Quo vadis Krise?
Welche Pflichten obliegen einem Geschäftsführer? Was ist zu tun! Eine Krise kommt nicht plötzlich: Alles beginnt harmlos, aber nach einiger Zeit des nichtreagierens ist sie wirklich da. Der folgende Beitrag befasst sich vor allem mit der Person des Geschäftsführers einer GmbH. Was sagt das Gesetz im Hinblick auf Verlust des halben Stammkapitals, negatives Eigenkapital, die Krise nach dem Eigenkapitalersatzgesetz usw.
Verlust der Hälfte des Stammkapitals
Der Zweck der Bestimmung liegt darin, den Gesellschaftern bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals substanziell eine Gegensteuerung zu ermöglichen; § 36 Abs. 2 GmbHG ist kein Schutzgesetz zu Gunsten der Gläubiger. Jeder Geschäftsführer muss (fachlich und organisatorisch) in der Lage sein, den Verlust des halben Nennkapitals zu erkennen. Die Pflichtverletzung der Geschäftsführer könnte aber gegebenenfalls als Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Abs. 4 AngG) qualifiziert werden.
Im Anlassfall ist eine unverzügliche Einberufung der Generalversammlung mit einem den Verlust des halben Stammkapital betreffenden Tagesordnungspunkt erforderlich. Allfällige Beschlüsse der Generalversammlung im Zusammenhang mit dem Verlust der Hälfte des Stammkapitals hat die Geschäftsführung dem Handelsgericht mitzuteilen. Es erfolgt keine Veröffentlichung; die Mitteilung ist nur in den Firmenbuchakt aufzunehmen (§ 12 FBG).
Die Hälfte des Stammkapitals ist verloren, wenn das Vermögen der Gesellschaft unter Berücksichtigung offener Rücklagen und stiller Reserven unter diesen Betrag sinkt.
Übersicht: Berechnungsgrundlagen
Tagfertige Salden
+ Inventurwerte
+ Abschreibung (z.B. Halbjahres-AfA)
+ Fortschreibung der Wertberichtigungen (z.B. Ausbuchung von Forderungen)
+ Neuberechnung (Anpassung) der Dienstnehmeransprüche
= mehr als die Hälfte des nominellen Stammkapitals ist verloren/nicht ver-
loren
Erstellung eines Vermögensstatus
Jeder Geschäftsführer ist verpflichtet, laufend die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu beobachten. Zeigen sich die ersten Anzeichen einer Krise, muss er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Stand der Aktiva und Passiva verschaffen. Aufgrund dieser Aufstellung hat er unverzüglich eine eingehende Analyse vorzunehmen oder eine fachkundige Bestandsaufnahme und Beratung durch Dritte zu veranlassen.
Negatives Eigenkapital (§ 225 Abs. 1 UGB)
Ist das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht, so lautet dieser Posten „negatives Eigenkapital“. Im Anhang ist zu erläutern, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt. Die Regelung des § 225 UGB enthält ergänzende Ausweisvorschriften zu einzelnen Bilanzposten. Zielsetzung ist eine Verbesserung der Aussagefähigkeit der Bilanz. Die Vorschriften sind zwingend anzuwenden. Die einzelnen Bestimmungen sehen zum Teil auch zusätzliche oder alternative Angaben im Anhang vor.
Buchmäßige Überschuldung
Die Änderung der Bezeichnung Eigenkapital durch negatives Eigenkapital ist immer dann erforderlich, wenn in der Bilanz ein Überschuss der Schulden über die Vermögensgegenstände ausgewiesen ist. Übersteigt demnach der Bilanzverlust das Nennkapital die Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen, so ist das Eigenkapital durch Verlust aufgebraucht. Aus diesem Grunde ist die bilanzierende GmbH buchmäßig überschuldet. Da eine buchmäßige Überschuldung aber noch nicht ohne weiteres sofort mit einer Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts gleichgestellt werden darf, ist im Anhang der Bilanz anzugeben, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt.
Krisendefinition nach dem Eigenkapitalersatzgesetz
1. Qualifikation als Eigenkapital?
Bei Unterschreiten der Eigenmittelquote von 8 % und Überschreiten der fiktiven Schuldentilgungsdauer (15 Jahre) ist ein Kredit nur dann Eigenkapital ersetzend (§ 2 Abs. 2 EKEG), wenn im Zeitpunkt der Kreditgewährung
- der Reorganisationsbedarf nicht durch einen gutachterlichen Gegenbeweis widerlegt wurde und
- die beiden Kennzahlen (§§ 23, 24 URG) aus dem letztem Jahresabschluss ersichtlich sind oder aus einem rechtzeitig aufgestellten Jahresabschluss ersichtlich wären oder
- der Kredit gewährende Gesellschafter weiß oder es für ihn offensichtlich sein müsste, dass ein Zwischenabschluss einen Reorganisationsbedarf dokumentieren würde.
