Die praktische Bedeutung der Prokura in einer GmbH

Die Prokura ist – so wie auch die Handlungsvollmacht – aus dem Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Ihr Vorzug liegt darin, dass der Geschäftsinhaber eine natürliche Person bevollmächtigt, sein im Firmenbuch eingetragenes Unternehmen mit Rechtswirksamkeit für ihn zu vertreten. Durch die Eintragung im Firmenbuch werden Prokuristen auch „gefunden“. Nachdem es sich im Regelfall um nicht am Unternehmen beteiligte Personen handelt, sich der Prokurist diese Funktion erst zu erarbeiten hat, verfügen viele von ihnen über ein sehr wertvolles Know-how. Der folgende Beitrag behandelt praktische Fragen zur Prokura in einer Gesellschaft mit beschränkten Haftung.

1. Grundsätzliches

Begriff. Die Prokura ist eine im Firmenbuch einzutragende, jederzeit widerrufliche, ihrem Umfang nach gesetzlich festgelegte, nicht übertragbare und unbeschränkbare Vollmacht, die nur ein Unternehmer – also die durch ihre Geschäftsführung handelnde GmbH – erteilen kann. Nur die Geschäftsführer können die Prokura erteilen (§ 48 Abs 1 UGB), ein Prokurist oder ein sonstiger Bevollmächtigter nicht. 

Die Prokura stellt grundsätzlich nur eine Berechtigung, aber keine Verpflichtung zum Tätigwerden des Prokuristen dar. Eine Prokura kann nur durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem in Aussicht genommenen Empfänger erteilt werden und bedarf dessen zumindest stillschweigender Annahme; eine konkludente Erklärung ist nicht ausreichend (§ 48 Abs 1 UGB). Die Schriftform ist nicht erforderlich; gemäß § 863 Abs 1 ABGB genügt jede eindeutige mündliche Erklärung. Die Erklärung hat gegenüber dem Prokuristen zu erfolgen und bedarf dessen ausdrücklicher oder stillschweigender Annahme.

Nach der gesetzlichen Regelung bestimmen die Gesellschafter im Innenverhältnis mit einfacher Mehrheit, ob die Geschäftsführung die Prokura erteilen darf (§ 35 Abs 1 Z 4 GmbHG). Wird ein solcher Beschluss gefasst, obliegt es der Entscheidung sämtlicher Geschäftsführer, wem die Prokura erteilt wird (§ 28 Abs 2 GmbHG). Die Gesellschafter können jedoch einen Weisungsbeschluss fassen, demzufolge die Geschäftsführung einer bestimmten Person die Prokura zu erteilen hat; die zur Bevollmächtigung erforderliche Vertretungsbefugnis kommt den Gesellschaftern hingegen nicht zu. Beim Antrag auf Eintragung eines Prokuristen im Firmenbuch ist der Gesellschafterbeschluss über die Zustimmung, dass Prokura erteilt werden darf, nicht nachzuweisen. Der Widerruf der Prokura kann durch jeden Geschäftsführer unbeschadet von der Art seiner Vertretungsbefugnis erfolgen; ein Gesellschafterbeschluss ist hierfür nicht erforderlich.

Beispiel: Zustimmungsbeschluss der Generalversammlung „GESELLSCHAFTERBESCHLUSS gemäß § 34 GmbHG“

Die Gesellschafter der Glück & Fuchs GmbH mit Sitz in Reutte (Landesgericht Innsbruck, FN 12345 a) fassen einstimmig nachfolgenden Gesellschafterbeschluss:

Wir erteilen unsere Zustimmung, dass die Geschäftsführung Gesamtprokura erteilt. Die Geschäftsführung ist verpflichtet, einen Entwurf des Anstellungsvertrages jenes Dienstnehmers, dem Prokura erteilt wurde, der Generalversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

[Ort, Datum, Unterschriften sämtlicher Gesellschafter]“

Erteilen die Geschäftsführer Prokura ohne den nach der gesetzlichen Regelung erforderlichen Zustimmungsbeschluss der Generalversammlung, so handeln sie pflichtwidrig, nichts desto weniger ist ihre Vertretungshandlung im Außenverhältnis wirksam. Die Prokura entsteht immer bereits mit der Erteilung durch die Gesellschaft; der Eintragung im Firmenbuch kommt nur deklarative Wirkung zu.

