
Die Übernahme von Verwaltungsstrafen durch die Gesellschaft unter besondere Berücksichtigung der Business Judgement Rule 2. Teil
Wie bereits im vorherigen Beitrag besprochen handelt es sich auch heute um Verwaltungsübertretungen. Heute wollen wir noch tiefer in die Materie eindringen um sie besser zu verstehen. Die Verwaltungsübertretungen werden – je nach Sichtweise – streng bis sehr streng sanktioniert. Dazu kommt, dass die penible Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Bestimmungen auch bei größter Mühewaltung nicht gelingen wird. Es ist lediglich ein angenähertes gesetzeskonformes Verhalten möglich; dieses sollte jedoch von der GmbH-Geschäftsführung auch angestrebt werden. Die Frage, wer gegen einen Funktionsinhaber verhängte Verwaltungsstrafen bezahlt, ist für die Betroffenen von großer praktischer Bedeutung; dieser Umstand rechtfertigt es, sich im folgenden diesem Thema zu widmen.
5. Von der unzulässigen Übernahme von Geldstrafen zur strafrechtlichen Untreue
Die Überschrift dieses Unterkapitels zeigt den Weg: Eine zulässige Übernahme einer gegen einen verantwortlichen Beauftragten und / oder gewerberechtlichen Geschäftsführer verhängten Verwaltungsstrafe, der nicht gleichzeitig dem Vertretungsorgan der Gesellschaft angehört, kann aus Sicht der diese Entscheidung treffenden Geschäftsführer niemals zu strafrechtlichen Folgen führen. Das gleiche gilt, wenn sämtliche Gesellschafter (und nicht nur alle in einer Generalversammlung Anwesenden) einstimmig beschließen, dass die Gesellschaft eine über einen Geschäftsführer verhängte Verwaltungsstrafe sowie die Verfahrenskosten zur Zahlung übernimmt, sie also einen strafbefreienden Entlastungsbeschluss fassen.
Stellt sich hingegen (nachträglich) heraus, dass die Voraussetzungen für eine Übernahme der Geldstrafe sowie der Verfahrens- und Vertretungskosten nicht vorliegen (und die mit dem Strafadressaten getroffene Übernahmevereinbarung sohin nichtig ist), steht dem Vermögensabfluss kein wirksamer Rechtsgrund gegenüber. Aus Sicht der Gesellschaft wird somit eine Zahlung ohne das Bestehen einer vertraglichen Verpflichtung („Nichtschuld“) geleistet, was dazu führt, dass eine strafrechtliche Untreue im Sinne des § 153 StGB vorliegen kann.
Die maßgebliche Bestimmung des § 153 StGB lautet wie folgt:
- Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
- Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.
- Wer durch die Tat einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“
§ 153 ist ein Vermögensdelikt und schützt das Vermögen der Gesellschaft als Machtgeberin sowie (indirekt) jenes der Gesellschafter als Eigentümer. Ausgehend von der Tatsache, dass jeder GmbH-Geschäftsführer treuhändischer Verwalter fremden anvertrauten Vermögens ist, bedarf es für eine strafrechtliche Relevanz eines vorsätzlichen („wissentlichen“) Missbrauchs von der durch Gesetz oder Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen und dem Hinzufügen eines Vermögensnachteils.
Der Handlungsunwert einer Untreue besteht im wissentlichen Missbrauch rechtlich eingeräumter Verfügungsmacht im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichen Handlungen (bzw mit rechtlichem Charakter) durch die Geschäftsführer als Träger einer Befugnis und damit Machthaber. Durch diesen Befugnismissbrauch (durch aktives Tun) muss der Gesellschaft als Machtgeberin ein Vermögensschaden entstehen, der im gegebenen Fall in der unzulässigen Bezahlung einer Verwaltungsstrafe (bei der nicht die Gesellschaft sondern ein Dritter Strafadressat ist) besteht. Voraussetzung für das Vorliegen der Untreue ist jedenfalls, dass die Vertretungsorgane wissen, dass die Strafübernahme pflichtwidrig ist und es auch für ernstlich möglich halten, dass die Gesellschaft durch ihre Handlung einen Vermögensschaden erleidet; auf subjektiver Tatseite ist insoweit Eventualvorsatz ausreichend.
Der Begriff der Unvertretbarkeit in § 153 Abs 2 StGB ist gesetzlich nicht definiert. Unvertretbarkeit ist jedenfalls bei Entscheidungen anzunehmen, die jeder vernünftigen Ermessensausübung widersprechen bzw außerhalb des vernünftig Argumentierbaren liegen; abgestellt wird insoweit auf die Interessen der wirtschaftlich berechtigten Gesellschaft und nicht die dahinter stehenden Gesellschafter.