2. Kennzahlenermittlung
Einerseits weist der Gesetzgeber den beiden Kennzahlen Eigenmittelquote (§ 23 URG) und fiktive Eigenmittelquote (§ 24 URG) im Hinblick auf die Krisenprophylaxe eine überragende Bedeutung zu; andererseits sind die beiden Kennzahlen nicht verpflichtend im Anhang des Jahresabschluss anzuführen. Eine verpflichtende Angabe erfolgt lediglich im Bericht eines Abschlussprüfers (§ 273 Abs. 2 UGB). Nachdem prüfpflichtige GmbHs die Ausnahme darstellen, ist es einem (zu einer Kreditgewährung bereiten) Gesellschafter im Regelfall nicht möglich, die beiden Kennzahlen aus der Bilanz unmittelbar herauszulesen. Die Kenntnis der beiden für das Vorliegen eines Reorganisationsbedarfs maßgeblichen Kennzahlen wird dem betreffenden Gesellschafter jedoch vom Gesetzgeber quasi abverlangt.
3. Nachforschungs- und Informationspflicht
Wurde ein Jahresabschluss nicht rechtzeitig erstellt,
- trifft den Gesellschafter eine Nachforschungs- und Informationspflicht darüber,
- ob die beiden Kennzahlen (§§ 23, 24 URG) bei einem rechtzeitig aufgestellten Jahresabschluss
- ersichtlich gewesen wären.
Lässt sich diese Erkennbarkeit der Eigenmittelquote und der fiktiven Schuldentilgungsdauer bejahen und
- hat der betreffende Gesellschafter seine Nachforschungs- und Unterlassungspflicht im Hinblick auf die auf den beiden Kennzahlen aufbauende Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft verletzt,
- liegen die Voraussetzungen für eine Umqualifizierung des gewährten Gesellschafterdarlehens in Eigenkapital vor.
Die gleichen Grundsätze gelten, wenn im letzten zeitgerecht erstellten Jahresabschluss die für eine Unternehmensreorganisation maßgeblichen Kennzahlen nicht ersichtlich waren, dem Gesellschafter jedoch bekannt oder es für ihn offensichtlich ist, das im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 EKEG ein Jahres- oder Zwischenabschluss das kumulative Über-/Unterschreiten dieser beiden Kennzahlen aufzeigen würde.
Für die gegenständliche Informationspflicht des Gesellschafters sind die anfechtungsrechtlichen Grundsätze maßgeblich, die von der Judikatur zur fahrlässigen Unkenntnis eines Insolvenztatbestandes entwickelt wurden. Demnach ist zu prüfen, ob dem betreffenden Gesellschafter Warnsignale vorliegen; in diesem Fall ist der zu einer Kreditgewährung bereite Gesellschafter zu weiteren Nachforschungen verpflichtet. Entscheidend ist hierbei,
- welche Möglichkeiten der Auskunftseinholung ihm zugänglich sind,
- ob die Heranziehung dieser Informationen zumutbar ist und
- welche konkreten Schlüsse er daraus zieht.
Umfang und Informationsgehalt der einem Gesellschafter zur Verfügung stehenden Auskunftsmöglichkeiten hängt von dessen Rechtsstellung ab; für diese ist neben dem Gesetz auch der Gesellschaftsvertrag maßgeblich. Grundsätzlich steht einem GmbH-Gesellschafter ein nicht näher zu begründender Informationsanspruch gegenüber der Gesellschaft zu, der alle Angelegenheiten der Gesellschaft umfasst. In der Beratungspraxis sind genügend Fälle bekannt, bei denen einem (berechtigten) Informationsverlangen eines GmbH-Gesellschafters durch die Geschäftsführung auf eigene Veranlassung oder durch Beschluss der Gesellschaftermehrheit nicht entsprochen wird. Während eine solche Situation im Regelfall für den Auskunft begehrenden Gesellschafter mit der persönlichen Entscheidung verbunden ist, ob die gerichtliche Geltendmachung seines Auskunftsrechts mit den damit verbunden – sagen wir – Kalamitäten dafür steht.
In der einem Gesellschafterdarlehen üblicherweise vorausgehenden Schieflage der GmbH ist die Sache für den betreffenden Gesellschafter wesentlich einfacher: ohne umfassende Informationen durch die Gesellschaft gibt’s kein Geld. Und wenn ein Gesellschafterdarlehen erst gar nicht gewährt wird, stellt sich weder die Frage der Umqualifizierung in Eigenkapital noch ob die Eigenmittelquote und fiktive Schuldentilgungsdauer im Jahresabschluss ersichtlich sein musste.
Die Nachforschungs- und Informationspflicht des zur Kreditgewährung bereiten Gesellschafters findet u. E in jenen Fällen ihre vernunftbedingten Grenzen, wenn die Kosten für einen eigens aufzustellenden Zwischenabschluss in keinem sachgerechten wirtschaftlichen Verhältnis zum Gesellschafterdarlehen stehen.