Die gesetzliche Regelung hat sich als unpraktisch erwiesen; es stehen eine Vielzahl abweichender Gestaltungsalternativen zur Verfügung, die allerdings einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Grundlage bedürfen:

  • Die Grundsatzentscheidung, ob die Geschäftsführung Prokura erteilen darf, wird einem anderen Gesellschaftsorgan (insbesondere dem Aufsichtsrat) übertragen.
  • Die Erteilung der Prokura erfolgt nicht durch sämtliche Geschäftsführer, sondern nur in deren vertretungsbefugter Zahl.
    Beispiel:
    „Die Geschäftsführer dürfen in vertretungsbefugter Zahl Einzel- oder Gesamtprokura für den gesamten Geschäftsbetrieb erteilen. Hierfür und zur Genehmigung des Anstellungsvertrages des Prokuristen ist die Zustimmung durch die Generalversammlung erforderlich. Der Widerruf der Prokura kann – unbeschadet allfälliger Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen – durch jeden Geschäftsführer erfolgen. “
  • Für die Erteilung der Prokura durch die Geschäftsführung ist eine vorherige Befassung der Generalversammlung nicht erforderlich.
    Beispiel:
    „Die Geschäftsführer sind berechtigt, nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen Einzel- oder Gesamtprokura sowie Handlungsvollmacht für den gesamten Geschäftsbetrieb zu erteilen; eine vorherige Befassung der Generalversammlung in dieser Angelegenheit ist nicht erforderlich.“

Wirkung der Prokura. Die Prokura entsteht im Außenverhältnis  durch eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung, wofür eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung der Gesellschaft genügt. Der Prokurist kann (er muss kraft Gesetz jedoch nicht!) gegenüber Dritten Rechtshandlungen setzen, die den Unternehmer – im konkreten Fall die GmbH – unmittelbar  berechtigen und verpflichten. Wird von einem (im Firmenbuch eingetragenen)  Prokuristen ein Geschäft abgeschlossen, so kann sich der  Vertragspartner in der Regel darauf verlassen, dass dieses Rechtsgeschäft für oder  gegen den Unternehmer wirkt. Rechtsgrundlage ist immer eine Willenserklärung des zur Prokuraerteilung Berechtigten; diese Erklärung ist beim Empfänger nicht  annahmebedürftig. Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von  gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen, die mit dem Betrieb eines  im Firmenbuch eingetragenen Unternehmens verbunden sein können. Dieser gesetzlich fixierte Umfang der Prokura  kann im Außenverhältnis außer in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen nicht  beschränkt werden. Die Prokura berechtigt somit ihren Inhaber zum Abschluss von  betriebsgewöhnlichen und nicht betriebsgewöhnlichen Geschäften.

Die Gesellschaft ist an alle Rechtshandlungen und Geschäfte des Prokuristen gebunden, die dieser im Rahmen des durch § 49  UGB festgelegten Umfanges seiner Vertretungsmacht eingehen konnte. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn er sie nach der Vereinbarung im  Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Prokuristen nicht abschließen hätte  dürfen.

Nur natürlichen Personen kann Prokura erteilt werden. Der Prokurist muss eine vom Geschäftsinhaber (bzw. seinen organschaftlichen Vertretern) verschiedene Person sein. 

Firmenbucheintragung. Die Erteilung der Prokura ist von den Geschäftsführern in vertretungsbefugter Zahl zur Eintragung in das Firmenbuch unter Beifügung einer beglaubigten Namenszeichnungserklärung des Prokuristen anzumelden (§ 53 Abs 1 erster Satz UGB).  Beim Prokuristen sind Name, Geburtsdatum, Art der Prokura sowie Beginn  und Art der Vertretungsbefugnis einzutragen (§ 3 Z 9 FBG). Ergänzt wird  diese Eintragung in der Rubrik „Personen“ durch die Angabe der für  Zustellungen maßgeblichen Anschrift des Prokuristen. 