Es ist daher zu prüfen, wann bei der Übernahme von Verwaltungsstrafen und Verfahrenskosten das dafür zuständige Organ (im Regelfall die Geschäftsführer) seine Befugnisse missbraucht. Steht den Vertretungsorganen – wie im Fall der Übernahme von Verwaltungsstrafen – ein Ermessensspielraum zu, ist die Grenze zum Missbrauch erst überschritten, wenn die konkrete Entscheidung außerhalb jeder vernünftigen Ermessensausübung liegt. Somit ist es auch für die strafrechtliche Beurteilung erforderlich, zunächst aus dem Blickwinkel des Gesellschaftsrechts zu beurteilen, ob die Entscheidung zur Übernahme der Strafe und / oder der Verfahrenskosten sorgfaltswidrig ist oder nicht.
6. Exkurs: Tätige Reue
Wird von den Vertretungsorganen erkannt, dass sie in der Vergangenheit durch die unzulässige Übernahme von Verwaltungsstrafen Dritter durch die Gesellschaft deren Vermögen geschmälert haben, so besteht die Möglichkeit diese „Tat“ (im Sinne der getroffenen Entscheidung) freiwillig durch die sog „Tätige Reue“ (§ 167 StGB) zu sanieren. Zu diesem Zweck hat eine vollständige Schadenswiedergutmachung gegenüber der Gesellschaft zu erfolgen. Die Strafaufhebung durch tätige Reue wirkt zu Gunsten desjenigen, in dessen Namen die Schadenwiedergutmachung unter den vorangeführten Voraussetzungen geleistet wurde. Die Strafbarkeit wird nach erfolgter Gutmachung des Schadens ex tunc aufgehoben. Sobald daher in einem späteren Ermittlungsverfahren feststeht, dass der Beschuldigte tätige Reue geübt hat, ist das Ermittlungsverfahren einzustellen.
7. Solidarhaftung der Gesellschaft
Die Gesellschaft haftet zur ungeteilten Hand über eine gegen den Geschäftsführer oder verantwortlichen Beauftragten verhängte Geldstrafe sowie die Verfahrenskosten (§ 9 Abs 7 VStG). Die Rechtfertigung für diese solidarische Haftung besteht darin, dass vielfach die wirtschaftlichen Vorteile aus der (bewussten) Übertretung von Verwaltungsvorschriften wirtschaftlich der Gesellschaft (Vermeidung von Aufwendungen zur Herstellung eines gesetzeskonformen Zustands) zu Gute kommen. Auf Grund der primären solidarischen Haftung kommt der GmbH im Verfahren gegen die Geschäftsführer bzw verantwortlichen Beauftragten Parteienstellung zu. Rechtsfolge ist, dass über die Haftung der GmbH bereits im Strafbescheid gegen die nach § 9 VStG verantwortliche Person abzusprechen ist und neben den verantwortlichen Beauftragten auch die Gesellschaft gegen den Strafbescheid Berufung erheben kann. Die Gesellschaft ist aufgrund ihrer unmittelbaren und nicht bloß subsidiären Haftung berechtigt, die Verwaltungsstrafe direkt zu bezahlen. Diese „Direktzahlung“ berechtigt die Gesellschaft zum Regress gemäß §§ 896 und 1358 ABGB gegen den verantwortlichen Beauftragten. In rechtlicher Hinsicht ist dieser Fall dergestalt zu beurteilen, dass die Gesellschaft für die Schuld eines anderen aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung im Sinne des § 891 ABGB haftet. Der Regress gegen den verantwortlichen Beauftragten (ist ein solcher nicht bestellt gegen die Vertretungsorgane) ist nicht durch die Einrede der Gutgläubigkeit belastet, sondern in voller Höhe durchsetzbar.
Die Gesellschaft hat im Strafverfahren gegen ein Vertretungsorgan oder einen verantwortlichen Beauftragten Parteistellung. Die Heranziehung zu einer Haftung betrifft einen Rechtsanspruch (§ 8 AVG). Die Gesellschaft muss bei allen Verfahrensschritten, welche die Feststellung der Haftungsgrundlagen betreffen, beigezogen werden. Auf die Haftung der Gesellschaft gemäß § 9 Abs 7 VStG ist im Spruch des Straferkenntnisses ausdrücklich hinzuweisen.
Wenn die Gesellschaft die Verwaltungsstrafe aufgrund ihrer solidarischen Haftung direkt bezahlt, ist dieser Aufwand eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe im Sinne des § 20 Abs 1 Z 5 lit b EStG 1988.
8. Steuerliche Behandlung von Verwaltungsstrafen
Bei der Erstattung einer Verwaltungsstrafe an Personen, die an der Gesellschaft nicht (wesentlich) beteiligt sind, handelt es sich nicht um durchlaufende Gelder gemäß § 26 Z 2 EStG und auch nicht um Auslagenersätze (diese wären jeweils nicht steuerbar). Vielmehr führt der Ersatz einer Geldstrafe zu einer (lohn-)steuerpflichtigen Zuwendung an den Geschäftsführer bzw. verantwortlichen Beauftragten. Dieser lohnsteuerpflichtige Vorteil aus dem Anstellungsverhältnis besteht unabhängig davon, ob die Gesellschaft die Übernahme der Verwaltungsstrafe freiwillig vornimmt oder hierzu verpflichtet ist. Einzelfallabhängig können Werbungskosten vorliegen, die der Geschäftsführer bzw. verantwortliche Beauftragte im Veranlagungsverfahren geltend machen kann.
