem Grund kündbar (OGH 14.9.2001, 6 Ob 80/11z); der völlige Verzicht auf die Kündigung kann nicht wirksam vereinbart werden (OGH 17.2.2006, 10 Ob 132/05t). Der Abschluss eines Stimmbindungsvertrages bedarf auch dann keiner Form, wenn notariell zu protokollierende Gesellschafterbeschlüsse integrierter Vertragsbestandteil sind. Enthält der Stimmbindungsvertrag hingegen Vorkaufs- oder Aufgriffsrechte sowie Verpflichtungen zum künftigen Erwerb oder zur Abtretung von Geschäftsanteilen, so ist die Notariatsaktform erforderlich.
5. Wann ist der Abschluss eines Syndikatsvertrages zweckmäßig?
Der Abschluss eines Stimmbindungsvertrages kann empfehlenswert sein
- bei Absprachen über die Bestellung und Abberufung von Gesellschaftsorganen;
- im Falle einer Vereinbarung über den turnusmäßigen Wechsel des Vorsitzes im Aufsichtsrat;
- für die Regelung wirtschaftlicher Beziehungen der Gesellschafter zur GmbH (Liefer- und Abnahmeverträge, Quotenregelungen);
- bei Vereinbarungen über die Geschäftspolitik, insbesondere die Finanzierung der Gesellschaft, Gewinnausschüttungen, Rücklagenbildung, Inanspruchnahme steuerlicher Begünstigungen, u. ä.;
- für die Regelung von Nebenleistungspflichten von Gesellschaftern, etwa Haftungsübernahmen, eine Kreditgewährung an die GmbH sowie Gesellschafterzuschüsse;
- im Falle von Regelungen zur Überwindung einer Pattstellung bei Gesellschaftern mit einer gleich hohen Beteiligungsquote;
- für die Festlegung zustimmungsbedürftiger Geschäfte und Maßnahmen, welche die Rechte der Gesellschafterminderheit stärker berücksichtigen, als dies nach der Satzung der Fall wäre;
- bei verpflichtender Beteiligung der Gesellschafter an einem Schiedsverfahren (OGH 22.10.2010, 7 Ob 103/10 p).
Keinesfalls außer Acht gelassen werden sollte der Umstand, dass alle der oben angeführten Zielsetzungen auch durch eine entsprechend kreative Gestaltung des GmbH-Gesellschaftsvertrages (insbesondere im Hinblick auf allenfalls variable Mehrheitsverhältnisse) auch ohne Abschluss eines Stimmbindungsvertrages erreicht werden können. Allerdings sind in diesem Fall sämtliche Gesellschafter am Entscheidungsfindungsprozess („Was wird [nicht] geregelt?“) zu beteiligen.
6. Syndikatsvertrag Ja oder Nein – Das ist hier die Frage?
Sofern nicht gesellschaftsvertraglich eine ausdrückliche Offenlegung geboten ist, werden Syndikate meistens geheim – auch gegenüber den übrigen Gesellschaftern – gehalten. Eine Stimmbindungsvereinbarung kann insbesondere vorliegen, wenn
1. mehrere Gesellschafter
- außerhalb ihrer GmbH-Beteiligung gemeinsame oder ergänzende (wirtschaftliche) Interessen verfolgen bzw Projekte realisieren;
- in verschiedenen Bereichen über eine marktbeherrschende Stellung verfügen;
- durch die selben Angehörigen der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe vertreten werden;
- bei Beschlussfassungen wiederholt von derselben Person vertreten werden und ihr Stimmrecht durch diese gemeinsam ausüben lassen;
- sich gegenüber den Mitgesellschaftern über einen längeren Zeitraum in inhaltlicher Hinsicht (weitgehend) übereinstimmend positionieren;
2. ein Gesellschafter bei Generalversammlungen wiederholt mit der Vollmacht eines anderen Gesellschafters auftritt;
3. zwischen zwei oder mehreren Gesellschaftern ein rechtliches und / oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis besteht;
4. bei Beschlussvorlagen, Anträgen sowie Stellungnahmen „zufällig“ (annähernd) wortidente Unterlagen von verschiedenen Gesellschaftern vorliegen.
Auch eine Medienberichterstattung über geplante gemeinsame Vorhaben, Zusammenschlüsse und sonstige Strukturmaßnahmen kann – allenfalls zusammen mit anderen Indizien – auf eine Syndikatsvereinbarung hindeuten.
7. Empfohlener Regelungsinhalt
Die inhaltliche Bandbreite von Stimmbindungsverträgen ist je nach der individuellen Ausgangssituation sehr weit; üblicherweise werden die nachfolgenden Regelungen getroffen:
1.Umfang der Syndikatsbindung
- für sämtliche Beschlussfassungen in der Gesellschaft oder nur für bestimmte Gegenstände?
2. Umfang der syndikatsmäßig gebundenen Geschäftsanteile
- Festlegung von Regeln im Falle der Teilung oder Übertragung von Geschäftsanteilen sowie bei Kapitalmaßnahmen
3. Organisatorische Bestimmungen über die Willensbildung im Syndikat
- Einberufung von Syndikatsversammlungen
- Vorsitzführung
- Anträge
- Abstimmungsverfahren und Mehrheitsverhältnisse
- Anwesenheit und Vertretung von Syndikatsmitgliedern, et cetera
4. Pflicht zum syndikatskonformen Verhalten in den Gesellschaftsorganen der GmbH
- Antragstellung für eine bestimmte Beschlussvorlage
- Geltendmachung von Minderheitsansprüchen in der Gesellschaft
- verpflichtende Einflussnahme auf die Vertrauenspersonen in der Geschäftsführung, Aufsichtsrat oder Beirat im Hinblick auf syndikatskonformes Verhalten, et cetera
5. Wechselseitige Einräumung von Vorkaufs- und Aufgriffsrechte, Put- und Call-Optionen oder Mitverkaufsrechte
6. Vertragsdauer, Kündigungsrecht, Pflicht zur Überbindung des Stimmbindungsvertrags auf Rechtsnachfolger
7. Geheimhaltungsverpflichtung
8. Vereinbarung einer Konventionalstrafe im Falle von Vertragsverletzungen
9. Anzuwendendes Recht
10. Streitbeilegung im Falle nicht gütlich beizulegender Meinungsverschiedenheiten