Firmazeichnung.Der Prokurist hat für die von ihm vertretene Gesellschaft in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusätze beifügt (§ 51 UGB). Dabei kann die Firma selbst auch in beliebiger  Form (z. B. maschinschriftlich oder durch Stampiglie – Abdruck) vorgegeben  sein; nur die Unterschrift selbst mit dem Prokurazusatz  muss handschriftlich sein; ein Stempelaufdruck reicht nicht aus. Diese „Unterschrift“ muss weder den vollen Vor- und Zunamen, allenfalls ergänzt durch einen akademischen Grad, enthalten  noch leserlich sein. Unterlässt der Prokurist jedoch bei der  Zeichnung seine Rechtsstellung als Prokurist offenzulegen hat, so hat dies keine  Auswirkungen auf die Rechtsgültigkeit des Geschäftes, da die entsprechende  Bestimmung lediglich als Ordnungsvorschrift zu qualifizieren ist. Der Filialprokurist hat die Firma der Niederlassung  im Sinne des § 50 Abs 3 UGB zu zeichnen. 

2. Arten der  Prokura

2.1. Einzelprokura

Ein Einzelprokurist benötigt zu seinen Vertretungshandlungen für die GmbH nicht der Mitwirkung anderer Personen. Es steht  ihm daher die volle Vertretungsmacht zu, die im  Außenverhältnis lediglich den gesetzlichen Schranken unterliegt. Die Erteilung 

  • mehrerer Einzelprokuren ist zulässig; 
  • der Einzelprokura an einen nur kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer ist unzulässig.

Der GmbH-Geschäftsführung obliegt die Entscheidung über eine allfällige Umwandlung einer Einzelprokura in eine Gesamtprokura. 

2.2. Gesamtprokura, gemischte Vertretung

Von einer Gesamtprokura wird gesprochen, wenn die Prokura mehreren Personen gemeinschaftlich erteilt wird (§ 48 Abs 2 UGB) und diese nur zusammen handeln. Sie  unterscheidet sich von der Einzelprokura nicht in ihrem Umfang, sondern nur  in der Art ihrer Ausübung. 

Die Gesamtprokura steht nicht einer Person alleine zu, sondern zwei (oder mehreren) gemeinschaftlich handelnden Personen. Handelt ein Gesamtprokurist  allein, so ist ein wirksamer Vertretungsakt mangels Mitwirkung des oder der  anderen Gesamtprokuristen nicht zustande gekommen. 

Im Falle einer Gesamtprokura sind drei theoretische Gestaltungsmodelle vorstellbar, nämlich die

  • bloße Gesamtprokura, bei der jeder Prokurist gleichberechtigt mit der erforderlichen Zahl anderer Prokuristen handeln kann;
  • Bildung von Prokuristen-Gruppen; und
  • sternförmige Gesamtprokura, bei der vorgesehen werden kann, dass die Prokuristen B, C und D nur gemeinsam mit dem Prokuristen A vertreten dürfen.

Die an mehrere  Personen zur gemeinschaftlichen Ausübung erteilte Vertretungsmacht in Form der Gesamtprokura handelt es sich  um zwei getrennte Vollmachten, die wechselseitig durch die auch im  Außenverhältnis wirksame Verpflichtung, sie nur gemeinschaftlich auszuüben,  beschränkt sind. Weitere Beschränkungen sieht § 48  Abs 2 UGB nicht vor, es bleibt also der Geschäftsführung überlassen, wie viele  Gesamtprokuristen zusammenwirken müssen, um eine formal verbindliche  Rechtshandlung für die Gesellschaft zu setzen. Üblich ist allerdings in der  Praxis so gut wie ausschließlich das Vier-Augen-Prinzip, also die Erteilung der Gesamtprokura in der Form, dass jeweils zwei  Prokuristen gemeinsam handeln müssen.

