Die Übernahme von Verwaltungsstrafen durch die Gesellschaft unter besondere Berücksichtigung der Business Judgement Rule 1. Teil

Österreich ist ein schönes Land… aber auch ein strenges: Verwaltungsübertretungen werden – je nach Sichtweise streng bis sehr streng sanktioniert. Dazu kommt, dass die penible Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Bestimmungen auch bei größter Mühewaltung nicht gelingen wird. Es ist lediglich ein angenähertes gesetzeskonformes Verhalten möglich; dieses sollte jedoch von der GmbH-Geschäftsführung auch angestrebt werden. Die Frage, wer gegen einen Funktionsinhaber verhängte Verwaltungsstrafen bezahlt, ist für die Betroffenen von großer praktischer Bedeutung; dieser Umstand rechtfertigt es, sich im folgenden diesem Thema zu widmen.

1. Ausgangslage, Problemstellung

Am Schluss des Kapitels E. 7.5. wurde darauf hingewiesen, dass der (Beantwortung der) Frage, wer die Verwaltungsstrafe bezahlt, große praktische Bedeutung zukommt. Gleich vorweg kann gesagt werden, dass es kaum eine andere Materie geben dürfte, bei der die Vorstellungen der Betroffenen sowie unternehmerischen Erfordernisse auf der einen Seite und die (Anforderungen der) Rechtsprechung andererseits so diametral auseinander liegen. Dieser Umstand rechtfertigt eine systematische Auseinandersetzung mit dem Thema, im Zuge dessen auch konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet werden.

Aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur hat eine Verwaltungsstrafe derjenige zu bezahlen, der als Adressat von ihr betroffen ist. Dieser Grundsatz gilt selbst dann, wenn die Strafe ausschließlich im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Vertretungsorgans oder verantwortlichen Beauftragten verhängt wird. Nachdem eine Geldstrafe im Regelfall weder ein ersatzfähiger Aufwand noch ein ersatzfähiger Schaden im Sinne des § 1014 ABGB ist, besteht daher für eine Rückerstattung durch die Gesellschaft keine (rechtliche) Verpflichtung. Die Nichtübernahme einer gegen ihn verhängten Verwaltungsstrafe ist kein Grund für den vorzeitigen Austritt eines Dienstnehmers gemäß § 26 AngG.

Für (gewerberechtliche) Geschäftsführer und verantwortliche Beauftragte besteht angesichts der vorangeführten Ausgangslage ein starkes Interesse daran, die verhängte Verwaltungsstrafen von der Gesellschaft ersetzt zu bekommen oder zu erreichen, dass diese von vornherein die Strafen entrichtet; das Gleiche gilt sinngemäß auch für die Übernahme von Verfahrenskosten.

Einer Übernahme von Geldstrafen und Verfahrenskosten durch die Gesellschaft sind jedoch sehr enge rechtliche Grenzen gesetzt. Wesentliches Unterscheidungskriterium ist, zu welchem Zeitpunkt eine Vereinbarung zwischen der Gesellschaft einerseits und dem (potenziellen) Strafadressaten andererseits getroffen wird.

2. Vorwegvereinbarungen

An sich liegt es nahe, die Frage des wechselseitigen Regresses zwischen Gesellschaft und dem (gewerberechtlichen) Geschäftsführer bzw. verantwortlichen Beauftragten hinsichtlich der auferlegten Verwaltungsstrafe im jeweiligen Anstellungsvertrag zu regeln und eine Haftungsfreistellung zu vereinbaren. Dem steht jedoch gegenüber, dass eine im Vorhinein – also vor Begehung der Straftat – vereinbarte Strafübernahmeklausel in einem Anstellungsvertrag, auf deren Grundlage sich die Gesellschaft verpflichtet, dem Strafadressaten die über diesen verhängten Geldstrafen zu ersetzen, sittenwidrig (damit