Für den Fall, dass der maßgebliche Jahres- oder Zwischenabschluss unrichtig ist und ein Gesellschafter keine Kenntnis von der Über-/Unterschreitung der Kennzahlen gemäß §§ 23, 24 URG hatte, ist er durch die sinngemäße Anwendung des § 2 Abs. 2 Z 3 EKEG geschützt, wenn der Gesellschafter unter Beachtung der Nachforschungspflichten die falschen Bilanzansätze nicht erkennen konnte.
Passivierung von Gesellschafterdarlehen
Der Eintritt der materiellen Insolvenz ist eine ausschließlich objektive Voraussetzung für eine Umqualifikation in Eigenkapital, weil
- es keiner Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis des Gesellschafters bedarf,
- um die Sperre des betreffenden Gesellschafterdarlehens zu bewirken.
Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen sind bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nur dann nicht zu passivieren, wenn die Rückstehungserklärung eines Gesellschaftergläubigers im Sinne des § 67 Abs. 3 KO vorliegt. In einem solchen Fall hat der betreffende Gesellschafter zu erklären, dass
- er Erfüllung erst nach Beseitigung eines negativen Eigenkapitals (§ 225 Abs. 1 UGB) oder
- im Falle der Auflösung der GmbH erst nach Erfüllung der übrigen Gläubiger begehrt und
- wegen seiner Forderung kein Insolvenzverfahren eröffnet werden muss.
Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen haben jedenfalls einen günstigen Einfluss auf eine positive Fortbestehensprognose. Zu diesem Ergebnis kommt man auch dann, wenn diese wegen der fehlenden Rückstehungserklärung eines Gesellschaftergläubigers in der Überschuldungsbilanz zu passivieren sind. Solange die Sperre des Gesellschafterdarlehens andauert, kann es vom Kredit gewährenden Gesellschafter nicht eingefordert werden. Diese Rechtsfolge führt dazu, dass
- Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen sowie langfristige, noch nicht fällige Verbindlichkeiten oder
- Verbindlichkeiten, für die Teilzahlungen vereinbar wurden und kein Terminverlust vorliegt,
- bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nicht zu berücksichtigen sind.
Entsperrung gemäß § 14 EKEG
Für die Aufhebung der Rückzahlungssperre ist von der nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft erforderlich; die bloße Beseitigung einer Unterbilanz ist nicht ausreichend. Die Gesellschaft ist so lange nicht saniert,
- solange sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder
- Reorganisationsbedarf besteht bzw.
- einer dieser Umstände durch Rückzahlung des Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehens eintreten würde.
Im Rahmen des Gesellschafts- und Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2003 hat der Gesetzgeber in § 67 Abs. 3 KO dadurch Klarheit geschaffen, dass Eigenkapital ersetzende Leistungen nur dann bei der Überschuldungsprüfung nicht zu berücksichtigten sind, wenn der Gläubiger erklärt, dass er Erfüllung
- erst nach Beseitigung eines negativen Eigenkapitals im Sinne des § 225 Abs. 1 UGB oder
- im Fall der Liquidation nach Erfüllung aller Gläubiger begehrt und
- wegen dieser Verbindlichkeiten kein Insolvenzverfahren eröffnet zu werden braucht.
Allerdings hat die Überschuldungsprüfung in ausschließlicher Verantwortung des Schuldners bzw. der für diese handelnden Organe zu erfolgen hat. Zum Vergleich zu den veröffentlichenden Bilanzen wird diese Überschuldungsbilanz den Gläubigern nicht bekannt, so dass diese nicht geschützt werden müssen. Daraus folgt, dass Bilanzen mit Außenwirkung, die den Gläubigern bekannt werden, derartige Darlehen als Verbindlichkeiten ausweisen müssen und nicht auf die Gläubiger das Risiko einer falschen rechtlichen Qualifikation abzuwälzen und diese über den vollständigen Stand der Verbindlichkeiten informiert zu halten.
Bei der nur für interne Zwecke und die Prüfung, ob Überschuldung vorliegt, erstellten Sonderbilanz obliegt es dem Schuldner bzw. den für ihn handelnden Organen, in Eigenverantwortung bei Beachtung der straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen, derartige Darlehen rechtlich zu qualifizieren und auch allenfalls zur Vermeidung einer Überschuldung nicht zu passivieren.
Die Rspr. hat zwar an der grundsätzlichen Passivierungspflicht an Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen festgehalten, räumt aber eine günstigere Fortbestehensprognose ein. Das Gleiche gilt auch für andere Finanzierungsleistungen (wie z.B. Haftungsübernahmen) durch die Gesellschafter, wenn diese zur Abdeckung aller Verbindlichkeiten ausreichen.
Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen nur dann nicht in der Bilanz zu passivieren, wenn qualifizierte Rangrücktritte der Gesellschafterkreditgeber vorliegen.