Gemeinsames Handeln  verlangt nicht gleichzeitiges Handeln der Gesamtprokuristen. Es genügt, wenn einer von ihnen die Erklärung abgibt und hierzu die Einwilligung, Genehmigung oder Bevollmächtigung des zweiten Gesamtprokuristen vorliegt. Für die Zustimmung des zweiten Gesamtprokuristen ist Schriftform nicht erforderlich; es ist ausreichend, wenn die Zustimmung überhaupt ausdrücklich oder  durch schlüssiges Verhalten dem anderen Gesamtprokuristen oder dem  Geschäftspartner gegenüber erklärt worden ist. Beweispflichtig für das  Vorliegen der Zustimmung ist derjenige, der sich hierauf beruft,  insbesondere also der Geschäftspartner, wenn er aus dem von einem  Gesamtprokuristen allein ohne Mitwirkung des anderen abgeschlossenen  Geschäft Rechte gegen die Gesellschaft ableiten will. 

Die Gesamtprokuristen können andere Personen zur Vornahme von  Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen nach den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts bevollmächtigen und auch Prozessvollmacht erteilen. Daher ist es grundsätzlich möglich, dass die Gesamtprokuristen gemeinschaftlich einem von ihnen  eine durch die Prokura gedeckte Einzelvollmacht erteilen.

Jeder Gesamtprokurist ist alleine zur passiven Vertretung berechtigt. Unter passiver Vertretung wird die Entgegennahme von Erklärungen und  Zustellungen verstanden. Die Folgen von Willensmängeln, der  Kenntnis oder das Kennen müssen entstehen für die Gesellschaft schon dann, wenn dieser Umstand nur in der Person eines einzigen Gesamtprokuristen verwirklicht ist. Auch beim Verschuldensnachweis (insbesondere bei  Schadenersatzansprüchen gegen die vertretene Gesellschaft) genügt es, dass  ein einzelner Gesamtprokurist schuldhaft gehandelt hat.

Eine allseitige Gesamtprokura liegt vor, wenn alle zur  Gesamtvertretung bevollmächtigten Prokuristen an die Mitwirkung des oder der  anderen Prokuristen gebunden sind. Es ist nicht erforderlich, dass alle  Gesamtprokuristen gleichberechtigt sind, vielmehr kann ein einzelner  Gesamtprokurist auch an die Mitwirkung eines oder mehrerer bestimmter  anderer gebunden werden, bis hin zum Extremfall der sternförmigen Befugnis, bei der eine beliebige Zahl von  Prokuristen ausschließlich berechtigt ist, mit einem einzigen bestimmten  anderen Prokuristen zu vertreten.

Die gemischte Vertretung stellt die Verbindung organschaftlicher Vertretungsrechte mit Prokuren dar. Der Prokurist handelt bei der Mitwirkung an der gemischten Vertretung als organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft. In dieser Funktion hat er mit einem Prokuristen im Sinne der §§ 48 ff UGB nichts gemeinsam; eine echte Gesamtprokura liegt nicht vor. Bei der gemischten Vertretung wird die Vertretungsmacht des Prokuristen entsprechend eingeschränkt, daneben bleiben aber die Vertretungsbefugnisse des Geschäftsführers uneingeschränkt erhalten. Zur gemischten Vertretung der Gesellschaft kann auch ein einziger Gesamtprokurist  berufen werden. Dieser Prinzipalprokurist ist dann allerdings auf die Mitwirkung im  Rahmen der Geschäftsführung beschränkt und hat (solange kein anderer  Gesamtprokurist bestellt ist) keine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis  im Sinne der §§ 48 ff. UGB.