  1. Der Begriff „Verwaltungsstrafe“ ist weit auszulegen: Gegenstand der Übernahme von Verwaltungsstrafen sind die eigentlichen Geldstrafen, sonstige strafrechtliche Sanktionen (Verfall, Einziehung), Verfahrens- und Vertretungskosten sowie ein allfälliger Vorschuss.
  2. OGH 23.2.1955, 3 Ob 96/55 = EvBl 1955/308, 509 = SZ 28/56.
  3. Eine Strafe ist dann ein ersatzfähiger Aufwand nach § 1014 ABGB, wenn der Strafadressat i) keine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft zu verantworten hat (es darf sich also um keine Norm handeln, deren Zweck der Schutz des Vermögens ist) und ii) im Interesse der Gesellschaft gehandelt hat. Ein weiteres Kriterium für die Ersatzfähigkeit ist „Unverhältnismäßigkeit“ im Hinblick auf die Höhe der verhängten Strafe.
  4. Ganz grundsätzlich besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Aufwandersatz nach § 1014 ABGB in Erfüllung eines Auftrages (iZm der Diensterfüllung) auf Verfahrens- und Vertretungskosten. Allerdings ist die Nichtverurteilung (Freispruch, sonstige Erledigung ohne Urteil [Einstellung, Verjährung]) eine wesentliche Bedingung für den Aufwandsersatz.
  5. OGH 26.1.2000, 9 ObA 326/99b = SZ 73/20; OGH 30.6.1999, 9 ObA 68/99m; Schrank, Übernahme von Geldstrafen und Verfahrenskosten der Geschäftsleiter durch die Gesellschaft, ÖBA 2016, 885.
  6. In diesem Sinne auch Lehner, Aufwandersatz für Geldbußen und Verfahrenskosten ex causa mandati, RdW 2016, 163.
  7. In vielen Fällen ist in Anstellungsverträgen von Geschäftsführern sowie in Bestellungsvereinbarungen mit verantwortliche Beauftragte unzulässiger Weise vorgesehen, dass dem Geschäftsführer bzw verantwortlichen Beauftragten allfällige gegen ihn verhängte Verwaltungsstrafen rückerstattet werden, sofern die Verwaltungsstrafe nicht auf einem vorsätzlichen Handeln beruht.
  8. Zu diesem Themenkreis ganz grundsätzlich Runggaldier/G. Schima, Manager-Dienstverträge4 (2014) 78 f; Kalss, Die Übernahme von verwaltungsrechtlichen Geldstrafen durch die Gesellschaft, GesRZ 2/2015, 78 ff.
  9. Der Zweck der Strafdrohung besteht darin, den Geschäftsführer oder verantwortlichen Beauftragten als Normadressaten zu gesetzmäßigem Verhalten zu bewegen, in dem im Falle eines Fehlverhaltens bestimmte Sanktionen in Aussicht gestellt werden. Die juristische Lehre und Rspr geht in weiterer Folge von der Fiktion aus, dass für den Normadressaten nur eine geringe Motivation für ein rechtskonformes Verhalten besteht, würde ihm die Gesellschaft pauschal sämtliche Verwaltungsstrafen ersetzen (M. E. ist es zweifelhaft, ob dies in dieser Allgemeinheit tatsächlich zutreffend ist). Eine im Voraus vereinbarte Haftungsfreistellung vereitelt somit die präventive Wirkung von Strafnormen; vgl hierzu auch OGH 16.12.1992, 9 ObA 284/92 = wbl 1993, 157. In ökonomischer Hinsicht handelt es sich im konkreten Fall also um ein Moral Hazard-Argument (Oppitz, Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Vorstands in: Kalss/Frotz/Schörghofer (Hrsg), Handbuch für den Vorstand [2017] § 47 Rz 55).

unwirksam im Sinne des § 879 ABGB) und deshalb auch nicht durchsetzbar ist. Eine solche im Vorhinein abgeschlossene Rückerstattungsvereinbarung läuft dem Strafanspruch des Staates zuwider und verstößt daher gegen Grundsätze des Strafrechts und gegen die guten Sitten.

Erklären die Vertretungsorgane gegenüber einem verantwortlichen Beauftragten oder gewerberechtlichen Geschäftsführer, Verwaltungsstrafen (mehr oder weniger) „grundsätzlich“ zu übernehmen, so lässt sich dies mit einer sorgfältigen Geschäftsführung im Sinne des § 25 Abs 1 GmbHG nicht vereinbaren. Dies gilt auch für den Fall differenzierter Zusagen, etwa nur Strafen zu übernehmen, die wegen eines geringen Verschuldensgrades (zum Beispiel Fahrlässigkeit) verhängt werden. Demgegenüber ist eine im Vorhinein vereinbarte Befassungspflicht des zuständigen Gesellschaftsorgans dann zulässig, wenn damit nicht eine generelle Praxis der nachträglichen Überwälzung der Verwaltungsstrafe auf die Gesellschaft verbunden ist. Durch diese Befassungspflicht wird im Falle der Verhängung einer Verwaltungsstrafe lediglich eine bestimmte verfahrensmäßige Vorgangsweise ohne Aussicht auf ein bestimmtes Ergebnis zugesichert bzw überhaupt vertraglich vereinbart.