Im Falle einer grundsätzlich zulässigen und steuerlich abzugsfähigen Übernahme (bzw. Refundierung) von Verwaltungsstrafen ist es auch zulässig, dass die Gesellschaft dem Geschäftsführer / verantwortlichen Beauftragten den durch Ersatz des bloßen Strafbetrages erwachsenden steuerrechtlichen Nachteil ausgleicht.
9. Zusammenfassung, Lösungsvorschläge
Im Hinblick auf den Problembereich Übernahme von Verwaltungsstrafen stellen sich die praktischen Gesichtspunkte regelmäßig folgendermaßen dar:
- Wenn Mitarbeiter ohne Mehrvergütung die Funktion des verantwortlichen Beauftragten übernehmen, wird insoweit eine Haftungsfreistellung erwartet. Eine solche ist jedoch nur im Einzelfall und im Nachhinein zulässig.
- Bei der Entscheidung, ob Verwaltungsstrafen durch die Gesellschaft übernommen werden, sollte evaluiert werden, ob eine (von der Gesellschaft nicht gewünschte) Pflichtwidrigkeit vorliegt oder es sich um eine nützliche Gesetzesverletzung handelt.
- Je mehr Mitarbeiter Verwaltungsstrafen selbst zu bezahlen haben, umso
3.1 weniger werden sie bereit sein (verwaltungsrechtliche) Verantwortlichkeit zu übernehmen;
3.2 höher bleibt die Verantwortung (und damit persönliche Strafbarkeit) bei der Geschäftsführung. - Ein möglicher Ausweg aus dem vorangeführten Dilemma besteht in einer betrieblichen Kultur des Vertrauens: Es muss den betroffenen Funktionsträgern aus dem Kreise der Mitarbeiter klar sein, dass sie Adressaten im Verwaltungsstrafverfahren sind. Innerhalb der Gesellschaft werden – vor allem dann, wenn die Verwaltungsstrafe nicht auf offenkundiger „Schlamperei“ beruht – Mittel und Wege gefunden, dass dem verantwortlichen Beauftragten keine finanziellen Nachteile entstehen. Die hier angesprochene Kultur des Vertrauens bedeutet aber auch, dass es insoweit weder schriftliche Vereinbarungen noch im Vorhinein getroffene Abreden geben darf.
- Jede rechtskräftig verhängte Verwaltungsstrafe muss Konsequenzen im Hinblick auf die Aufbau- und Ablauforganisation haben: Aus § 25 Abs 1 GmbHG ist auch eine weitgehende organisationsrechtliche Verantwortung der Vertretungsorgane abzuleiten, da eine ordnungsgemäße Unternehmensführung ein entsprechend organisiertes Unternehmen als Grundlage für die optimale Wahrnehmung der Aufgaben und Ziele der Gesellschaft voraussetzt. Angesichts der Dichte von strafbewährten Verwaltungsbestimmungen in Österreich können auch in sehr gut organisierten Unternehmen Fehlerquellen auftreten. Das ist im Falle leichterer Mängel per se noch kein Beinbruch. Nicht tolerierbar wäre jedoch eine Prolongierung von Verwaltungsübertretungen. Es ist daher erforderlich, dass die GmbH-Geschäftsführung durch Eigendokumentation nachgewiesene Maßnahmen setzt, jene Mängel, die zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens geführt haben, auch abstellt.
- Bei Dienstnehmern entscheidet die Geschäftsführung über die Übernahme von Verwaltungsstrafen durch die Gesellschaft. Wird die Verwaltungsstrafe über einen oder sämtliche Geschäftsführer verhängt, so entscheidet – unabhängig davon, ob eine nützliche Gesetzesverletzung vorliegt oder nicht – die Generalversammlung. Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen bei der diesbezüglichen Abstimmung dem Stimmverbot des § 39 Abs 4 GmbHG.
- Es kann empfehlenswert sein, dass die systematische Bestellung von verantwortlichen Beauftragten und die Übernahme von Verwaltungsstrafen gegenüber leitenden Angestellten nach der Tatbegehung durch einen Beschluss der Generalversammlung oder eines allfälligen Aufsichtsrats vorab genehmigt wird.
- Das System der Übernahme von Verwaltungsstrafen darf keine Einladung zum Rechtsbruch sein. Es darf niemals gegenüber Mitarbeitern der Eindruck erweckt werden, dass der Strafrechtsschutz unterminiert wird („keine demonstrative Verhöhnung der Strafrechtsorgane“).