Gemischte  Gesamtvertretung. Der Gesellschaftsvertrag kann  bestimmen, dass einzelne Geschäftsführer nur zusammen mit einem Prokuristen  vertretungsbefugt sind (§ 18 Abs 3). Bei dieser Form der Gesamtvertretung ist die Prokura insofern erweitert, als der Prokurist jene Geschäfte gemeinsam mit dem betreffenden Geschäftsführer abschließen kann, zu deren Abschluss dieser im Rahmen seiner Organfunktion berechtigt ist, zum Beispiel Erteilung einer (weiteren) Prokura, Veräußerung oder Belastung  eines Grundstückes. Die gemischte Gesamtvertretung darf nicht dazu führen, dass der Geschäftsführer ohne Mitwirkung eines Prokuristen nicht vertreten und zeichnen kann, eine ausschließliche Vertretung durch die GmbH-Geschäftsführung muss jedenfalls möglich  bleiben.

Bei einer halbseitigen Gesamtprokura ist ein Gesamtprokurist nur gemeinschaftlich mit einem Einzelprokuristen vertretungsbefugt. Beschränkt man sich ausschließlich auf die aktive Vertretung durch den  Prokuristen, so ist die halbseitige Gesamtprokura nicht wirklich zweckmäßig,  weil es keine Vertretungshandlungen gibt, bei denen die Mitwirkung des  Gesamtprokuristen nötig wäre.

Bei der halbseitigen gemischten Gesamtvertretung ist der Prokurist nur gemeinsam mit einem Geschäftsführer zur Zeichnung berechtigt ist; der Geschäftsführer selbst kann jedoch die GmbH auch alleine vertreten. Bei dieser auch im Firmenbuch eintragungsfähigen Form der Vertretung ist es daher zulässig, dass ein Prokurist gemeinsam mit einem Geschäftsführer eine  Liegenschaft belastet oder veräußert. Der an einer Gesamtvertretung  beteiligte Prokurist verfügt daher über umfangreichere Befugnisse, als sie §  49 UGB einem Prokuristen an sich gewährt. Die halbseitig (unechte) gemischte Gesamtvertretung  darf nicht in der Form ausgestaltet sein, dass die Geschäftsführer immer der Mitwirkung eines Prokuristen bedürfen, um die Gesellschaft vertreten zu können. Es muss ihnen vielmehr möglich bleiben, die Gesellschaft alleine oder gemeinsam mit einem anderen  Geschäftsführer zu vertreten. Auch ein  nur zur organschaftlichen Vertretung bestellter Gesamtprokurist ist alleine  berechtigt, Willenserklärungen oder Ladungen und andere Zustellungen  entgegenzunehmen (Passive Einzelvertretung). Für das  Wissen einer Tatsache ist die Kenntnis nur eines Gesamtprokuristen  ausreichend.

Widerruf. Soweit es auf die (durch  ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Handeln erteilte) Zustimmung des  anderen Gesamtprokuristen ankommt, treten die Wirkungen einer solchen  Zustimmung nur dann ein, wenn beide Gesamtprokuristen in dem Zeitpunkt, in  dem das Geschäft wirksam geworden sein soll, noch einer Willensrichtung  waren. Hat ein Gesamtprokurist dem anderen gegenüber seine Zustimmung  (Einwilligung) zu einem von diesem beabsichtigten Geschäft gegeben, so kann  er diese bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes durch den anderen  Gesamtprokuristen widerrufen. Handelt dann der andere Gesamtprokurist  allein, so wirkt die vorher erteilte Zustimmung nicht mehr, das Geschäft  kommt also durch diese Zustimmung nicht mehr bindend zustande. 

2.3. Filialprokura

Betreibt die Gesellschaft eine oder mehrere Zweigniederlassungen unter verschiedenen Firmen, so kann durch die Geschäftsführung die Prokura auf eine Zweigniederlassung beschränkt werden (§ 50  Abs 3 UGB). Das Gesetz verlangt als Voraussetzung für die  Zulässigkeit einer auf den Betrieb einer Niederlassung eines Unternehmens  außenwirksam beschränkten Prokura, dass diese unter einer vom Hauptsitz verschiedenen  Firma betrieben wird. Diesem Erfordernis kann auch  dadurch entsprochen werden, dass der an sich einheitlichen Firma jeweils ein auf die  Zweigniederlassung hinweisender Zusatz beigefügt wird. Niederlassungsprokuren können für eine oder für mehrere Filialen erteilt werden. Sie  können auch auf die Hauptniederlassung beschränkt oder nur auf eine einzige  Zweigniederlassung bezogen werden.