Nachdem ein gesetzlicher Anspruch auf Bevorschussung von Aufwendungen besteht, umfasst dieser auch die Verfahrens- und Vertretungs- bzw Verteidigungskosten, zumal diese keinen Sanktionscharakter haben. Eine Vereinbarung zur Übernahme der Kosten einer rechtsfreundlichen Beratung und Vertretung im Falle eines Verwaltungsstrafverfahrens ist auch im Vorhinein zulässig, soweit es sich nicht um vorsätzlich begangene Straftaten handelt; dies gilt auch für eine vertragliche Vorwegvereinbarung auf Leistung eines Vorschuss durch die Gesellschaft. Nachdem die vorsätzliche Begehung im Verwaltungsstrafrecht keine Rolle spielt, ist eine Vorwegvereinbarung über die Übernahme der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens jedenfalls zulässig; erforderlich ist allerdings, dass diese Kostenübernahme eindeutig im überwiegenden Unternehmensinteresse gelegen ist.

Voraussetzungen für die Leistung eines Vorschusses sind allerdings die

  • Bedingung der Nichtverurteilung im (Verwaltungs-)Strafverfahren;
  • Verpflichtung zur Rückzahlung im Falle einer Verurteilung;
  • Kreditwürdigkeit des Empfängers.

Die Kosten des Strafverfahrens können somit grundsätzlich vor und nach der Begehung der Tat von der Gesellschaft übernommen werden. Im Falle einer vorsätzlichen Schädigung, darf die Gesellschaft ebenfalls die Verfahrens- und Vertretungskosten übernehmen, sofern die diesbezügliche Übernahmevereinbarung nach Begehung der Tat erfolgt.

3. Übernahme der Strafe nach der Tatbegehung

Etwas günstiger stellt sich die Situation im Hinblick auf Vereinbarungen dar, die nach Begehung der Tat bzw Verhängung einer Verwaltungsstrafe getroffen werden: Eine nachträgliche– also nach Verurteilung oder Tatbegehung – vereinbarte Strafübernahme ist grundsätzlich zulässig. In diesem  Fall fehlt die Strafzweckvereitelung als „Leitmotiv“ für die Sittenwidrigkeit von Vorwegvereinbarungen; aus diesem Grunde besteht kein generelles Verbot einer Übernahmevereinbarung. Die Gesellschaft darf demnach sowohl die über den (gewerberechtlichen) Geschäftsführer oder verantwortlichen Beauftragten verhängte Geldstrafe als auch die Verteidigungskosten übernehmen, wenn dies eindeutig im überwiegenden Unternehmensinteresse liegt.

Ob ein „überwiegendes Unternehmensinteresse“ besteht, ist in jedem Einzelfall zu beurteilen. Für die Entscheidung, ob die Gesellschaft nachträglich Verfahrens-, Vertretungs-, allfällige Diversionskosten sowie die über den verantwortlichen Beauftragten verhängte Geldstrafe übernimmt, ist folgender Kriterienkatalog maßgeblich.

a) Strafübernahme

  1. Hat der Strafadressat im betrieblichen Interesse der Gesellschaft gehandelt oder liegt ein von der Gesellschaft nicht gewünschtes Fehlverhalten vor?
  2. Ist durch das verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Verhalten des verantwortlichen Beauftragten und / oder gewerberechtlichen Geschäftsführers auch die Gesellschaft geschädigt worden?
  3. Kann das Verhalten des Strafadressaten unter dem Aspekt, dass auch bei allergrößter Mühe eine hundertprozentige Einhaltung aller maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich ist, als „vertretbar“ eingestuft werden? Wie verwerflich war die Verletzung gesetzlicher Bestimmungen?
  4. Hat es bereits in der Vergangenheit vergleichbare verwaltungsstrafrechtlich relevante Pflichtverletzungen gegeben?
  5. Lässt die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft einen Ersatz der Verwaltungsstrafe überhaupt zu?
  6. Besteht Interesse an einer weiteren Tätigkeit des Dienstnehmers?
  7. Ist die Höhe der Verwaltungsstrafe unverhältnismäßig?
  8. Welche Auswirkungen hat die (Nicht-)Übernahme der Verwaltungsstrafe für den Strafadressaten, allfällige weitere Funktionsinhaber, denen verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen wurde sowie das Betriebsklima im Allgemeinen?
  9. Würde durch die Strafübernahme im Hinblick auf eine „generelle Überwälzungspraxis“ ein nachteiliges Signal an die Belegschaft gesetzt?

b) Verfahrens- und Vertretungskosten

  1. Wie wahrscheinlich ist eine Verurteilung?
  2. Erfolgte die Tat auf Weisung eines Vorgesetzten?
  3. Besteht ein Interesse des Unternehmens an einer geordneten Verteidigung?

c) Kosten einer Diversion

  1. Besteht ein eigenes Interesse des Unternehmens an einer solchen Verfahrenserledigung? (Negative Publicity, möglicher Täterregress wegen Mitverantwortung von Vorgesetzten?)

Im Hinblick auf die vorangeführten Fragestellungen ist es wesentlich, dass die Entscheidungsgründe schriftlich dokumentiert werden.

Für die nachträgliche Übernahme von Verwaltungsstrafen bei Vorsatztaten ist entscheidend, ob

  • der Pflichtenverstoß gegenüber der Gesellschaft selbst erfolgt ist;
  • die verletzte Deliktsnorm vorwiegend dem Schutz der Interessen der Gesellschaft dient;
  • die Strafübernahme durch ein entsprechendes Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt werden kann.

In jenen Fällen, in denen von der Gesellschaft die Strafe übernommen werden darf, gilt dies auch für Verfahrens- uns Vertretungskosten. Bei einer Weisung durch die Geschäftsführung, eine gesetzliche Norm im wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft zu missachten, ist ein Ersatz der über den verantwortlichen Beauftragten verhängten Strafe jedenfalls zulässig.

4. Entscheidungskompetenz

Die Erstattung der Geldstrafe sowie die Übernahme der Verfahrens- und Vertretungskosten hat Entgeltcharakter und ist sohin eine steuer- und sozialversicherungspflichtige Vergütung des Vertretungsorgans bzw verantwortlichen Beauftragten. Bei der GmbH ist die Generalversammlung für den Abschluss und den Inhalt des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers zuständig; sie entscheidet daher auch über die Übernahme einer Strafe sowie die Verfahrenskosten. Weder ist ein Geschäftsführer berechtigt, selbst über Gesellschaftsvermögen zu verfügen, um eine über ihn verhängte Verwaltungsstrafe zu ersetzen, noch sind die Vertretungsorgane legitimiert, aus (liquiden) Mitteln der GmbH einem anderen Geschäftsführer gegenüber Verwaltungsstrafen zu ersetzen, ohne unmittelbar einen Regress zu veranlassen. Diese Entscheidungskompetenz der Generalversammlung gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über einen Aufsichtsrat verfügt, sofern dieser nicht auch zum Abschluss solcher Strafübernahmevereinbarungen bevollmächtigt.

Während also bei Verhängung von Verwaltungsstrafen gegenüber den GmbH-Geschäftsführern andere (Gesellschaftsorgane) über deren Übernahme durch die Gesellschaft Beschluss fassen, obliegt diese Entscheidung im Verhältnis zu nicht-organschaftlichen leitenden Angestellten grundsätzlich der Geschäftsführung.

Als Entscheidungsleitlinien für die Übernahme von Verwaltungsstrafen kommen insbesondere folgende Überlegungen in Betracht:

  • Ein fehlendes Verbot einer Übernahme von Verwaltungsstrafen allein genügt nicht für deren Rechtmäßigkeit
  • Der Pflichtenkatalog sowie die Sorgfaltsstandards der Geschäftsführung sind von den Vertretungsorganen einzuhalten, andernfalls besteht das Risiko der Untreue (§ 153 StGB). Durch die wissentliche Bezahlung einer Nichtschuld der Gesellschaft tritt bei ihr ein effektiver Vermögensverlust ein.
  • Es ist eine konsequente Anwendung der Grundsätze der Business Judgement Rule im Hinblick auf die Ausübung nicht gebundenen unternehmerischen Ermessens erforderlich.