Voraussetzungen für die Erteilung einer Filialprokura sind daher, dass die

  • Gesellschaft über mehrere in das Firmenbuch eingetragene  Zweigniederlassungen verfügt; und
  • die Firmen der verschiedenen Niederlassungen (einschließlich der  Hauptniederlassung) sich zumindest durch  Niederlassungszusätze voneinander unterscheiden.

Eine Filialprokura kann hingegen

  • nicht erteilt werden, wenn die Gesellschaft 
    • überhaupt keine Niederlassungen außer der Hauptniederlassung betreibt; 
    • Niederlassungen unter der gleichen Firma führt und dieser kein auf die jeweils vorhandene Zweigniederlassung hinweisender Zusatz  beigefügt ist;
  • nicht mehr erteilt werden, wenn die GmbH eine bestehende Zweigniederlassung aufgegeben hat. 

Die Filialprokura begrenzt die Vertretungsmacht (mit Wirkung auch im Außenverhältnis) auf den Betrieb der Zweigniederlassung, für die sie erteilt wurde.  Die Gesellschaft wird demnach nur aus solchen Rechtshandlungen des Filialprokuristen berechtigt und verpflichtet, die dieser für (und gegen) die Zweigniederlassung abschließt. Die Vertretungsmacht des Filialprokuristen erstreckt sich nicht auch auf den Betrieb sonstiger Niederlassungen der GmbH, die unter anderer Firma oder unter anderem Niederlassungszusatz geführt werden. Die Vertretungsbefugnis eines Filialprokuristen der inländischen  Zweigniederlassung eines ausländischen Rechtsträgers richtet sich  nach österreichischem Recht.

Die Filialprokura ist beim Firmenbuchgericht der Hauptniederlassung zur Eintragung bei diesem und jenem der Niederlassung anzumelden (§ 120 Abs 2 JN). Werden die (Zweig-)Niederlassungen unter verschiedenen Firmen geführt, so ist jede von ihnen zum Firmenbuch anzumelden (§ 29 UGB). 

3. Umfang der Prokura

Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von  gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen, die mit dem Betrieb eines  Unternehmens verbunden sein können (§ 49 Abs 1 UGB). Zur  Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt,  wenn ihm diese Befugnis durch die GmbH-Geschäftsführung besonders erteilt ist (§ 49 Abs 2 UGB). Abgesehen von der Immobiliarklausel ist die Prokura im  Außenverhältnis nicht beschränkbar. Die Prokura berechtigt somit ihren Inhaber zum Abschluss von  betriebsgewöhnlichen und nicht betriebsgewöhnlichen Geschäften. Das Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem  Prokuristen wird durch die gesetzlichen Regelungen nicht berührt. 

Erweiterung der Vertretungsbefugnis. Neben der  sich bereits aus § 49 Abs 1 UGB ergebenden Beschränkung, nach der ein  Prokurist nur bei Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines  Unternehmens mit sich bringt, als rechtsgeschäftlicher Vertreter der Gesellschaft vertreten kann, besteht eine in der Praxis wesentliche weitere  Beschränkung: Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist jedoch nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis ausdrücklich erteilt wird (§ 49 Abs 2 UGB); diese Immobiliarklausel ist im Firmenbuch einzutragen.

Besondere Vollmacht. Macht die GmbH-Geschäftsführung von der  Möglichkeit des § 49 Abs 2 UGB keinen Gebrauch, kann er dennoch den  Prokuristen nach den Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechts zur  Vornahme von Grundstücksgeschäften bevollmächtigen. Eine solche  Bevollmächtigung ist jedoch im Firmenbuch nicht eintragungsfähig. Sie  unterliegt nicht den Regelungen des § 48 Abs 1 UGB und ist daher auch  schlüssig möglich.

Rechtsnatur der Immobiliarklausel. Um dem Prokuristen als solchem die  Vertretungsmacht für die Gesellschaft auch bei der Veräußerung und Belastung  von Grundstücken zu verschaffen, bedarf es damit einer Erweiterung des  gesetzlichen Umfanges der Prokura. Dabei handelt es sich um eine Erweiterung  der Vertretungsmacht aus der Prokura, nicht um die Erteilung einer  zusätzlichen Vollmacht. Daraus folgt aber, dass diese Erweiterung der  Prokura ausdrücklich von der Geschäftsführung erklärt werden muss. Die Geschäftsführer kann sich aber auch darauf beschränken,  den gesetzlichen Umfang der Prokura nach § 49 Abs 1 UGB unverändert zu  lassen, im Einzelfall aber dem für ihn als Prokurist tätigen Mitarbeiter  eine zusätzliche Vollmacht für die Veräußerung und Belastung von  Grundstücken zu erteilen. Erweitert er die Prokura, so muss die Erweiterung  ausdrücklich vorgenommen werden; sie ist dann in das Firmenbuch  einzutragen.

Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura ist mit Ausnahme der Filialprokura Dritten gegenüber unwirksam (§ 50 Abs 1 UGB). Dieser Grundsatz gilt insbesondere für Beschränkungen, wonach die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen, für befristete Dauer oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll (§ 50 Abs 2 UGB). 

Durch vertragliche Regelung, aber auch durch einseitige Weisung können die Geschäftsführer jedoch bestimmen, dass der Prokurist seine Vertretungsmacht

  • nicht,
  • nur in bestimmten Grenzen oder
  • nur unter bestimmten Voraussetzungen

ausüben kann.

Zulässige Beschränkungen im Innenverhältnis sind etwa eine

  • Beschränkung auf bestimmte Geschäfte: Der Prokurist darf nur bestimmte, ihm von der Geschäftsführung übertragene Geschäften (z. B. bis zu einem gewissen Höchstbetrag) als rechtsgeschäftlicher Vertreter der GmbH abschließen.
  • Beschränkung auf gewisse Arten von Geschäften
  • Ausübung der Prokura auf bestimmte Zeit 
    Zu dieser Fallgruppe gehört etwa die Beschränkung, dass der Prokurist nur für die Zeit einer Ausstellung bzw. Messe oder für eine Saison in einer bestimmten Branche vertreten soll. 
  • Ausübung der Prokura nur unter gewissen Umständen. 

Vollmachtüberschreitungen. Die Gesellschaft wird aus den Vertretungshandlungen des Prokuristen auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn er auf Grund von Beschränkungen im Innenverhältnis diese Rechtsgeschäfte  und Rechtshandlungen nicht vornehmen durfte.

4. Beendigung der Prokura

Die Prokura endet in den nachfolgenden Fällen:

  • Widerruf einer Einzel-, Gesamt- oder Filialprokura durch jeden GmbH-Geschäftsführer, wobei ein wichtiger Grund nicht erforderlich ist.
  • Amtsniederlegung durch den Prokuristen.
  • Ableben sowie Verlust der Geschäftsfähigkeit des Prokuristen.
  • Insolvenz der Gesellschaft oder des Prokuristen.
  • Bestellung des Prokuristen zum Geschäftsführer.
  • Veräußerung des Geschäftsbetriebes, Auflösung und Liquidation der Gesellschaft.
  • Zeitablauf im Falle einer befristeten Erteilung der Prokura.

Ist eine  Einzelprokura erteilt, so kann diese Prokura mit der Maßgabe widerrufen  werden, dass die bisherige Einzelprokura in eine Gesamtprokura geändert  wird.

Der Widerruf erfolgt durch einseitige, formlose, jedoch ausdrückliche Willenserklärung gegenüber den Prokuristen. Das Erlöschen der Prokura ist von den Geschäftsführern in vertretungsbefugter Zahl zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden.