Quo vadis Krise?

Welche Pflichten obliegen einem Geschäftsführer? Was ist zu tun! Eine Krise kommt nicht plötzlich: Alles beginnt harmlos, aber nach einiger Zeit des nichtreagierens ist sie wirklich da. Der folgende Beitrag befasst sich vor allem mit der Person des Geschäftsführers einer GmbH. Was sagt das Gesetz im Hinblick auf Verlust des halben Stammkapitals, negatives Eigenkapital, die Krise nach dem Eigenkapitalersatzgesetz usw.

Verlust der Hälfte des Stammkapitals

Der Zweck der Bestimmung liegt darin, den Gesellschaftern bei Verlust der Hälfte des Stammkapitals substanziell eine Gegensteuerung zu ermöglichen; § 36 Abs. 2 GmbHG ist kein Schutzgesetz zu Gunsten der Gläubiger. Jeder Geschäftsführer muss (fachlich und organisatorisch) in der Lage sein, den Verlust des halben Nennkapitals zu erkennen. Die Pflichtverletzung der Geschäftsführer könnte aber gegebenenfalls als Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Abs. 4 AngG) qualifiziert werden. 

Im Anlassfall ist eine unverzügliche Einberufung der Generalversammlung mit einem den Verlust des halben Stammkapital betreffenden Tagesordnungspunkt erforderlich. Allfällige Beschlüsse der Generalversammlung im Zusammenhang mit dem Verlust der Hälfte des Stammkapitals hat die Geschäftsführung dem Handelsgericht mitzuteilen. Es erfolgt keine Veröffentlichung; die Mitteilung ist nur in den Firmenbuchakt aufzunehmen (§ 12 FBG). 

Die Hälfte des Stammkapitals ist verloren, wenn das Vermögen der Gesellschaft unter Berücksichtigung offener Rücklagen und stiller Reserven unter diesen Betrag sinkt.

Übersicht: Berechnungsgrundlagen

Tagfertige Salden 

+   Inventurwerte 

+   Abschreibung (z.B. Halbjahres-AfA)

+   Fortschreibung der Wertberichtigungen (z.B. Ausbuchung von Forderungen) 

+   Neuberechnung (Anpassung) der Dienstnehmeransprüche

 =  mehr als die Hälfte des nominellen Stammkapitals ist verloren/nicht ver-
     loren 

Erstellung eines Vermögensstatus

Jeder Geschäftsführer ist verpflichtet, lau­fend die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu beobachten. Zeigen sich die ersten Anzeichen einer Krise, muss er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Stand der Aktiva und Passiva verschaffen. Aufgrund dieser Aufstellung hat er unverzüglich eine eingehende Analyse vorzuneh­men oder eine fachkundige Bestandsaufnahme und Beratung durch Dritte zu ver­anlassen.

Negatives Eigenkapital (§ 225 Abs. 1 UGB)

Ist das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht, so lautet dieser Posten „negatives Eigenkapital“. Im Anhang ist zu erläutern, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt. Die Regelung des § 225 UGB enthält ergänzende Ausweisvorschriften zu einzelnen Bilanzposten. Zielsetzung ist eine Verbesserung der Aussagefähigkeit der Bilanz. Die Vorschriften sind zwingend anzuwenden. Die einzelnen Bestimmungen sehen zum Teil auch zusätzliche oder alternative Angaben im Anhang vor. 

Buchmäßige Überschuldung

Die Änderung der Bezeichnung Eigenkapital durch negatives Eigenkapital ist immer dann erforderlich, wenn in der Bilanz ein Überschuss der Schulden über die Vermögensgegenstände ausgewiesen ist. Übersteigt demnach der Bilanzverlust das Nennkapital die Kapitalrücklagen und Gewinnrücklagen, so ist das Eigenkapital durch Verlust aufgebraucht. Aus diesem Grunde ist die bilanzierende GmbH buchmäßig überschuldet. Da eine buchmäßige Überschuldung aber noch nicht ohne weiteres sofort mit einer Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts gleichgestellt werden darf, ist im Anhang der Bilanz anzugeben, ob eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vorliegt.

Krisendefinition nach dem Eigenkapitalersatzgesetz

1. Qualifikation als Eigenkapital?

Bei Unterschreiten der Eigenmittelquote von 8 % und Überschreiten der fiktiven Schuldentilgungsdauer (15 Jahre) ist ein Kredit nur dann Eigenkapital ersetzend (§ 2 Abs. 2 EKEG), wenn im Zeitpunkt der Kreditgewährung

2. Kennzahlenermittlung

Einerseits weist der Gesetzgeber den beiden Kennzahlen Eigenmittelquote (§ 23 URG) und fiktive Eigenmittelquote (§ 24 URG) im Hinblick auf die Krisenprophylaxe eine überragende Bedeutung zu; andererseits sind die beiden Kennzahlen nicht verpflichtend im Anhang des Jahresabschluss anzuführen. Eine verpflichtende Angabe erfolgt lediglich im Bericht eines Abschlussprüfers (§ 273 Abs. 2 UGB). Nachdem prüfpflichtige GmbHs die Ausnahme darstellen, ist es einem (zu einer Kreditgewährung bereiten) Gesellschafter im Regelfall nicht möglich, die beiden Kennzahlen aus der Bilanz unmittelbar herauszulesen. Die Kenntnis der beiden für das Vorliegen eines Reorganisationsbedarfs maßgeblichen Kennzahlen wird dem betreffenden Gesellschafter jedoch vom Gesetzgeber quasi abverlangt.

3. Nachforschungs- und Informationspflicht

Wurde ein Jahresabschluss nicht rechtzeitig erstellt, 

Lässt sich diese Erkennbarkeit der Eigenmittelquote und der fiktiven Schuldentilgungsdauer bejahen und

Die gleichen Grundsätze gelten, wenn im letzten zeitgerecht erstellten Jahresabschluss die für eine Unternehmensreorganisation maßgeblichen Kennzahlen nicht ersichtlich waren, dem Gesellschafter jedoch bekannt oder es für ihn offensichtlich ist, das im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 EKEG ein Jahres- oder Zwischenabschluss das kumulative Über-/Unterschreiten dieser beiden Kennzahlen aufzeigen würde.

Für die gegenständliche Informationspflicht des Gesellschafters sind die anfechtungsrechtlichen Grundsätze maßgeblich, die von der Judikatur zur fahrlässigen Unkenntnis eines Insolvenztatbestandes entwickelt wurden. Demnach ist zu prüfen, ob dem betreffenden Gesellschafter Warnsignale vorliegen; in diesem Fall ist der zu einer Kreditgewährung bereite Gesellschafter zu weiteren Nachforschungen verpflichtet. Entscheidend ist hierbei,

Umfang und Informationsgehalt der einem Gesellschafter zur Verfügung stehenden Auskunftsmöglichkeiten hängt von dessen Rechtsstellung ab; für diese ist neben dem Gesetz auch der Gesellschaftsvertrag maßgeblich. Grundsätzlich steht einem GmbH-Gesellschafter ein nicht näher zu begründender Informationsanspruch gegenüber  der Gesellschaft zu, der alle Angelegenheiten der Gesellschaft umfasst. In der Beratungspraxis sind genügend Fälle bekannt, bei denen einem (berechtigten) Informationsverlangen eines GmbH-Gesellschafters durch die Geschäftsführung auf eigene Veranlassung oder durch Beschluss der Gesellschaftermehrheit nicht entsprochen wird. Während eine solche Situation im Regelfall für den Auskunft begehrenden Gesellschafter mit der persönlichen Entscheidung verbunden ist, ob die gerichtliche Geltendmachung seines Auskunftsrechts mit den damit verbunden – sagen wir – Kalamitäten dafür steht.

In der einem Gesellschafterdarlehen üblicherweise vorausgehenden Schieflage der GmbH ist die Sache  für den betreffenden Gesellschafter wesentlich einfacher: ohne umfassende Informationen durch die Gesellschaft gibt’s kein Geld. Und wenn ein Gesellschafterdarlehen erst gar nicht gewährt wird, stellt sich weder die Frage der Umqualifizierung in Eigenkapital noch ob die Eigenmittelquote und fiktive Schuldentilgungsdauer im Jahresabschluss ersichtlich sein musste.

Die Nachforschungs- und Informationspflicht des zur Kreditgewährung bereiten Gesellschafters findet u. E in jenen Fällen ihre vernunftbedingten Grenzen, wenn die Kosten für einen eigens aufzustellenden Zwischenabschluss in keinem sachgerechten wirtschaftlichen Verhältnis zum Gesellschafterdarlehen stehen.

Für den Fall, dass der maßgebliche Jahres- oder Zwischenabschluss unrichtig ist und ein Gesellschafter keine Kenntnis von der Über-/Unterschreitung der Kennzahlen gemäß §§ 23, 24 URG hatte, ist er durch die sinngemäße Anwendung des § 2 Abs. 2 Z 3 EKEG geschützt, wenn der Gesellschafter unter Beachtung der Nachforschungspflichten die falschen Bilanzansätze nicht erkennen konnte. 

Passivierung von Gesellschafterdarlehen

Der Eintritt der materiellen Insolvenz ist eine ausschließlich objektive Voraussetzung für eine Umqualifikation in Eigenkapital, weil

Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen sind bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nur dann nicht zu passivieren, wenn die Rückstehungserklärung eines Gesellschaftergläubigers im Sinne des § 67 Abs. 3 KO vorliegt. In einem solchen Fall hat der betreffende Gesellschafter zu erklären, dass

Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen haben jedenfalls einen günstigen Einfluss auf eine positive Fortbestehensprognose. Zu diesem Ergebnis kommt man auch dann, wenn diese wegen der fehlenden Rückstehungserklärung eines Gesellschaftergläubigers in der Überschuldungsbilanz zu passivieren sind. Solange die Sperre des Gesellschafterdarlehens andauert, kann es vom Kredit gewährenden Gesellschafter nicht eingefordert werden. Diese Rechtsfolge führt dazu, dass 

Entsperrung gemäß § 14 EKEG

Für die Aufhebung der Rückzahlungssperre ist von der nachhaltigen Sanierung der Gesellschaft erforderlich; die bloße Beseitigung einer Unterbilanz ist nicht ausreichend. Die Gesellschaft ist so lange nicht saniert, 

Im Rahmen des Gesellschafts- und Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2003 hat der Gesetzgeber in § 67 Abs. 3 KO dadurch Klarheit geschaffen, dass Eigenkapital ersetzende Leistungen nur dann bei der Überschuldungsprüfung nicht zu berücksichtigten sind, wenn der Gläubiger erklärt, dass er Erfüllung

Allerdings hat die Überschuldungsprüfung in ausschließlicher Verantwortung des Schuldners bzw. der für diese handelnden Organe zu erfolgen hat. Zum Vergleich zu den veröffentlichenden Bilanzen wird diese Überschuldungsbilanz den Gläubigern nicht bekannt, so dass diese nicht geschützt werden müssen. Daraus folgt, dass Bilanzen mit Außenwirkung, die den Gläubigern bekannt werden, derartige Darlehen als Verbindlichkeiten ausweisen müssen und nicht auf die Gläubiger das Risiko einer falschen rechtlichen Qualifikation abzuwälzen und diese über den vollständigen Stand der Verbindlichkeiten informiert zu halten.

Bei der nur für interne Zwecke und die Prüfung, ob Überschuldung vorliegt, erstellten Sonderbilanz obliegt es dem Schuldner bzw. den für ihn handelnden Organen, in Eigenverantwortung bei Beachtung der straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen, derartige Darlehen rechtlich zu qualifizieren und auch allenfalls zur Vermeidung einer Überschuldung nicht zu passivieren. 

Die Rspr. hat zwar an der grundsätzlichen Passivierungspflicht an Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehen festgehalten, räumt aber eine günstigere Fortbestehensprognose ein. Das Gleiche gilt auch für andere Finanzierungsleistungen (wie z.B. Haftungsübernahmen) durch die Gesellschafter, wenn diese zur Abdeckung aller Verbindlichkeiten ausreichen. 

Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen nur dann nicht in der Bilanz zu passivieren, wenn qualifizierte Rangrücktritte der Gesellschafterkreditgeber vorliegen.

Braucht eine GmbH einen Aufsichtsrat?

Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft ist bei einer GmbH der Aufsichtsrat kein zwingendes Gesellschaftsorgan. Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem gesetzlich obligatorischen Aufsichtsrat erfordern eine bestimmte Unternehmensgröße und sind daher in der österreichischen Welt von fast 150.000 GmbHs seltener anzutreffen. Nichts desto weniger kann jede Gesellschaft unbeschadet gesetzlicher Pflichten einen Aufsichtsrat einrichten; die wesentlichen Rechtsfolgen werden in diesem Beitrag erörtert.

1. Rechtsgrundlagen

Aufsichtsrat ist nicht gleich Aufsichtsrat: Bei einer GmbH sind folgende Formen des Aufsichtsrates denkbar:

Beispiel

„Die Gesellschaft muss einen Aufsichtsrat haben, der aus mindestens drei und höchstens sechs Mitgliedern besteht.“

Beispiel

Wollen die Gründungsgesellschafter anlässlich der Errichtung der GmbH keinen Aufsichtsrat bestellen, andererseits jedoch eine spätere Bestellung auch nicht ausschließen, so wird die Regelung im Gesellschaftsvertrag etwa wie folgt lauten: „Wenn es das Interesse der Gesellschaft erfordert, können die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen in der Generalversammlung einen Aufsichtsrat mit mindestens drei, höchstens sechs Mitgliedern, bestellen. Der Aufsichtsrat hat in seiner ersten Sitzung einstimmig eine Geschäftsordnung, welche in schriftlicher Form kundgemacht wird, zu beschließen“.

Eine gesetzliche Aufsichtsratspflicht besteht nur, 

Eine GmbH & Co KG hat einen obligatorischen Aufsichtsratzu bestellen, wenn die  GmbH einziger persönlich haftender Gesellschafter dieser Kommanditgesellschaft ist und die Anzahl der Arbeitnehmer im Unternehmen der GmbH und in jenem der KG zusammen im Durchschnitt 300 übersteigt (§ 29 Abs 4 Z 4 GmbHG). Die Kontrollbefugnis des Aufsichtsrats umfasst auch die mittelbare GmbH-Geschäftsführung für die KG. 

Das Gericht hat einen Aufsichtsrat zu bestellen, wenn in einer Verfügung der Verwaltungsbehörde angeordnet wurde, dass die Gesellschaftsorgane sofort ihre Tätigkeit einzustellen haben (§ 94 Abs 2 GmbHG).

Von der obligatorischen Aufsichtsratspflicht gibt es jedoch auch Ausnahmen:

Mit der Errichtung eines Aufsichtsrats sind verschiedene Rechtsfolgen verbunden: Unabhängig davon, ob es sich um einen obligatorischen Aufsichtsrat aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen oder einen gesellschaftsvertraglich zwingenden Aufsichtsrat handelt, besteht eine

Die genannten Rechtsfolgen kommen bei einem gesellschaftsvertraglich fakultativen Aufsichtsrat erst ab dem Zeitpunkt seiner Errichtung zur Anwendung.

Wie so oft im Gesellschaftsrecht sind auch mit der Einrichtung eines Aufsichtsrats Vor- und Nachteile verbunden:

Die Verpflichtung zur Abschlussprüfung wird von den Gesellschaftern üblicherweise pragmatisch gesehen; nicht so ist es im Hinblick auf die gesetzliche und vielfach als Nachteil empfundene Mitbestimmung der Arbeitnehmer (iwS). Aber: damit eine solche überhaupt zum Tragen kommt, ist das Vorhandensein eines Betriebsrates zwingend erforderlich. Ist ein freiwilliger Aufsichtsrat vorhanden, kann dieser durch einen einfachen Gesellschafterbeschluss jederzeit wieder „abbestellt“ werden, wenn die Gefahr einer Mitbestimmung durch die Belegschaftsvertretung droht.

2. Der Aufsichtsrat der GmbH im Vergleich zur Aktiengesellschaft

Die Stellung des Aufsichtsratesin der GmbH unterscheidet sich von jenem einer Aktiengesellschaft vor allem durch den Umstand, dass die Generalversammlung das oberste Willensbildungsorgan ist und der Aufsichtsrat – ungeachtet der Wahrnehmung seiner ihm durch das Gesetz zwingend zugewiesenen Überwachungsaufgaben – letztlich diese übergeordnete Stellung der Generalversammlung der GmbH zu akzeptieren hat.

Die Rechte des GmbH-Aufsichtsrats sind weniger weitgehend als etwa bei einer Aktiengesellschaft im Hinblick auf die Monopolstellung als dienstrechtlicher Ansprechpartner des Vorstands. 

Wesentliche Abweichungen des GmbH-Aufsichtsrats im Vergleich zur Aktiengesellschaft sind:

  1. Aktiengesellschaften bedürfen immer eines Aufsichtsrates, GmbHs nur in den im § 29 Abs 1 GmbHG genannten Fällen.
  2. Entgegen den Bestimmungen des § 86 AktG gibt es im Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung keine Begrenzung für die Zahl der Mitglieder im Aufsichtsrat.
  3. Die Quote entsandter Aufsichtsratsmitglieder ist nicht beschränkt (§ 30c Abs 3 GmbHG).
  4. Dem Aufsichtsrat der GmbH obliegt nicht die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern. Ihm kommt kraft Gesetz keine Personalkompetenz über die Geschäftsführer zu; eine solche kann dem Aufsichtsrat durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung oder durch Gesellschafterbeschluss zugewiesen werden.
  5. Dem GmbH-Aufsichtsrat obliegt keine Zustimmung zur Erteilung einer Prokura, doch kann ihm diese durch entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag zugewiesen werden.
  6. Es besteht Berichtspflicht des Aufsichtsrates gegenüber der Generalversammlung für zwischen der Gesellschaft und den Geschäftsführern abgeschlossene Geschäfte (§ 32 iVm § 25 Abs 4 GmbHG).
  7. Der Aufsichtsrat der GmbH ist wie jener der Aktiengesellschaft nicht weisungsgebunden und den Interessen der Gesellschaft verpflichtet. Die Generalversammlung ist jedoch oberstes Organ der GmbH; sie kann demnach jederzeit durch Gesellschafterbeschluss einen Beschluss des Aufsichtsrates außer Kraft setzen.
  8. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden kommen keine Kompetenzen im Hinblick auf den Vorsitz in der Generalversammlung der GmbH zu. 
  9. Der Aufsichtsrat kann aus seiner Mitte ein Mitglied zum Vertreter eines verhinderten Geschäftsführers bestellen (§ 30e Abs 2 GmbHG).
  10. Für GmbH-Geschäftsführer gibt es keine Cooling-off-Regelung: Ein nahtloser Wechsel von der Geschäftsführungsfunktion in den Aufsichtsrat – sogar als dessen Vorsitzender – ist zulässig. 

3. Gesellschaftsvertragliche Regelungen

Unbeschadet der Tatsache, dass eine GmbH mit Aufsichtsrat eher exotischen Charakter hat, wird dieses Organ im Gesetz sehr umfassend geregelt; das Gesetz lässt eine Vielzahl von Gestaltungsalternativen zu, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird. 

Zulässige gesellschaftsvertragliche Regelungen sind insbesondere

1. Festlegung einer besonderen Qualifikation für die von der Generalversammlung gewählten oder einzelnen Gesellschafter entsendeten Aufsichtsratsmitglieder.

2. Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden durch die Generalversammlung.

Beispiel:

„Die Generalversammlung wählt den Vorsitzenden des Aufsichtsrats und einen (zwei) Stellvertreter. Eine Ersatzbestellung hat unverzüglich zu erfolgen, wenn der Vorsitzende oder sein Stellvertreter aus dieser Funktion ausscheiden.“

3. Einräumung eines Entsendungsrechtes für bestimmte Gesellschafter unter der Voraussetzung, dass die Übertragung des betreffenden Geschäftsanteiles an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist (§ 30c Abs 2 GmbHG).

Beispiel:

 „Dem Gesellschafter Gustav Glück ist das höchstpersönliche Sonderrecht eingeräumt, eine Person seiner Wahl in den Aufsichtsrat zu entsenden und nach eigenem Ermessen auch wieder abzuberufen.“

4. Vereinbarung von Nominierungsrechten.

Beispiel:

 „Dem Gesellschafter Gustav Glück steht das Sonderrecht zu, drei Personen seiner Wahl zur Nominierung als Aufsichtsratsmitglied vorzuschlagen. Die übrigen Gesellschafter sind verpflichtet, einer dieser namhaft gemachten Personen in den Aufsichtsrat der Gesellschaft zu wählen.“

5. Festlegung eines Mindestanwesenheitsquorums bei Aufsichtsratssitzungen. 

Beispiel:

„Für die Beschlussfassung im Aufsichtsrat ist die Anwesenheit von mindestens sechs Mitgliedern erforderlich. Wird dieses Quorum nicht erreicht, hat sich der Aufsichtsrat ohne Beschlussfassung zu vertagen. Der Vorsitzende hat unverzüglich eine neuerliche Aufsichtsratssitzung mit den gleichen Tagesordnungspunkten einzuberufen. Die vertagte Aufsichtsratssitzung ist unabhängig von der Anzahl seiner anwesenden Mitglieder zur Beschlussfassung berechtigt; auf diese Rechtsfolge hat der Vorsitzende in der neuerlichen Einladung ausdrücklich hinzuweisen.“

6. Erweiterung der zustimmungsbedürftigen Geschäfte und Maßnahmen über das Ausmaß des § 30j Abs 5 GmbHGhinaus.

Beispiel:

„Die von der Geschäftsführung beabsichtigte Erteilung einer Prokura oder Handlungsvollmacht für den gesamten Geschäftsbetrieb bedarf der vorherigen Genehmigung durch den Aufsichtsrat.“

7. Zuweisung einer Personalkompetenz über die Geschäftsführung.

Beispiel:

 „Der Aufsichtsrat ist mit Ausnahme ihrer Bestellung und Abberufung dienstrechtlicher Ansprechpartner der Geschäftsführer; ihm obliegen insbesondere der Abschluss von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern und die Genehmigung der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung.“

8. Ausdrückliche Vertretungsmöglichkeit von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 30j Abs 6 GmbHG).

Beispiel:

„Ein Aufsichtsratsmitglied kann ein anderes Mitglied schriftlich mit seiner Vertretung bei einer einzelnen Sitzung einschließlich der rechtswirksamen Ausübung des Stimmrechts bevollmächtigen; das vertretene Auf­sichtsratsmitglied ist bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit einer Sitzung nicht mitzuzählen. Das Recht, den Vorsitz der Aufsichtsratssitzung zu führen, kann nicht übertragen werden. Ein Aufsichtsratsmitglied kann nur ein einziges anderes Aufsichtsratsmitglied vertreten. Eine Vertretung ist bei einer Beschlussfassung auf schriftlichem Wege nicht zulässig.“

9. Regelung, dass ein Aufsichtsratsmitglied bei Plenums- oder Ausschusssitzungen durch schriftlich ermächtigte Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, schriftliche Stimmabgaben überreichen lassen kann (§ 30h Abs 3 GmbHG).

10. Beschränkung des nach § 30h Abs 2 GmbHG grundsätzlich jedem Aufsichtsratsmitgliedes zustehenden Rechtes, an Sitzungen von Ausschüssen, denen das Aufsichtsratsmitglied nicht angehört, teilzunehmen. 

11. Regelung einer Ersatzmitgliedschaft im Aufsichtsrat.

Beispiel:

„Die Gesellschafter können für die von ihnen zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder Ersatzmitglieder bestellen, die nach den näheren Bestimmungen durch die Gesellschafter Mitglieder des Aufsichtsrates werden, wenn ein Aufsichtsratsmitglied vorzeitig aus dem Amt ausscheidet, ohne dass im Zeitpunkt des Ausscheidens dafür ein anderes Mitglied auf Grund einer Nachfolge in den Aufsichtsrat gewählt worden ist.“ 

12. Übertragung sonstiger Obliegenheiten im Sinne des § 30l Abs 4 GmbHG.

Beispiel:

Dem Aufsichtsrat können durch eine konkrete Regelung im Gesellschaftsvertrag verschiedene weitere Befugnisse eingeräumt werden, darunter fallen insbesondere 

4. Aufgaben und besondere Pflichten des Aufsichtsrats

4.1. Grundsätzliches

Die wesentliche Tätigkeit eines Aufsichtsrats lässt sich aus dem Wortstamm ableiten: Aufsicht führen und Rat geben. Unter Aufsicht führen fällt ein viel umfangreicheres Spektrum als eine reine Kontrolltätigkeit. Der zweite Teil des Wortstammes – Rat geben – wird gerade bei GmbHs mit der kraft Gesetz eher schwachen Stellung des Aufsichtsrats vielfach nicht als sehr willkommen angesehen. Der Aufsichtsrat ist jedenfalls in die strategische Planung der Gesellschaft einzubinden.

4.2. Überwachung der Geschäftsführung

Die Hauptaufgabe des Aufsichtsratesist die Überwachung der GmbH-Geschäftsführung der GmbH in allen ihren wesentlichen Bereichen, insbesondere ob die Geschäfte

Der Aufsichtsrat hat auch die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes durch die Geschäftsführer zu überwachen. Etwaigen Mängeln der Geschäftsführung kann der Aufsichtsrat im Regelfall nicht selbst entgegentreten; er hat vielmehr die Generalversammlung mit dieser Angelegenheit zu befassen.

4.3. im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss

Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluss, den Vorschlag für die Gewinnverteilung sowie einen allfälligen Lagebericht zu prüfen und der Generalversammlung darüber zu berichten. Bei jenen Sitzungen des Aufsichtsrats, die sich mit der Feststellung des Jahresabschlusses, deren Vorbereitung sowie mit seiner Prüfung beschäftigen, ist jedenfalls der Abschlussprüfer beizuziehen (§ 30k Abs 1 GmbHG). Sofern der Aufsichtsrat aus mehr als fünf Mitgliedern besteht, ist jedenfalls ein Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat einzurichten (§ 30g Abs 4a GmbHG).

4.4. in der Krise der Gesellschaft

Im Falle einer insolvenzrechtlich maßgeblichen Unternehmenskrise hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung unter anderem zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu veranlassen. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass in der Krise der Aufsichtsrat seine Aufgaben noch intensiver wahrzunehmen hat als im gesellschaftlichen Normalbetrieb; dazu gehört auch eine Erhöhung der Anzahl der Aufsichtsratssitzungen.

4.5. Einberufung einer Generalversammlung

Der Aufsichtsrat als Kollegialorgan (nicht hingegen seine einzelnen Mitglieder) ist berechtigt und verpflichtet, eine Generalversammlung einzuberufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist (§ 30j Abs 4 GmbHG). Die Einberufung der Generalversammlung ist bei Vorliegen der hierfür erforderlichen Gründe zwingend. Zuständig für die Einberufung einer Generalversammlung ist der gesamte Aufsichtsrat. Die Einberufungskompetenz des Aufsichtsrates umfasst auch die Befugnis, eine Ergänzung der Tagesordnung zu verlangen.

Beispiel:

Die Einberufung einer Generalversammlung durch den Aufsichtsrat kann erforderlich sein

4.6. Zustimmungspflichtige Geschäfte

In § 30j Abs 5 GmbHGist geregelt, welche Rechtsgeschäfte bzw. Handlungen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen. 

Wiewohl im § 30j Abs 5 GmbHG wörtlich ausgeführt ist „… doch nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden sollen“, ist darunter ein rechtliches ,,Müssen“ zu verstehen. Die Geschäftsführer sind also verpflichtet, vor Durchführung einer der genannten Maßnahmen den Aufsichtsrat damit zu befassen. Ist dies aus dringenden Fällen ausnahmsweise nicht möglich, ist die nachträgliche Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen. Die Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates haben verbindliche Wirkung nur im Innenverhältnis der Gesellschaft. 

4.7. Besorgung dienstrechtlicher Angelegenheiten gegenüber den Geschäftsführern

Ob die Bestellung oder Abberufung der GmbH-Geschäftsführer dem Aufsichtsrat übertragen werden kann oder zwingend der Generalversammlung obliegen muss, ist strittig. Dem Aufsichtsrat hingegen darf der Abschluss des Anstellungsvertrages mit dem Geschäftsführer übertragen werden. Hierzu bedarf es allerdings einer diesbezüglichen Regelung im Gesellschaftsvertrag. Der Aufsichtsrat kann allgemein oder durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag zum dienstrechtlichen Ansprechpartner der Geschäftsführer gemacht werden. In einem solchen Fall obliegt dem Aufsichtsrat neben der Überwachung der Einhaltung des Wettbewerbsverbotes auch die Zustimmung zur Ausübung einer Konkurrenztätigkeit (teilweise oder gänzliche Aufhebung des Wettbewerbsverbotes gemäß § 24 GmbHG) des Geschäftsführers.

Der betriebliche Generationswechsel – Die Hitliste der (Miss-)Erfolge

In der heutigen GmbH-Ecke wird das Namensgebende Thema insoweit ausgedehnt, als ein betrieblicher Generationenwechsel in sehr vielen Fällen in der Rechtsform einer GmbH seinen Abschluss findet. Der Beitrag behandelt aber weniger die Rechtsform als vielmehr die Übergabestrategie. Mit Hilfe von zehn Thesen wird der Versuch unternommen, sich dem betrieblichen Generationenwechsel im weiteren Sinne behutsam zu nähern.

Erste These: Die Nachfolge beginnt früher als man denkt

Ein betrieblicher Generationenwechsel beginnt viel früher, als wir alle denken: nämlich dann, wenn die Kinder wahrnehmen, wie sehr sich die Eltern im Unternehmen plagen … oder eben nicht.

Jeder Unternehmer versucht seinen Betrieb in einem guten Licht darzustellen; warum nicht auch gegenüber der Familie? Es wird immer Siege und Niederlagen geben, aber eine lebenslange Pein …?

Meine Empfehlung geht (vielleicht) über Ihre Kernkompetenz hinaus: Sorgen Sie dafür, dass bei ihren Mandanten zwischen der Generalversammlung und einem familiären Mittagstisch doch wieder ein Unterschied erkennbar ist.

Zweite These: Die Mär des immerwährenden Unternehmens-bestandes

Ein Unternehmen ist ein von seinen Eigentümern losgelöstes System wirtschaftlichen Handelns; auch wenn man es angesichts mancher Patriarchen nicht für möglich halten würde: Theoretisch kann ein Unternehmen immerwährenden Bestand haben; die Praxis sieht freilich anders aus.

Es geht auch nach einem weiter … wenn man es richtig macht!

Empfehlung: Niemand ist näher am Ohr des Unternehmers als der Steuerberater oder Bilanzbuchhalter. Stellen Sie doch ihrem Mandanten im Zuge einer Bilanzbesprechung die Frage, wie es mit dem Unternehmen einmal weitergehen soll. Und wiederholen Sie die Frage, wenn Sie beim letzten Mal keine schlüssige Antwort erhalten haben.

Dritte These: Ohne den Willen zur Übergabe geht es nicht

Ein betrieblicher Generationenwechsel gegen jemanden ist denkunmöglich. Wenn der gegenwärtiger Eigentümer eines Unternehmens, Inhaber von Geschäftsanteilen, usw. nicht abgeben möchte, dann gibt es keine geordnete Übergabe zu Lebzeiten.  

Ein krampfhaftes nicht loslassen können hängt vielfach damit zusammen, dass die Vorbereitung auf das sog. dritte Leben – die Zeit nach Beendigung der Erwerbstätigkeit – schlichtweg nicht erfolgt ist. 

Empfehlungen:

Machen Sie Ihrem Mandanten klar, dass er gerade dabei ist, sein Lebenswerk zu versenken. Skizzieren Sie in anschaulichen Bildern, was passieren kann, wenn nichts passiert. 

Signalisieren Sie, dass der Rückzug nicht auf einen Schlag, sondern sukzessive auf Grundlage vereinbarter Schritte erfolgt. 

Vierte These: Identifikation des Nachfolgers

Es geht vor allem um die Frage wer soll es sein? Steht der gewünschte Nachfolger (aus der Familie) zur Verfügung? Weiß er von seinem Glück?

Viele Unternehmer wollen, dass es nach ihnen (im Wesentlichen) so weiter geht wie mit ihnen.

Empfehlungen:

Stellen Sie (viele) Fragen (Wer fragt, der lenkt):

Fünfte These: Ein Generationenwechsel ist ein gesamtheitlicher Prozess 

Eine Betriebsübergabe ist wie ein Hausbau: er will geplant sein und am Ende soll ein brauchbares Ergebnis erzielt werden. Viele unternehmerische Aktivitäten werden im Detail geplant; auf die Vereinbarung von Etappen beim betrieblichen Generationenwechsel wird häufig vergessen. 

Die Anforderungen an eine Prozessorientierung sind vielfältig; hier eine kleine Auswahl:

Empfehlung: Erstellen Sie mit Ihren Mandanten einen realistischen Zeitplan für den Übergabeprozess, der die berechtigten Interessen sowohl des Übergebers als auch des Übernehmers berücksichtigt. Drängen Sie auf die Einhaltung der vereinbarten Etappen des betrieblichen Generationenwechsels. 

Sechste These: Denken in Alternativen

Betriebsübergaben sind so verschieden wie die Vorstellungen der Betroffenen darüber. Im günstigsten Fall hat Ihr Mandant eine Wunschlösung parat; im ungünstigsten Fall hält er sich für unsterblich. 

Zwischen schwarz und weiß gibt es noch grau in einer Vielzahl von Schattierungen. In der Praxis kommen die unterschiedlichsten Beteiligung- und Gesellschaftsformen genauso in Frage wie ein (für die Familie bis dahin völlig unbekanntes) Fremdmanagement, die Errichtung einer Privatstiftung, die Veräußerung des Unternehmens, management buy-out und vieles andere mehr.

Empfehlung: Motivieren Sie Ihren Mandanten, auch einmal über den von ihm selbst festgelegten Tellerrand zu schauen. Unterbreiten Sie Vorschläge für alternative Nachfolgemodelle und stellen Sie deren Vorteile augenscheinlich dar.

Siebente These: Unterschiedliche Meinungen sind wichtig

Das Unternehmen steht sowohl innerhalb einer Familie als auch bei potenziellen Investoren im Vordergrund. Das ist verständlich: die Familie lebt davon und will – genauso wie betroffene Dritte – mit dem Unternehmen Geld verdienen. Über den Weg zum Erfolg bestehen jedoch unterschiedliche Vorstellungen.

Unterschiedliche Auffassungen führen zum Überdenken langjähriger Strukturen. Unter diesem Aspekt ist eine Betriebsübergabe ohne Konflikte gar nicht wünschenswert. Es kommt lediglich darauf an, wie diese ausgetragen werden …

Empfehlung:

Übergeber und Übernehmer sollen ihre Vorstellungen im Hinblick auf die künftige Unternehmensstrategie sowie die Einschätzung der gegenwärtigen betrieblichen Situation (etwa durch Ausarbeitung eines Stärken-Schwächen-Profils) getrennt erarbeiten. Aufgabe beizuziehender externer Berater ist es, im Moderationswege diese Einzelziele zu einem Gesamtziel zu formen, mit dem alle Betroffenen zufrieden sind. Jede Zielerarbeitung wird scheitern, wenn Persönliches zwischen Übergeber und Übernehmer (noch) nicht ausgeräumt ist. Aus diesem Grunde gilt: Beziehungsprobleme sind vorrangig zu lösen; erst danach kann auf die Sachebene übergegangen werden.

Achte These: Erst Sanierung, dann Übergabe

Eine wirtschaftliche Krise orientiert sich nicht am Lebensalter des Unternehmers. Wirtschaftliche Probleme und ein unstrukturierter Generationenwechsel sind eine Existenzgefährdung x 2.

Sanierung bedeutet, dass 

Auch die Banken sind an einer gedeihlichen Entwicklung ihrer Kunden in der nächsten Generation interessiert: ein 40-jähriger kann einen langfristigen Kredit leichter zurückzahlen als ein 70-jähriger; das leuchtet ein. Die Person des Betriebsnachfolgers ist meistens in der Lage, das unter Umstände angespannte Verhältnis des Seniors zur Hausbank zu entkrampfen.  

Empfehlung: Machen Sie als Berater Ihres Mandanten der Hausbank klar, 

Bei aller Verbundenheit zum Altunternehmer: schauen Sie auf seine Nachfolger; sie werden es Ihnen danken. Geben Sie Ihr o. k. zur Übernahme, wenn auch ohne phantasievolle Ertragsaussichten das Unternehmen Erfolg versprechend geführt werden kann.

Neunte These: Eine zweite Chance ist die Ausnahme

Der betriebliche Generationenwechsel ist im Lebenszyklus eines Unternehmens etwas völlig normales. Aber: er kommt in einer Eigentümergeneration nur einmal vor … und man bekommt nur selten eine zweite Chance.

Für jeden Unternehmer ist der Gedanke an eine Betriebsübergabe etwas Neues, wofür es – im Gegensatz zum Tagesgeschäft – (fast) keine Erfahrungswerte im eigenen Betrieb geben kann.

Empfehlung: Der Unternehmer – Ihr Kunde (!) – benötigt für eine erfolgreiche Betriebsübergabe als strategischen Prozess Ihre Expertise: nicht nur fachlich (es geht um mehr als Bilanzierung und Steuern), sondern auch in menschlicher Hinsicht (Stichwort: Emotionen, Ängste, usw.) und vor allem im Hinblick auf das Projektmanagement.

Zehnte These: Die Bedeutung einer richtigen Beratung

Die Übertragung von Vermögen ist ein anspruchsvoller Mix aus wirtschaftlichen, zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Faktoren; vom Emotionalen einmal ganz zu schweigen. Niemand wird daher einen betrieblichen Generationenwechsel ohne Beiziehung externer Konsulenten schaffen.

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Angehörige der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe zu einer Verrechtlichung des Übergabe Prozesses neigen, in den zur Diskussion stehenden Gestaltungsalternativen vordergründig Probleme erblicken und (zu) ausgeprägt die steuerliche Optimierung vor Augen haben. Mehrere Berater tragen zu dem häufig zur Verunsicherung ihrer Auftraggeber bei.

Empfehlung:

Lassen Sie nach einer grundsätzlichen Information über die Rahmenbedingungen eines betrieblichen Generationenwechsels bzw. der Übertragung von Vermögen Ihren Mandanten freien Lauf bei der Entwicklung kreativer Gestaltungsalternativen. Bremsen Sie in diesem Stadium niemanden mit rechtlichen Detailproblemen ein – die es mit Sicherheit geben wird. Geben Sie bitte dem Steuerrecht jene Bedeutung, die ihm zukommen sollte: es ist Bestandteil einer Betriebsübergabe – aber auch nicht mehr. Mehrere beigezogene Berater sollten nach Möglichkeit die gleichen Empfehlungen aussprechen. Es ist völlig kontraproduktiv, rechtliche Fragen vor den Mandanten auszudiskutieren. Ihr Kunde versteht es wahrscheinlich nicht und wird zudem im höchsten Maße verunsichert. Übernehmen Sie eine Steuerungs- und Koordinierungsfunktion zwischen allen involvierten Beratern: Ihre Mandanten werden es zu schätzen wissen. 

Jede These fordert (fördert) auch Antithesen. Schreiben Sie mir bitte Ihre Meinung: team@kanzleifritz.at

Was ist, wenn die Sanierung einer GmbH nicht gelingt? – Grundsätzliches zur Beraterhaftung

Die zunehmende Verrechtlichung unseres Lebens führt auch dazu, dass die Haftung von Beratern ein Thema wird; dies gilt insbesondere für die Tätigkeit als Sanierungsberater in der wirtschaftlichen Krise einer GmbH. Der folgende Beitrag befasst sich mit möglichen Haftungsgefahren all jener Personen, die sich zur Sanierung von Unternehmen – neben den hiezu verpflichteten Organen von Kapitalgesellschaften – zur Sanierung berufen fühlen (Wirtschaftstreuhänder, Bilanzbuchhalter, Sachverständige. Unternehmensberater, Rechtsanwälte, usw.). 

1. Das Sanierungsrisiko im Allgemeinen 

Die Krise eines Unternehmens kann meist ohne Mitwirkung externer Berater kaum überwunden werden. Jede Unternehmenssanierung ist aber mit Risiken verbunden. Gelingt eine Sanierung ist alles in Ordnung und die Geschäftsführer als Auftraggeber sowie die Gesellschafter werden zufrieden sein. Scheitert eine Sanierung wird regelmäßig nach Ursachen und Verantwortlichen gesucht. Allzu oft können für externe Berater erhebliche Haftungsprobleme entstehen. Für das finanzierende Kreditinstitut steht dabei vor allem das Ausfallsrisiko im Vordergrund. Nicht nur bereits vor der Krise gewährte Kredite sind gefährdet, sondern auch die zur Beseitigung der Krise notwendigen weiteren Mittel wie Überbrückungs- und Sanierungskredite stehen auf dem Prüfstand der Anfechtung durch den Masseverwalter. 

2. Die Haftung des Sanierungsberaters

Führen Ertrags- und Liquiditätsprobleme eines Unternehmens zu einer Krise, drängen Gesellschafter und Banken, wird – und wir empfehlen dies ja dringend – ein externer Berater gerufen. Nicht immer wird dieser neben dem Geschäftsführer tätig und erteilt diesem Ratschläge. Vielmehr wird seitens der Gesellschafter und der Banken (manchmal auch durch die Geschäftsführung selbst) dieser externe Berater ersucht, selbst eine Organfunktion in der Gesellschaft zu übernehmen. Für den externen Berater stellt sich nun die Frage, ob er lediglich unternehmensintern auf die Entscheidungen der Geschäftsführung einwirken, (also keine faktische Geschäftsführung übernehmen möchte) oder aber durch eigenes Handeln gegenüber Außenstehenden wie ein Geschäftsführer, (also in faktischer Geschäftsführungsfunktion) auftreten möchte. 

Der deutsche BGH hat in seiner Entscheidung die Kriterien festgelegt, unter welchen von einer faktischen Geschäftsführung gesprochen werden kann oder wann es sich lediglich um eine extensive Wahrnehmung sehr weit gehender Zuständigkeiten handelt. Dabei kommt es für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat. 

3. Wann liegt eine faktische Geschäftsführung vor?

Noch bedeutender ist der Fall, dass anstelle oder neben dem bestellten Geschäftsführer Tätigkeiten durch den Berater ausgeübt werden, von denen der Rechtsverkehr eigentlich Geschäftsführungskompetenz verlangt, ohne das überhaupt ein Bestellungsakt vorliegt. Rechtlich gesehen ist dieses Handeln für die Gesellschaft grundsätzlich unwirksam, duldet oder gestattet die Gesellschaft jedoch dieses Handeln muss sie sich dieses nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinensvollmacht zurechnen lassen. Doch welche Tätigkeiten sind dem Sanierungsberater erlaubt, ohne dass er sich der Gefahr einer Haftung aus faktischer Geschäftsführung aussetzt? 

Anhaltspunkte für eine faktische Geschäftsführung sind unter anderem

Der faktische Geschäftsführer muss an diesen Tätigkeiten einen maßgeblichen Anteil haben. Die reine Delegation und die bloße Durchführung von Entscheidungen reichen nicht aus. Die Rspr. geht – abstrakt – von einer überragenden Stellung des faktischen Geschäftsführers aus: darunter ist u. E. nur die gleichzeitige Erfüllung mehrerer Merkmale ausreichend, um die weit reichenden persönlichen Konsequenzen zu rechtfertigen. Wenn ein Sanierungsberater als Geschäftsführer tätig wird, gehen alle diesem obliegenden Haftungen (auch gegenüber Neugläubigern) auf den Berater über.

Die Haftung als Sanierungsberater besteht insbesondere in folgenden Ausprägungsformen:

Diesen doch sehr weitgehenden Haftungsgefahren kann m. E. praxisgerecht entgegen getreten werden durch einen klaren schriftlichen Auftrag mit genauer Beschreibung des Auftrags sowie eine ausreichende Dokumentation über den Ablauf der Sanierungsberatung. Wenn auf allgemeine Geschäftsbedingungen verwiesen wird, so sollte der Auftraggeber nachweislich die Möglichkeit haben, in diese auch Einsicht zu nehmen. Unerlässlich ist es zudem, im konkreten Beratungsmandat auch den Auftragszeitpunkt festzuhalten. 

4. Vermeidung von Haftungsrisiken aus faktischer Geschäftsführung

Dont´s. Im Hinblick auf die persönliche Haftung als schädlich erweisen sich beispielsweise die beherrschende Einflussnahme auf Schuldner durch Steuerung über Management, sowie  Lenkungsausschüsse etc. zum Nachteil von Gläubigern. Um hier Haftungen für den Berater zu minimieren erweist sich der Einsatz eines professionellen Interimsmanagements und deren Bestellung als offizielles Organ als vorteilhaft. 

Zu den gefährlichen Einflussnahmen zählt auch die vollständige Kontrolle des Zahlungsverkehrs. Als Berater sollten nur Empfehlungen unterbreitet werden; die sich darauf stützenden Entscheidungen sind in formeller Hinsicht von der Geschäftsführung zu treffen. 

Auftragsdokumentation. Vor Beginn der eigentlichen Beratung ist mit dem Mandanten der eigentliche Auftrag umfassend zu besprechen. Der externe Berater sollte schon aus eigenem Interesse, eben um persönlichen Haftungen zu entgehen, dabei äußerst sorgfältig sein. Zunächst sollte der Auftrag im Detail schriftlich niedergeschrieben und vereinbart werden, ob es sich bei dem Auftrag nur um ein Sanierungskonzept handelt, oder ob auch die Umsetzung desselben Gegenstand des Auftrages ist. Wesentlich wird auch sein, inwieweit der Berater als faktischer Geschäftsführung verpflichtet wird. Gerade in dem Bereich, in welchem bei faktischer Geschäftsführung Haftungsprobleme auftauchen können, ist eine ordnungsgemäße Dokumentation schon aus eigenem Interesse dringend geboten. Wesentlich ist aber auch die Dokumentation der Beratungsschritte, Gesprächsprotokolle und eventuell Korrespondenzen. Der regelmäßige Kontakt mit der Geschäftsführung über jeden einzelnen Sanierungsschritt sollte umfassend niedergeschrieben werden. Der Vorwurf einer allfälligen Sorgfaltspflicht kann nur durch eine umfassende Dokumentation der gesetzten Sanierungsschritte widerlegt werden. Der Berater kann dann jederzeit auf seinen Auftrag zurückgreifen. 

5. Rechtsfolgen der faktischen Geschäftsführung

Der faktische Geschäftsführer wird wie ein ordentlich bestellter Geschäftsführer behandelt. Entsteht durch das Handeln des faktischen Geschäftsführers ein Nachteil für das Unternehmen oder wirkt sich dieses Handeln später im Insolvenzfalle für dessen Gläubiger massemindernd aus, so haftet der Berater hierfür ggf. mit seinem Privatvermögen unbeschränkt. 

Übernimmt nun der vom Sanierungsberater zum -manager mutierte Berater ausdrücklich eine Organfunktion, lässt er sich also zum Geschäftsführer oder Vorstand bestellen, so räumt er damit ein, dass er auch haftungsrechtliche Verantwortung übernimmt. Es gelten die gesetzlichen Regelungen für Schadensersatz und Insolvenzantragspflicht, deren Nichtbeachtung zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Quo vadis GmbH & Co KG?

Die GmbH & Co KG ist als Sonderfall einer KG eine Personengesellschaft, deren Komplementär entweder eine GmbH ist oder dem Kreise der Komplementäre eine GmbH angehört. Und genau hier liegt der entscheidende Unterschied: Die Kernfrage lautet, ob es in der GmbH & Co KG eine physische Personen, also unbeschränkt haftenden Gesellschafter, gibt oder nicht. An die Beantwortung dieser Ausgangslage sind Rechtsfolgen geknüpft.

Eine gesetzliche Gleichstellung jener GmbH & Co KG´s bei der keine natürliche Person unbeschränkt haftender Gesellschafter ist, mit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, erfolgt in folgenden Bereichen:

Angesichts der oben dargestellten Fälle der Gleichstellung mit einer GmbH stellt sich naturgemäß die Frage, wann eine Kommanditgesellschaft wie eine klassische KG und in welchen Fällen sie wie eine kapitalistische GmbH & Co KG zu behandeln ist.

Beispiel 1:

Ausgangslage ist eine Familien-KG, bei welcher der Vater („Anton“) als Familienoberhaupt einziger unbeschränkt haftender Gesellschafter ist.

vorher:

Durch die Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension ist es erforderlich, dass Anton seine Rechtsstellung in die eines Kommanditisten ändert. Wenn sich niemand aus der Familie bereit erklärt, die Funktion eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters zu übernehmen, bleibt nur die Errichtung einer Komplementär-GmbH, die am Vermögen der KG nicht beteiligt ist. An den Vermögensverhältnissen der vier Familiengesellschafter ändert sich nichts; der Vorgang führt jedoch zu einer Strukturänderung in eine GmbH & Co KG.

nachher:

Dadurch, dass keine physische Person mehr unbeschränkt haftender Gesellschafter ist, liegt eine kapitalistische GmbH & Co KG vor. Die Beteiligungs- und Machtverhältnisse in der Komplementärgesellschaft spielen insoweit keine Rolle.

Beispiel 2:

Der Komplementär ist eine physische Person, die vier Kommanditisten sind GmbHs.

Es handelt sich um eine echte KG (ohne den Rechtsformzusatz GmbH & Co KG), weil der einzige Komplementär eine physische Person ist. 

Beispiel 3:

An der Gesellschaft sind zwei Komplementäre beteiligt; zwischen diesen gelten die Bestimmungen über die offene Gesellschaft.

Es handelt sich um eine echte KG, weil mindestens ein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Beispiel 4:

Bei einer Familiengesellschaft ist die Willensbildung der beiden Familienstämme in jeweils einer Komplementärgesellschaft gebündelt.

Es liegt eine kapitalistische GmbH & Co KG vor, weil zwar die beiden Komplementäre unbeschränkt, primär, unmittelbar und solidarisch (mit ihrem üblicherweise gering gehaltenen Vermögen) haften, aber keine physische Person die Rechtsstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters einnimmt.

Beispiel 5:

Bei diesem Gestaltungsmodell wird zwar die Geschäftsführung der KG durch die Organe einer Komplementärgesellschaft wahrgenommen. Eine physische Person ist für jeweils ein Geschäftsjahr als unbeschränkt haftender Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen um hernach wiederum in die Funktion eines Kommanditisten zu wechseln.

Beteiligungsstruktur 2012: 

Beteiligungsstruktur 2013:

Durch die alljährliche Rochade einer natürlichen Person in die Rechtsstellung eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters handelt es sich um eine echte KG; die für eine GmbH geltenden Bestimmungen sind nicht anzuwenden.

Wenn bei einer GmbH & Co OG kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, die unbeschränkt haftet, dann gelten die Ausführungen für eine kapitalistische GmbH & Co KG sinngemäß.

Beispiel 6:

Die Beteiligungsstruktur einer GmbH & Co OG stellt sich folgendermaßen dar.

In Anbetracht der Tatsache, dass keine physische Person an der Gesellschaft beteiligt ist, handelt es sich um einen Anwendungsfall einer kapitalistischen Personengesellschaft.

Ist hingegen der einzige oder einer von mehreren dieser OG-Gesellschafter eine natürliche Person – wenn auch auf der den Kommanditisten zugedachten Ebne – dann sind auf diesen (wohl eher ausnahmsweisen) Fall die für kapitalistische Personengesellschaften geltenden Sonderbestimmungen nicht anzuwenden.

Beispiel 7:

Kein Anwendungsfall einer kapitalistischen Personengesellschaft liegt hingegen bei nachfolgender Konstellation vor.

Beispiel 8:

Dasselbe gilt, wenn eine natürliche Person auf der organisationsrechtlichen Ebene eines Kommanditisten als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt ist.

Nachdem es bei einer Offenen Gesellschaft im Gegensatz zur KG eine einheitliche Haftungsordnung gibt, spielt es keine Rolle, auf welcher Ebene eine natürliche Person als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt ist.

Ziehen wir ein Zwischenresümee: Wenn an einer GmbH & Co KG keine natürliche Person als unbeschränkt haftender Gesellschafter beteiligt ist, dann gilt das „volle“ GmbH-Recht. Das bedeutet unter anderem:

Eine insolvenzrechtliche Überschuldung liegt nur vor, im Falle einer rechnerischen Überschuldung und gleichzeitig einer negativen Fortbestehensprognose. Diese beiden Prüfungsschritte sind unabhängig voneinander: es ist keine bestimmte Reihenfolge vorgegeben. Das Ziel der Überschuldungsprüfung besteht darin, die künftige Zahlungs- und damit Lebensfähigkeit eines Unternehmens – im konkreten Fall einer GmbH & Co KG ohne eine natürliche Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter – mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen zu können. 

Die Überschuldungsprüfung ist daher 

Eine zweistufige Überschuldungsprüfung ist allerdings nur dort zulässig, wo – trotz rechnerischer Überschuldung – die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens noch erhalten ist. Mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ist daher der insolvenzrechtlich relevante Sachverhalt jedenfalls verwirklicht, ohne dass es dann noch auf eine Fortbestehensprognose ankäme (OGH 9.5.2007, 7 Ob 84/07 i).

Die Beispiele wurden entnommen aus dem im Februar 2013 erschienen Buch Fritz, Die Kommanditgesellschaft, Band 2, Die GmbH & Co KG, dbv-Verlag – Fachverlag für Steuer- und Wirtschaftsrecht Druck-, Beratungs- und Verlagsgesellschaft m. b. H., Graz.

Die praktische Bedeutung der Prokura in einer GmbH

Die Prokura ist – so wie auch die Handlungsvollmacht – aus dem Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Ihr Vorzug liegt darin, dass der Geschäftsinhaber eine natürliche Person bevollmächtigt, sein im Firmenbuch eingetragenes Unternehmen mit Rechtswirksamkeit für ihn zu vertreten. Durch die Eintragung im Firmenbuch werden Prokuristen auch „gefunden“. Nachdem es sich im Regelfall um nicht am Unternehmen beteiligte Personen handelt, sich der Prokurist diese Funktion erst zu erarbeiten hat, verfügen viele von ihnen über ein sehr wertvolles Know-how. Der folgende Beitrag behandelt praktische Fragen zur Prokura in einer Gesellschaft mit beschränkten Haftung.

1. Grundsätzliches

Begriff. Die Prokura ist eine im Firmenbuch einzutragende, jederzeit widerrufliche, ihrem Umfang nach gesetzlich festgelegte, nicht übertragbare und unbeschränkbare Vollmacht, die nur ein Unternehmer – also die durch ihre Geschäftsführung handelnde GmbH – erteilen kann. Nur die Geschäftsführer können die Prokura erteilen (§ 48 Abs 1 UGB), ein Prokurist oder ein sonstiger Bevollmächtigter nicht. 

Die Prokura stellt grundsätzlich nur eine Berechtigung, aber keine Verpflichtung zum Tätigwerden des Prokuristen dar. Eine Prokura kann nur durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem in Aussicht genommenen Empfänger erteilt werden und bedarf dessen zumindest stillschweigender Annahme; eine konkludente Erklärung ist nicht ausreichend (§ 48 Abs 1 UGB). Die Schriftform ist nicht erforderlich; gemäß § 863 Abs 1 ABGB genügt jede eindeutige mündliche Erklärung. Die Erklärung hat gegenüber dem Prokuristen zu erfolgen und bedarf dessen ausdrücklicher oder stillschweigender Annahme.

Nach der gesetzlichen Regelung bestimmen die Gesellschafter im Innenverhältnis mit einfacher Mehrheit, ob die Geschäftsführung die Prokura erteilen darf (§ 35 Abs 1 Z 4 GmbHG). Wird ein solcher Beschluss gefasst, obliegt es der Entscheidung sämtlicher Geschäftsführer, wem die Prokura erteilt wird (§ 28 Abs 2 GmbHG). Die Gesellschafter können jedoch einen Weisungsbeschluss fassen, demzufolge die Geschäftsführung einer bestimmten Person die Prokura zu erteilen hat; die zur Bevollmächtigung erforderliche Vertretungsbefugnis kommt den Gesellschaftern hingegen nicht zu. Beim Antrag auf Eintragung eines Prokuristen im Firmenbuch ist der Gesellschafterbeschluss über die Zustimmung, dass Prokura erteilt werden darf, nicht nachzuweisen. Der Widerruf der Prokura kann durch jeden Geschäftsführer unbeschadet von der Art seiner Vertretungsbefugnis erfolgen; ein Gesellschafterbeschluss ist hierfür nicht erforderlich.

Beispiel: Zustimmungsbeschluss der Generalversammlung „GESELLSCHAFTERBESCHLUSS gemäß § 34 GmbHG“

Die Gesellschafter der Glück & Fuchs GmbH mit Sitz in Reutte (Landesgericht Innsbruck, FN 12345 a) fassen einstimmig nachfolgenden Gesellschafterbeschluss:

Wir erteilen unsere Zustimmung, dass die Geschäftsführung Gesamtprokura erteilt. Die Geschäftsführung ist verpflichtet, einen Entwurf des Anstellungsvertrages jenes Dienstnehmers, dem Prokura erteilt wurde, der Generalversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

[Ort, Datum, Unterschriften sämtlicher Gesellschafter]“

Erteilen die Geschäftsführer Prokura ohne den nach der gesetzlichen Regelung erforderlichen Zustimmungsbeschluss der Generalversammlung, so handeln sie pflichtwidrig, nichts desto weniger ist ihre Vertretungshandlung im Außenverhältnis wirksam. Die Prokura entsteht immer bereits mit der Erteilung durch die Gesellschaft; der Eintragung im Firmenbuch kommt nur deklarative Wirkung zu.

Die gesetzliche Regelung hat sich als unpraktisch erwiesen; es stehen eine Vielzahl abweichender Gestaltungsalternativen zur Verfügung, die allerdings einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Grundlage bedürfen:

Wirkung der Prokura. Die Prokura entsteht im Außenverhältnis  durch eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung, wofür eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung der Gesellschaft genügt. Der Prokurist kann (er muss kraft Gesetz jedoch nicht!) gegenüber Dritten Rechtshandlungen setzen, die den Unternehmer – im konkreten Fall die GmbH – unmittelbar  berechtigen und verpflichten. Wird von einem (im Firmenbuch eingetragenen)  Prokuristen ein Geschäft abgeschlossen, so kann sich der  Vertragspartner in der Regel darauf verlassen, dass dieses Rechtsgeschäft für oder  gegen den Unternehmer wirkt. Rechtsgrundlage ist immer eine Willenserklärung des zur Prokuraerteilung Berechtigten; diese Erklärung ist beim Empfänger nicht  annahmebedürftig. Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von  gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen, die mit dem Betrieb eines  im Firmenbuch eingetragenen Unternehmens verbunden sein können. Dieser gesetzlich fixierte Umfang der Prokura  kann im Außenverhältnis außer in den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen nicht  beschränkt werden. Die Prokura berechtigt somit ihren Inhaber zum Abschluss von  betriebsgewöhnlichen und nicht betriebsgewöhnlichen Geschäften.

Die Gesellschaft ist an alle Rechtshandlungen und Geschäfte des Prokuristen gebunden, die dieser im Rahmen des durch § 49  UGB festgelegten Umfanges seiner Vertretungsmacht eingehen konnte. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn er sie nach der Vereinbarung im  Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Prokuristen nicht abschließen hätte  dürfen.

Nur natürlichen Personen kann Prokura erteilt werden. Der Prokurist muss eine vom Geschäftsinhaber (bzw. seinen organschaftlichen Vertretern) verschiedene Person sein. 

Firmenbucheintragung. Die Erteilung der Prokura ist von den Geschäftsführern in vertretungsbefugter Zahl zur Eintragung in das Firmenbuch unter Beifügung einer beglaubigten Namenszeichnungserklärung des Prokuristen anzumelden (§ 53 Abs 1 erster Satz UGB).  Beim Prokuristen sind Name, Geburtsdatum, Art der Prokura sowie Beginn  und Art der Vertretungsbefugnis einzutragen (§ 3 Z 9 FBG). Ergänzt wird  diese Eintragung in der Rubrik „Personen“ durch die Angabe der für  Zustellungen maßgeblichen Anschrift des Prokuristen. 

Firmazeichnung.Der Prokurist hat für die von ihm vertretene Gesellschaft in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusätze beifügt (§ 51 UGB). Dabei kann die Firma selbst auch in beliebiger  Form (z. B. maschinschriftlich oder durch Stampiglie – Abdruck) vorgegeben  sein; nur die Unterschrift selbst mit dem Prokurazusatz  muss handschriftlich sein; ein Stempelaufdruck reicht nicht aus. Diese „Unterschrift“ muss weder den vollen Vor- und Zunamen, allenfalls ergänzt durch einen akademischen Grad, enthalten  noch leserlich sein. Unterlässt der Prokurist jedoch bei der  Zeichnung seine Rechtsstellung als Prokurist offenzulegen hat, so hat dies keine  Auswirkungen auf die Rechtsgültigkeit des Geschäftes, da die entsprechende  Bestimmung lediglich als Ordnungsvorschrift zu qualifizieren ist. Der Filialprokurist hat die Firma der Niederlassung  im Sinne des § 50 Abs 3 UGB zu zeichnen. 

2. Arten der  Prokura

2.1. Einzelprokura

Ein Einzelprokurist benötigt zu seinen Vertretungshandlungen für die GmbH nicht der Mitwirkung anderer Personen. Es steht  ihm daher die volle Vertretungsmacht zu, die im  Außenverhältnis lediglich den gesetzlichen Schranken unterliegt. Die Erteilung 

Der GmbH-Geschäftsführung obliegt die Entscheidung über eine allfällige Umwandlung einer Einzelprokura in eine Gesamtprokura. 

2.2. Gesamtprokura, gemischte Vertretung

Von einer Gesamtprokura wird gesprochen, wenn die Prokura mehreren Personen gemeinschaftlich erteilt wird (§ 48 Abs 2 UGB) und diese nur zusammen handeln. Sie  unterscheidet sich von der Einzelprokura nicht in ihrem Umfang, sondern nur  in der Art ihrer Ausübung. 

Die Gesamtprokura steht nicht einer Person alleine zu, sondern zwei (oder mehreren) gemeinschaftlich handelnden Personen. Handelt ein Gesamtprokurist  allein, so ist ein wirksamer Vertretungsakt mangels Mitwirkung des oder der  anderen Gesamtprokuristen nicht zustande gekommen. 

Im Falle einer Gesamtprokura sind drei theoretische Gestaltungsmodelle vorstellbar, nämlich die

Die an mehrere  Personen zur gemeinschaftlichen Ausübung erteilte Vertretungsmacht in Form der Gesamtprokura handelt es sich  um zwei getrennte Vollmachten, die wechselseitig durch die auch im  Außenverhältnis wirksame Verpflichtung, sie nur gemeinschaftlich auszuüben,  beschränkt sind. Weitere Beschränkungen sieht § 48  Abs 2 UGB nicht vor, es bleibt also der Geschäftsführung überlassen, wie viele  Gesamtprokuristen zusammenwirken müssen, um eine formal verbindliche  Rechtshandlung für die Gesellschaft zu setzen. Üblich ist allerdings in der  Praxis so gut wie ausschließlich das Vier-Augen-Prinzip, also die Erteilung der Gesamtprokura in der Form, dass jeweils zwei  Prokuristen gemeinsam handeln müssen.

Gemeinsames Handeln  verlangt nicht gleichzeitiges Handeln der Gesamtprokuristen. Es genügt, wenn einer von ihnen die Erklärung abgibt und hierzu die Einwilligung, Genehmigung oder Bevollmächtigung des zweiten Gesamtprokuristen vorliegt. Für die Zustimmung des zweiten Gesamtprokuristen ist Schriftform nicht erforderlich; es ist ausreichend, wenn die Zustimmung überhaupt ausdrücklich oder  durch schlüssiges Verhalten dem anderen Gesamtprokuristen oder dem  Geschäftspartner gegenüber erklärt worden ist. Beweispflichtig für das  Vorliegen der Zustimmung ist derjenige, der sich hierauf beruft,  insbesondere also der Geschäftspartner, wenn er aus dem von einem  Gesamtprokuristen allein ohne Mitwirkung des anderen abgeschlossenen  Geschäft Rechte gegen die Gesellschaft ableiten will. 

Die Gesamtprokuristen können andere Personen zur Vornahme von  Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen nach den Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts bevollmächtigen und auch Prozessvollmacht erteilen. Daher ist es grundsätzlich möglich, dass die Gesamtprokuristen gemeinschaftlich einem von ihnen  eine durch die Prokura gedeckte Einzelvollmacht erteilen.

Jeder Gesamtprokurist ist alleine zur passiven Vertretung berechtigt. Unter passiver Vertretung wird die Entgegennahme von Erklärungen und  Zustellungen verstanden. Die Folgen von Willensmängeln, der  Kenntnis oder das Kennen müssen entstehen für die Gesellschaft schon dann, wenn dieser Umstand nur in der Person eines einzigen Gesamtprokuristen verwirklicht ist. Auch beim Verschuldensnachweis (insbesondere bei  Schadenersatzansprüchen gegen die vertretene Gesellschaft) genügt es, dass  ein einzelner Gesamtprokurist schuldhaft gehandelt hat.

Eine allseitige Gesamtprokura liegt vor, wenn alle zur  Gesamtvertretung bevollmächtigten Prokuristen an die Mitwirkung des oder der  anderen Prokuristen gebunden sind. Es ist nicht erforderlich, dass alle  Gesamtprokuristen gleichberechtigt sind, vielmehr kann ein einzelner  Gesamtprokurist auch an die Mitwirkung eines oder mehrerer bestimmter  anderer gebunden werden, bis hin zum Extremfall der sternförmigen Befugnis, bei der eine beliebige Zahl von  Prokuristen ausschließlich berechtigt ist, mit einem einzigen bestimmten  anderen Prokuristen zu vertreten.

Die gemischte Vertretung stellt die Verbindung organschaftlicher Vertretungsrechte mit Prokuren dar. Der Prokurist handelt bei der Mitwirkung an der gemischten Vertretung als organschaftlicher Vertreter der Gesellschaft. In dieser Funktion hat er mit einem Prokuristen im Sinne der §§ 48 ff UGB nichts gemeinsam; eine echte Gesamtprokura liegt nicht vor. Bei der gemischten Vertretung wird die Vertretungsmacht des Prokuristen entsprechend eingeschränkt, daneben bleiben aber die Vertretungsbefugnisse des Geschäftsführers uneingeschränkt erhalten. Zur gemischten Vertretung der Gesellschaft kann auch ein einziger Gesamtprokurist  berufen werden. Dieser Prinzipalprokurist ist dann allerdings auf die Mitwirkung im  Rahmen der Geschäftsführung beschränkt und hat (solange kein anderer  Gesamtprokurist bestellt ist) keine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis  im Sinne der §§ 48 ff. UGB.

Gemischte  Gesamtvertretung. Der Gesellschaftsvertrag kann  bestimmen, dass einzelne Geschäftsführer nur zusammen mit einem Prokuristen  vertretungsbefugt sind (§ 18 Abs 3). Bei dieser Form der Gesamtvertretung ist die Prokura insofern erweitert, als der Prokurist jene Geschäfte gemeinsam mit dem betreffenden Geschäftsführer abschließen kann, zu deren Abschluss dieser im Rahmen seiner Organfunktion berechtigt ist, zum Beispiel Erteilung einer (weiteren) Prokura, Veräußerung oder Belastung  eines Grundstückes. Die gemischte Gesamtvertretung darf nicht dazu führen, dass der Geschäftsführer ohne Mitwirkung eines Prokuristen nicht vertreten und zeichnen kann, eine ausschließliche Vertretung durch die GmbH-Geschäftsführung muss jedenfalls möglich  bleiben.

Bei einer halbseitigen Gesamtprokura ist ein Gesamtprokurist nur gemeinschaftlich mit einem Einzelprokuristen vertretungsbefugt. Beschränkt man sich ausschließlich auf die aktive Vertretung durch den  Prokuristen, so ist die halbseitige Gesamtprokura nicht wirklich zweckmäßig,  weil es keine Vertretungshandlungen gibt, bei denen die Mitwirkung des  Gesamtprokuristen nötig wäre.

Bei der halbseitigen gemischten Gesamtvertretung ist der Prokurist nur gemeinsam mit einem Geschäftsführer zur Zeichnung berechtigt ist; der Geschäftsführer selbst kann jedoch die GmbH auch alleine vertreten. Bei dieser auch im Firmenbuch eintragungsfähigen Form der Vertretung ist es daher zulässig, dass ein Prokurist gemeinsam mit einem Geschäftsführer eine  Liegenschaft belastet oder veräußert. Der an einer Gesamtvertretung  beteiligte Prokurist verfügt daher über umfangreichere Befugnisse, als sie §  49 UGB einem Prokuristen an sich gewährt. Die halbseitig (unechte) gemischte Gesamtvertretung  darf nicht in der Form ausgestaltet sein, dass die Geschäftsführer immer der Mitwirkung eines Prokuristen bedürfen, um die Gesellschaft vertreten zu können. Es muss ihnen vielmehr möglich bleiben, die Gesellschaft alleine oder gemeinsam mit einem anderen  Geschäftsführer zu vertreten. Auch ein  nur zur organschaftlichen Vertretung bestellter Gesamtprokurist ist alleine  berechtigt, Willenserklärungen oder Ladungen und andere Zustellungen  entgegenzunehmen (Passive Einzelvertretung). Für das  Wissen einer Tatsache ist die Kenntnis nur eines Gesamtprokuristen  ausreichend.

Widerruf. Soweit es auf die (durch  ausdrückliche Erklärung oder schlüssiges Handeln erteilte) Zustimmung des  anderen Gesamtprokuristen ankommt, treten die Wirkungen einer solchen  Zustimmung nur dann ein, wenn beide Gesamtprokuristen in dem Zeitpunkt, in  dem das Geschäft wirksam geworden sein soll, noch einer Willensrichtung  waren. Hat ein Gesamtprokurist dem anderen gegenüber seine Zustimmung  (Einwilligung) zu einem von diesem beabsichtigten Geschäft gegeben, so kann  er diese bis zur Vornahme des Rechtsgeschäftes durch den anderen  Gesamtprokuristen widerrufen. Handelt dann der andere Gesamtprokurist  allein, so wirkt die vorher erteilte Zustimmung nicht mehr, das Geschäft  kommt also durch diese Zustimmung nicht mehr bindend zustande. 

2.3. Filialprokura

Betreibt die Gesellschaft eine oder mehrere Zweigniederlassungen unter verschiedenen Firmen, so kann durch die Geschäftsführung die Prokura auf eine Zweigniederlassung beschränkt werden (§ 50  Abs 3 UGB). Das Gesetz verlangt als Voraussetzung für die  Zulässigkeit einer auf den Betrieb einer Niederlassung eines Unternehmens  außenwirksam beschränkten Prokura, dass diese unter einer vom Hauptsitz verschiedenen  Firma betrieben wird. Diesem Erfordernis kann auch  dadurch entsprochen werden, dass der an sich einheitlichen Firma jeweils ein auf die  Zweigniederlassung hinweisender Zusatz beigefügt wird. Niederlassungsprokuren können für eine oder für mehrere Filialen erteilt werden. Sie  können auch auf die Hauptniederlassung beschränkt oder nur auf eine einzige  Zweigniederlassung bezogen werden.

Voraussetzungen für die Erteilung einer Filialprokura sind daher, dass die

Eine Filialprokura kann hingegen

Die Filialprokura begrenzt die Vertretungsmacht (mit Wirkung auch im Außenverhältnis) auf den Betrieb der Zweigniederlassung, für die sie erteilt wurde.  Die Gesellschaft wird demnach nur aus solchen Rechtshandlungen des Filialprokuristen berechtigt und verpflichtet, die dieser für (und gegen) die Zweigniederlassung abschließt. Die Vertretungsmacht des Filialprokuristen erstreckt sich nicht auch auf den Betrieb sonstiger Niederlassungen der GmbH, die unter anderer Firma oder unter anderem Niederlassungszusatz geführt werden. Die Vertretungsbefugnis eines Filialprokuristen der inländischen  Zweigniederlassung eines ausländischen Rechtsträgers richtet sich  nach österreichischem Recht.

Die Filialprokura ist beim Firmenbuchgericht der Hauptniederlassung zur Eintragung bei diesem und jenem der Niederlassung anzumelden (§ 120 Abs 2 JN). Werden die (Zweig-)Niederlassungen unter verschiedenen Firmen geführt, so ist jede von ihnen zum Firmenbuch anzumelden (§ 29 UGB). 

3. Umfang der Prokura

Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von  gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtshandlungen, die mit dem Betrieb eines  Unternehmens verbunden sein können (§ 49 Abs 1 UGB). Zur  Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt,  wenn ihm diese Befugnis durch die GmbH-Geschäftsführung besonders erteilt ist (§ 49 Abs 2 UGB). Abgesehen von der Immobiliarklausel ist die Prokura im  Außenverhältnis nicht beschränkbar. Die Prokura berechtigt somit ihren Inhaber zum Abschluss von  betriebsgewöhnlichen und nicht betriebsgewöhnlichen Geschäften. Das Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem  Prokuristen wird durch die gesetzlichen Regelungen nicht berührt. 

Erweiterung der Vertretungsbefugnis. Neben der  sich bereits aus § 49 Abs 1 UGB ergebenden Beschränkung, nach der ein  Prokurist nur bei Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines  Unternehmens mit sich bringt, als rechtsgeschäftlicher Vertreter der Gesellschaft vertreten kann, besteht eine in der Praxis wesentliche weitere  Beschränkung: Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist jedoch nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis ausdrücklich erteilt wird (§ 49 Abs 2 UGB); diese Immobiliarklausel ist im Firmenbuch einzutragen.

Besondere Vollmacht. Macht die GmbH-Geschäftsführung von der  Möglichkeit des § 49 Abs 2 UGB keinen Gebrauch, kann er dennoch den  Prokuristen nach den Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechts zur  Vornahme von Grundstücksgeschäften bevollmächtigen. Eine solche  Bevollmächtigung ist jedoch im Firmenbuch nicht eintragungsfähig. Sie  unterliegt nicht den Regelungen des § 48 Abs 1 UGB und ist daher auch  schlüssig möglich.

Rechtsnatur der Immobiliarklausel. Um dem Prokuristen als solchem die  Vertretungsmacht für die Gesellschaft auch bei der Veräußerung und Belastung  von Grundstücken zu verschaffen, bedarf es damit einer Erweiterung des  gesetzlichen Umfanges der Prokura. Dabei handelt es sich um eine Erweiterung  der Vertretungsmacht aus der Prokura, nicht um die Erteilung einer  zusätzlichen Vollmacht. Daraus folgt aber, dass diese Erweiterung der  Prokura ausdrücklich von der Geschäftsführung erklärt werden muss. Die Geschäftsführer kann sich aber auch darauf beschränken,  den gesetzlichen Umfang der Prokura nach § 49 Abs 1 UGB unverändert zu  lassen, im Einzelfall aber dem für ihn als Prokurist tätigen Mitarbeiter  eine zusätzliche Vollmacht für die Veräußerung und Belastung von  Grundstücken zu erteilen. Erweitert er die Prokura, so muss die Erweiterung  ausdrücklich vorgenommen werden; sie ist dann in das Firmenbuch  einzutragen.

Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura ist mit Ausnahme der Filialprokura Dritten gegenüber unwirksam (§ 50 Abs 1 UGB). Dieser Grundsatz gilt insbesondere für Beschränkungen, wonach die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen, für befristete Dauer oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll (§ 50 Abs 2 UGB). 

Durch vertragliche Regelung, aber auch durch einseitige Weisung können die Geschäftsführer jedoch bestimmen, dass der Prokurist seine Vertretungsmacht

ausüben kann.

Zulässige Beschränkungen im Innenverhältnis sind etwa eine

Vollmachtüberschreitungen. Die Gesellschaft wird aus den Vertretungshandlungen des Prokuristen auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn er auf Grund von Beschränkungen im Innenverhältnis diese Rechtsgeschäfte  und Rechtshandlungen nicht vornehmen durfte.

4. Beendigung der Prokura

Die Prokura endet in den nachfolgenden Fällen:

Ist eine  Einzelprokura erteilt, so kann diese Prokura mit der Maßgabe widerrufen  werden, dass die bisherige Einzelprokura in eine Gesamtprokura geändert  wird.

Der Widerruf erfolgt durch einseitige, formlose, jedoch ausdrückliche Willenserklärung gegenüber den Prokuristen. Das Erlöschen der Prokura ist von den Geschäftsführern in vertretungsbefugter Zahl zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. 

Was muss ein GmbH-Geschäftsführer alles können?

Die Gesellschaft (mit beschränkter Haftung) muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Zu Geschäftsführern können nur physische, handlungsfähige Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter. Werden Gesellschafter zu Geschäftsführern bestellt, so kann dies auch im Gesellschaftsvertrag geschehen, jedoch nur für die Dauer ihres Gesellschaftsverhältnisses. 

1. Einführung

Die obige Einleitung ist – an sich untypisch für einen Praxisbeitrag – eine wörtliche Widergabe von § 15 Abs. 1 GmbHG. Die gesetzliche Regelung in dieser Form besteht seit über 100 Jahren. Von besonderer praktischer Bedeutung ist der dritte Satz: Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter. Für einen solchen gilt einerseits das Mehrheitsprinzip und andererseits ist ein Gesellschafter, der (auch) zum Geschäftsführer bestellt werden soll, bei diesem Beschlussgegenstand von seinem Stimmrecht nicht ausgeschlossen. Das bedeutet also, dass

Über welche fachliche oder unternehmerische Befähigung muss nun etwa ein Mehrheitsgesellschafter verfügen, wenn er (im unangenehmsten Fall) mit seinen Stimmen seine Bestellung zum Geschäftsführer durchsetzt? Das GmbH-Gesetzt sagt hierzu … gar nichts. Zwar gibt es nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Rechtsinstitute 

doch erweisen sich diese in der Praxis vielfach als zahnlos. Die Erfolgsaussichten, einen Dritten wegen Einlassungsfahrlässigkeit oder einem Auswahlverschulden nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu verfolgen, sind im Regelfall nicht besonders hoch.

Im Gegensatz zu Deutschland existieren in Österreich weder im Unternehmensgesetzbuch im Allgemeinen noch im GmbH-Gesetz sowie im Firmenbuchgesetz im Besonderen Beschränkungen für den Fall, dass eine Person die zum Geschäftsführer bestellt werden soll, strafrechtlich vorbelastet ist. Solche Beschränkungen bestehen in verschiedenen berufsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere jedoch im Gewerberecht im Hinblick auf die Person des gewerberechtlichen Geschäftsführers. Und selbst wenn dieser sauber ist, gibt es Fälle, in denen von der Gewerbebehörde auch die Person des gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführers auf Zuverlässigkeit geprüft wird (§ 95 GewO).

2. Zwischenresümee

Ist der GmbH-Geschäftsführer auch gleichzeitig gewerberechtlicher Geschäftsführer, so hat er, wenn die GmbH ein reglementiertes Gewerbe ausübt, eine entsprechende fachliche Befähigung nachzuweisen. Bei bloßen GmbH-Geschäftsführern wird in bestimmten Fällen von der Gewerbebehörde geprüft, ob bei ihnen Gewerbeausschließungsgründe (§ 13 GewO) vorliegen.

3. Praktische Gestaltungsmöglichkeiten

Nachdem eine allenfalls erforderliche berufliche Qualifikation (im Sinne von fachlich-handwerklicher Befähigung) im Regelfall keine Schlussfolgerung auf Managementfähigkeiten zulässt, können die Gesellschafter entweder im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Generalversammlung das individuelle Anforderungsprofil für GmbH-Geschäftsführer nachschärfen. Diese fachlichen Voraussetzungen können sich unter anderem auf nachfolgende Parameter stützen:

Im Gegensatz dazu, lassen sich persönliche Voraussetzungen schwerer festlegen. Von spezialisierten Personalberatern werden Anforderungsprofile für die Übernahme einer bestimmten Geschäftsführungsfunktion ausgearbeitet. Ob die jeweiligen Kandidaten für die Übernahme der Organfunktion tatsächlich diesem Anforderungsprofil entsprechen, liegt natürlich auch immer im Auge des Betrachters.

4. Gibt es den idealen Geschäftsführer?

Es wird diese Spezies an Menschen mit Sicherheit geben; ob sie allerdings richtig eingesetzt sind, ist eine andere Frage. 

Jeder versteht unter dem Begriff ideal etwas anderes. Für einen Patriarchen der alten Schule wird der ideale Geschäftsführer vielfach eine Person sein, die seine Sprache spricht, seinen Willen exekutiert und kaum einmal eigene Akzente setzt. Versucht man das Prädikat ideal etwas zu objektivieren, so wird man üblicherweise zur Schlussfolgerung gelangen, dass es sich um eine Person handelt, 

Gehen wir nun davon aus, dass die genannten Attribute Faktor 100 (das „Optimum“) darstellen. Machen Sie als Gesellschafter (Berater, u. ä.) für sich selbst einen Quicktest, wie viele Punkte sie den gegenwärtigen Geschäftsführern Ihrer GmbH geben würden. Das gleiche gilt für die betroffenen Geschäftsführer: wie sehen Sie sich? Wie viele Punkte würden Sie an sich selbst vergeben? Wo besteht Handlungspotenzial und Verbesserungsbedarf?

5. Wer sollte besser nicht zum Geschäftsführer bestellt werden?

Die Übernahme der Geschäftsführung kann mit Macht, Einfluss, Gestaltungskraft, einer attraktiven Vergütung und einem hohen sozialen Image verbunden sein; sie stellt für viele Menschen den angestrebten Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere dar. An die Sorgen und Entbehrungen, die mit der Übernahme der Organfunktion verbunden sind, denkt man in dem Augenblick, zu dem man im Begriffe ist, Geschäftsführer zu werden, üblicherweise nicht. Und das ist auch gut so.

Viel zu häufig passiert es, dass Personen zu Geschäftsführern bestellt werden, von denen anzunehmen ist, dass sie entweder scheitern oder Unruhe in das Unternehmen bringen werden. Immer wieder gelten archaische Grundsätze wie: Mein Sohn muss nach mir Geschäftsführer werden. Es ist eben so, dass Geschäftsführer von den Gesellschaftern bestellt werden und diese tragen für Fehlgriffe eben die Verantwortung (zumindest diejenigen, die für die Bestellung eines offensichtlich ungeeigneten Kandidaten plädiert haben).

Die Bestellung einer Person zum Geschäftsführer ist (sehr) kritisch zu hinterfragen, wenn

6. Zusammenfassung

Die durchaus praxistauglichen gesetzlichen Bestellungsregeln für GmbH-Geschäftsführer sind die eine Seite der Medaille, die Mehrheitsverhältnisse in der Generalversammlung und gesellschaftsvertragliche vereinbarte Sonderrecht auf Geschäftsführung die Andere. Hier geht es um die Funktion, nicht jedoch die hierfür erforderliche persönliche und fachliche Kompetenz. Es lässt sich zumeist nur schwer vorhersagen, wie sich eine Person im Zuge der Übernahme einer Leitungsfunktion in der Zukunft entwickelt. Den Gesellschaftern wird jedoch empfohlen, über diese Aspekte nachzudenken und ein individuelles Anforderungsprofil für die Geschäftsführung zu erstellen.

Die Erklärung nach § 10 Abs. 3 GmbHG

Im Zusammenhang mit der Errichtung einer GmbH oder auch einer Kapitalerhöhung fällt immer wieder der Begriff der § 10-Erklärung. Was aber verbirgt sich dahinter? Dieser sehr bedeutsamen Erklärung ein Gesicht zu geben, sie in praxistauglicher und leicht lesbarer Form zu erläutern, ist das Ziel dieses Beitrages.

Rechtsgrundlagen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 3 GmbHG lautet wie folgt:

„(1) In der Anmeldung ist die Erklärung abzugeben, dass die bar zu leistenden Stammeinlagen in dem eingeforderten Betrag bar eingezahlt sind und dass die eingezahlten Beträge sowie die Vermögensgegenstände, die nach dem Gesellschaftsvertrag nicht bar auf die Stammeinlagen zu leisten sind, sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden.

(2) Es ist nachzuweisen, dass die Geschäftsführer in der Verfügung über den eingezahlten Betrag nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen beschränkt sind.

Der Nachweis der Einzahlung der in bar zu leistenden Einlagen ist jedenfalls durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung des eines Kreditinstitutes zu führen; für die Richtigkeit der Bestätigung ist das Kreditinstitut der Gesellschaft verantwortlich.

(3) Sind von dem eingezahlten Betrag, Abgaben, Gebühren und Kosten bezahlt worden, so ist dies nach Art und Höhe der Beträge nachzuweisen.“ 

Bei Bareinlagen – also dem Regelfall – ist die Übereignung des Geldes an die Gesellschaft erforderlich. Der Grundsatz der Kapitalaufbringung erfordert, dass die Geschäftsführer die durch die Einlage der GmbH zugeführten Eigenkapitalmittel „nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung ihrer Verantwortung für die Gesellschaft einsetzen“ können.Rückzahlungsabreden sind demnach unzulässig. Die Erklärung bei Barkapitalaufbringung gemäß § 10 Absatz 3 erster Satz erster Halbsatz GmbHG bezieht sich auf die erfolgte Bareinzahlung. Die eingezahlten Beträge müssen zum Zeitpunkt der Anmeldung vorhanden sein.

Über Bareinlagen können die Geschäftsführer dann frei Verfügen, wenn

Gläubiger solcher Gegenforderungen können nur die kontoführende Bank oder der einzahlende Gesellschafter sein.

Eine freie Verfügbarkeit ist ausgeschlossen bei

Die freie Verfügung der Geschäftsführer über den Mindestbareinzahlungsbetrag setzt jedenfalls voraus, dass die Geschäftsführer in der Verfügung über den eingezahlten Betrag, insbesondere nicht durch Gegenforderungen beschränkt sind. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen sowohl für die Gründung einer GmbH als auch für den Fall einer Kapitalerhöhung.

Beispiel:

Die A-Bank hat der XY GmbH einen Kontokorrentrahmen in Höhe von € 200.000,– eingeräumt. Der sehr entgegenkommende Bankbetreuer toleriert eine Rahmenüberschreitung in Höhe von € 80.000,–. Zum Zeitpunkt der Leistung der Kapitalerhöhungsbeträge von insgesamt € 100.000,– beträgt die Verbindlichkeit gegenüber der A-Bank € 285.000,–. Wenn jetzt die Geschäftsführer im Zuge der § 10 Abs. 3-Erklärung die freie Verfügung der Kapitalerhöhungsbeträge bescheinigen, so ist diese Erklärung unzutreffend: angesichts des eingeräumten Kontokorrentrahmens ist diese freie Verfügbarkeit mit € 15.000,– begrenzt.

Kontostand von Kapitalerhöhung ……………………………………. – € 285.000,–

Einzahlung Kapitalerhöhungsbeträge ……………………………….+€ 100.000,–

Neuer Saldo Kontokorrentkonto ……………………………………… – € 185.000,–

Vereinbarter Kontokorrentrahmen …………………………………… € 200.000,–

Frei verfügbarer Betrag für die Geschäftsführung ……………….. € 15.000,– 

Das hier dargestellte Dilemma lässt sich – unter der Voraussetzung, dass es auch erkannt wird – relativ leicht lösen: Die Kapitalerhöhung wird auf ein reines Haben-Konto – zweckmäßiger Weise bei einem anderen Kreditinstitut (!)– zugezählt.

Darüber hinaus dürfen keine Abreden vorliegen, die auf direkte oder indirekte Rückgewähr der Leistungen an den betreffenden Gesellschafter hinauslaufen (OGH 12.11.1997, 3 Ob 323/97i). Eine solche direkte oder indirekte Rückgewähr liegt insbesondere vor bei

Die freie Verfügung der Geschäftsführer über die Einlageleistung der Gründer fehlt daher in all den Fällen, in denen Abreden bestehen, die darauf abzielen, die Einlageleistung dem Gründer wieder zurückzuführen; solche Gepflogenheiten werden sinnigerweise als Gründungsschwindel bezeichnet (vgl. hierzu weiterführend beispielsweise ecolex 1998, 139 f).

Im Falle von Sacheinlagen kommt es darauf an, dass die Sache (oder auch ein Recht) aus dem Vermögen des leistenden Gesellschafters in jenes der Gesellschaft übergeht. Ein solcher wirksamer Vermögensübergang liegt etwa dann nicht vor, wenn über die Sacheinlage nicht ohne Mitwirkung des leistenden Gesellschafters verfügt werden kann.

Beispiel:

Ein als Sacheinlage übertragenes Grundstück mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot kann nicht für die Gesellschaft verwendet werden und steht daher nicht zur freien Verfügung der Geschäftsführung. 

Bei Sacheinlagen kommt es darauf an, dass die Sache oder das Recht vom Sacheinleger auf die GmbH-Vorgesellschaft wirksam übertragen wird und damit in das Vermögen der Vorgesellschaft überführt wird. Die Erklärung bei Sacheinlagen bezieht sich  gemäß § 10 Absatz 3 erster Satz zweiter Halbsatz GmbHG auf die freie Verfügungsbefugnis der Vermögensgegenstände.

Gründungskosten. Zu Lasten der Mindesteinzahlung können vor Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung im Firmenbuch auch Abgaben, Gebühren und Kosten im Rahmen des gesellschaftsvertraglich vereinbarten Höchstbetrages bezahlt werden. 

Form. Die Erklärung nach § 10 Abs. 3 GmbHG ist in der Anmeldung abzugeben. Zulässig ist auch eine Erklärung außerhalb dieser Anmeldung; die entsprechende Mitteilung bedarf diesfalls allerdings der beglaubigten Unterfertigung durch sämtliche Geschäftsführer. Die Versicherung der Geschäftsführer erstreckt sich im Falle von eingebrachten Sachen auf deren Vollwertigkeit.

Wortlaut. Bei Verwendung eingelegter Gelder / Sachen vor Anmeldung der GmbH zur Eintragung in das Firmenbuch könnte die Erklärung sinngemäß wie folgt lauten:

a. Im Falle einer ausschließlichen Bareinlage – also dem Regelfall:

„Die gefertigten Geschäftsführer erklären gemäß § 10 Abs. 3 GmbHG, dass die Gesellschafter das Stammkapital im Verhältnis der entsprechend des Gesellschaftsvertrages auf sie entfallenen Teilbeträge auf ein auf den Namen der Gesellschaft eröffnetes Bankkonto, über das nur die Geschäftsführer verfügungsberechtigt sind, einbezahlt haben. Der eingezahlte Betrag von insgesamt € [Betrag] steht zur freien Verfügung der Geschäftsführer und ist nicht durch Gegenforderungen beschränkt.“ 

b. Im Falle einer gemischten Einlage:

„Die gefertigten Geschäftsführer erklären hiermit gemäß § 10 Abs. 3 GmbHG, dass die Gesellschafter die in bar zu leistenden Stammeinlagen in Höhe des auf sie entfallenden Betrages auf ein auf den Namen der Gesellschaft eröffnetes Bankkonto eingezahlt sind und dass die eingezahlten Beträge sowie die Vermögensgegenstände, die nicht in barem Geld auf die Stammeinlagen zu leisten sind, zur freien Verfügung der Geschäftsführer stehen. Die Geschäftsführer sind in ihrer Verfügung über die eingezahlten Beträge nicht, insbesondere nicht durch Gegenforderungen, beschränkt.“

c. Bei einer Einpersonen-GmbH: 

„Der gefertigte Geschäftsführer erklärt hiermit gemäß § 10 Abs. 3 GmbHG, dass der einzige Gesellschafter das gesamte Stammkapital auf ein auf den Namen der Gesellschaft eröffnetes Bankkonto, über das nur der Geschäftsführer verfügungsberechtigt ist, eingezahlt hat. Der eingezahlte Betrag von insgesamt € [Betrag] steht zu seiner freien Verfügung und ist nicht durch Gegenforderungen beschränkt.“ 

d. Im Falle von Sachübernahmen mit Ausnahme bestimmter Gegenstände:

„Die eingezahlten Gelder befinden sich in Höhe von € [Betrag] zur freien Verfügung der Geschäftsführer. Diese freie Verfügung gilt auch hinsichtlich der Gegenstände von Sacheinlagen / Sachübernahmen mit Ausnahme von [Beschreibung]. Der Wert des Gesellschaftsvermögens, welches sich zur freien Verfügung der Geschäftsführung befindet, beträgt € [Betrag].“

Durch diese Erklärung wird das Vorhandensein eines Gesellschaftervermögens im Anmeldezeitpunkt bescheinigt, dessen Umfang dem Wert der Sacheinlagen   zuzüglich der geleisteten Barzahlungen entspricht.

e. Im Falle einer Kapitalerhöhung:

„Die Geschäftsführer erklären hiermit gemäß § 10 Abs 3 GmbHG, dass der in barem Geld zu leistende Teil der Kapitalerhöhung in der Höhe von € [Betrag] bereits bar einbezahlt wurde, sich zu ihrer freien Verfügung befindet und nicht durch Gegenforderungen beschränkt ist.“

f. im Falle einer Kapitalerhöhung gemäß § 6a Abs. 2 GmbHG:

„Die Geschäftsführer geben hiermit gemäß § 10 Abs. 3 GmbHG die Erklärung ab, dass der in barem Geld zu leistende Teil der Kapitalerhöhung in vollem Betrag bar einbezahlt ist. Dieser Barbetrag sowie die ebenfalls ordnungsgemäß eingebrachte Sacheinlage befinden sich in der freien Verfügung der Geschäftsführer und sind nicht durch Gegenforderungen beschränkt.“ 

Im Hinblick auf den Nachweis der Einzahlung der Bareinlage ist die schriftliche Bestätigung eines Kreditinstitutes obligatorisch. Es besteht keine Verpflichtung des Kreditinstitutes, den eingezahlten Betrag bis zum Nachweis der Anmeldung zu sperren (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 10 Rz 26). Sehr zum Leidwesen vieler Unternehmensgründer bleiben die Einzahlungen der Gesellschafter üblicherweise so lange gesperrt, bis die Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch nachgewiesen wird. Für eine solche restriktive Handhabung besteht weder eine gesetzliche Grundlage noch eine praktische Notwendigkeit.

Haftungsverhältnisse. Nach § 10 Abs. 4 GmbHG haften die Geschäftsführer der Gesellschaft (nicht den Gesellschaftsgläubigern) für einen durch falsche Angaben – und zwar auch dann, wenn diese Angaben über § 10 Abs. 3 hinausgehen – verursachten Schaden persönlich und solidarisch. Diese Haftungsregel gilt auch im Falle der Überbewertung von Sacheinlagen. Im Zweifel sind die Geschäftsführer zur Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die Vollwertigkeit dieser Sacheinlagen verpflichtet. Die Haftung richtet sich auf den Betrag der geschuldeten Einlagen, der entgegen den Angaben nicht zur freien Verfügung der Geschäftsführung stand. 

Strafrechtliche Verantwortlichkeit. Die § 10 Abs. 3-Erklärung ist durch eine spezielle Strafrechtsnorm in § 122 Abs. 2 Z 1 GmbHG auch strafrechtlich abgesichert. Auf dieser Grundlage ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und mit einer Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vom Gericht zu bestrafen, wer als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrats, Beauftragter oder Liquidator in an die Öffentlichkeit gerichteten Berichten, Darstellungen und Übersichten oder auch in manchen internen Darstellungen die Verhältnisse der Gesellschaft oder mit ihr verbundener Unternehmen oder erhebliche Umstände, auch wenn sie nur einzelne Geschäftsfälle betreffen, unrichtig wiedergibt, verschleiert oder verschweigt (§ 122 Abs. 1 GmbHG).

Zusammenfassung:

Im Hinblick auf unwirksame Leistungen eines Gesellschafters auf seine Stammeinlage ist der hier dargestellte Beitrag wirklich nur die buchstäbliche Spitze des Eisberges. Durch die Herabsetzung des gesetzlichen Mindeststammkapitals auf € 10.000,– ab dem 1. Juli 2013 sollte es wirklich möglich sein, diesen Wert anlässlich der Gründung zweifelsfrei der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

Eine unwirksame Leistung auf die Einlagenschuld liegt jedenfalls vor bei

Natürlich gibt es auch Möglichkeiten für die nachträgliche Erfüllung der Einlagenschuld; sie darzustellen würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Ganz abgesehen davon, lassen sich solche Reparaturmaßnahmen, wie hier beschrieben, leicht vermeiden.

Über glückliche und weniger glückliche Bestellungen von GmbH-Geschäftsführern

Man mag es in einem reglementierungsfreudigen Land wie Österreich, in dem auch für das gemeinhin gefährliche Gewerbe der Floristen eine Befähigungsprüfung erforderlich ist, nicht glauben: GmbH-Geschäftsführer kann – etwas überspitzt dargestellt – jeder werden. Es gibt zwar die juristische Haftungskategorien Einlassungsfahrlässigkeit und Auswahlverschulden; dieser Umstand interessiert die Betroffenen in vielen Fällen nicht wirklich. Nachdem im BÖB-Journal 76/18, Seite 66 ff, die verschiedenen Möglichkeiten der Geschäftsführerbestellung dargestellt wurden, beschäftigt sich dieser Beitrag mit der Frage nach dem idealen Geschäftsführer und jenen Personen, die eher nicht diesem Prädikat gerecht werden.

1. Ausgangssituation und Rechtsgrundlagen

Die Einstiegshürden für die Organfunktion eines GmbH-Geschäftsführers sind nicht hoch: Als höchstpersönliche Voraussetzung ist nur die Eigenberechtigung und Handlungsfähigkeit erforderlich. Da nur natürliche Personen eigenberechtigt handlungsfähig sind, können juristische Personen schon deshalb nicht zu Geschäftsführern bestellt werden, weil juristische Personen zwar rechtsfähig, aber eben nicht handlungsfähig sind; vgl. hierzu weiterführend N. Arnold/Pampel in Gruber/Harrer (Hrsg), GmbHG² (2018) § 15 Rz 18. Geschäftsführerpositionen in jenen Gesellschaften, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen, bedürfen nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes einer öffentlichen Ausschreibung.

Schon aus gemeinschaftsrechtlichen Aspekten ist für GmbH-Geschäftsführer weder eine bestimmte Staatsbürgerschaft noch ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland erforderlich. Eine kaufmännische Befähigung ist weder vorgeschrieben noch wird eine solche vielfach von den Gesellschaftern ernsthaft geprüft. Konkurs und getilgte Vorstrafen haben (im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland) allenfalls in Form von Ausschließungsgründen Auswirkungen auf das von der GmbH ausgeübte Gewerbe. Die Funktion eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist eine sehr weit verbreitete Gattung, eine Unvereinbarkeit besteht in der gleichen Gesellschaft lediglich mit der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat (§ 30e Abs. 1 GmbHG) sowie der Funktion des Prokuristen.

Allerdings können Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 30e Abs. 2 GmbHG für einen im Voraus begrenzten Zeitraum zur Vertretung von verhinderten Geschäftsführern bestellt werden; in dieser Zeit ruht ihre Mitgliedschaft im Aufsichtsrat.

Das GmbH-Gesetz normiert weder besondere Anforderungen an die Qualifikation von Geschäftsführern im Hinblick auf Ausbildung, Erfahrung sowie sonstige Kriterien noch spezielle Ausschließungsgründe oder Bestellungshindernisse. Demgegenüber sind in verschiedenen berufsrechtlichen Bestimmungen (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, Rechtsanwaltsordnung et cetera) weitere Qualifikationsmerkmale vorgesehen.

Im Gesellschaftsvertrag (oder auch außerhalb im Zuge eines simplen Agreements zwischen den Gesellschaftern) können für künftige Geschäftsführer auch bestimmte fachliche oder berufliche – sofern solche nicht ohnehin schon kraft Gesetz bestehen – Voraussetzungen statuiert werden. Diese fachlichen Voraussetzungen können sich unter anderem auf nachfolgende Parameter stützen:

Im Gegensatz zu den vorangeführten, ist die Festlegung der persönliche Voraussetzungen für Geschäftsführer wesentlich schwieriger, weil diese vielfach im Auge des Betrachters liegen. Von spezialisierten Personalberatern werden häufig Anforderungsprofile für die Übernahme einer bestimmten Geschäftsführungsfunktion ausgearbeitet. Ob die jeweiligen Kandidaten für die Übernahme der Organfunktion tatsächlich diesem Anforderungsprofil entsprechen, ist naturgemäß vor allem bei personalistischen Gesellschaftsstrukturen bis zu einem gewissen Grad auch Anschauungssache und nicht immer hinreichend objektivierbar.

Bei größeren Familienunternehmen gibt es manchmal den sog. Goldfischteich, in welchem die Söhne und Töchter der gegenwärtigen Gesellschafter für künftige Managementaufgaben vorbereitet werden. Gilt es eine Geschäftsführungsposition zu besetzen, so wird (wiederum teilweise mit Hilfe von Personalberatungsunternehmen) der als am geeignetsten erscheinende Kandidat ausgewählt. Aber selbst bei diesem sehr professionellen Programm ist der Erfolg nicht immer so, wie ihn sich seine Initiatoren wünschen würden.

2. Gibt es den idealen Geschäftsführer?

Es wird diese Spezies an Menschen mit Sicherheit geben; ob sie allerdings von der jeweiligen Gesellschaft auch gefunden werden bzw. von der Generalversammlung als oberstes Entscheidungsorgan der GmbH richtig eingesetzt sind, ist eine andere Frage.

Der ideale Geschäftsführer ist eine Person,

Angesichts der vorangeführten Kriterien (die jeder für sich nach eigenem Belieben realistisch ergänzen kann bzw. soll) ist eigentlich alles gesagt. Davon ausgehend, dass die genannten Eigenschaften Faktor 100 (das „Optimum“) darstellen, sollte jeder Gesellschafter einen Quicktest machen, wie viele Punkte er den gegenwärtigen Geschäftsführern seiner GmbH geben würde. Das Gleiche gilt für die betroffenen Geschäftsführer: Wie sehen sie sich selbst? Wie viele Punkte würden sie an sich selbst vergeben? Wo besteht Handlungspotenzial und Verbesserungsbedarf?

3. Wer sollte besser nicht zum Geschäftsführer bestellt werden?

Die Übernahme der Geschäftsführung kann mit Macht, Einfluss, Gestaltungskraft, einer attraktiven Vergütung und einem hohen sozialen Image verbunden sein; sie stellt für viele Menschen den angestrebten Höhepunkt ihrer beruflichen Karriere dar. An die Sorgen und Entbehrungen, die mit der Übernahme der Organfunktion verbunden sind, denkt man in dem Augenblick, zu dem man im Begriff ist, Geschäftsführer zu werden, üblicherweise nicht. Und das ist auch gut so.

Leider kommt es in der Praxis sehr häufig vor, dass Personen zu Geschäftsführern bestellt werden, von denen anzunehmen ist, dass sie entweder scheitern oder Unruhe in das Unternehmen bringen werden. Es ist eben so, dass Geschäftsführer von Gesellschaftern bestellt werden und diese tragen für Fehlgriffe die Verantwortung (zumindest diejenigen die für die Bestellung eines offensichtlich ungeeigneten Kandidaten plädiert haben).

Die Bestellung einer Person zum Geschäftsführer ist (sehr) kritisch zu hinterfragen, wenn

Die wirksame Bestellung zum Geschäftsführer bedarf einer Annahme durch den Bestellten selbst. Auch der für die Übernahme der Organfunktion ins Auge gefassten Person obliegt es zu evaluieren, ob sie sich im Zielunternehmen voraussichtlich wohl fühlen wird. Insoweit gibt es eine Vielzahl an Informationsquellen, wie etwa

Die in diesem Beitrag angesprochenen Entscheidungsparameter stehen nicht im Gesetz, umso wichtiger ist es, sich mit ihnen auseinander zu setzen. Und mit dieser Botschaft schließt sich der Kreis.

Weiterführende Ausführungen zum Thema:

Christian Fritz, Wie führe ich eine GmbH richtig?

Praxishandbuch mit über 1.300 Beispielen, Mustern und Checklisten

2., überarbeitete und erweiterte Auflage (Linde)

Über die „Tücken“ von Generalversammlungen einer GmbH

Die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit bilden in der Generalversammlung das oberste Willensbildungsorgan der GmbH, in deren Rahmen sie ihre Rechte und Pflichten wahrnehmen. Die Generalversammlung kann auch über Fragen, die an sich in die Kompetenz anderer Gesellschaftsorgane gehören, Entscheidungen treffen; sie kann jederzeit aus eigener Initiative Angelegenheiten an sich ziehen. Der Generalversammlung kommt ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung zu. Besteht ein Aufsichtsrat, sind die Gesellschafter sogar ermächtigt, allfällige Aufsichtsratsbeschlüsse zu korrigieren bzw. außer Kraft zu ersetzen. 

Inhalt

  1. Einführung
  2. Gesetzlich geregelte Zuständigkeiten der Gesellschafter
  3. Form der Generalversammlung
  4. Wer ist zur Einberufung einer Generalversammlung berechtigt?
  5. Wie erfolgt die Einberufung?

1. Einführung

Obwohl die gesetzlichen Bestimmungen über die Generalversammlung in ihrer Gesamtheit (§§ 34 bis 44 GmbHG) vergleichsweise klar zu sein scheinen, passieren in der Unternehmens- und Beratungspraxis vielfach geradezu haarsträubende Fehler. Die richtige Organisation und Durchführung einer Generalversammlung ist ein formelles Verfahren; die Nichteinhaltung elementarer Regeln führt im Einzelfall zu handfesten Nachteilen, die vielfach gar nicht, sonst teilweise nur sehr schwer und mit beträchtlichem Aufwand zu heilen sind. Zweck dieses und weiterer Folgebeiträge ist es, die notwendigen Informationen zu vermitteln, damit Gesellschafter, Geschäftsführer und naturgemäß auch die involvierten Berater in schwierigen Situationen richtig handeln.

Die Organisation und der Ablauf einer Generalversammlung wurden bereits im BÖB-Journal 39/09 grafisch dargestellt (vgl. hierzu auch Fritz, Wie führe ich eine GmbH richtig?² [2015] Rz 3/3).

Nachdem über 90 % aller österreichischen GmbHs aus maximal vier Gesellschaftern bestehen, die sich naturgemäß untereinander kennen, vielfach sogar im Unternehmen bei der Verwirklichung des Gesellschaftszwecks mitarbeiten, menschelt es naturgemäß häufig. Auf die sich daraus ergebenden Problemzonen wird in der Folge ebenso eingegangen, wie auf die Verpflichtung des Alleingesellschafters-Geschäftsführers, ebenfalls Generalversammlungen – auf einfachster organisatorischer Ebene – abzuhalten.

Die Kompetenzen der Generalversammlung lassen sich mit gutem Grund mit dem Begriff „Allzuständigkeit“ zusammenfassen; das bedeutet konkret, dass sich die Gesellschafter auch in die Aufgaben anderer Organe einmischen können und deren Tätigkeit durch Weisungsbeschlüsse nachhaltig beeinflussen können.

Nachdem Beschlüsse der Generalversammlung nach dem Mehrheitsprinzip getroffen werden, hat dies konkrete Auswirkungen auf die Machtverhältnisse in der Gesellschaft. Es gilt der Grundsatz, dass je zehn Euro einer übernommenen Stammeinlage eine Stimme gewähren (§ 39 Abs 2). Das bedeutet, dass ein Gesellschafter, der eine höhere Stammeinlage übernommen hat, auch mehr zu sagen hat. Wer die Mehrheit hat, ist also im Vorteil. Und wer die Mehrheit bekommt, dass entscheidet sich in den meisten Fällen bereits bei Gründung der Gesellschaft.

2. Gesetzlich geregelte Zuständigkeiten der Gesellschafter

Der Beschlussfassung der Gesellschafter in einer Generalversammlung unterliegen folgende Gegenstände

  1. in § 35 Abs 1 GmbHG geregelte Zuständigkeiten
    • die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses (Z 1);
    • die Verteilung des Bilanzgewinnes, wenn sie im Gesellschaftsvertrag einer jährlichen Beschlussfassung der Generalversammlung vorbehalten ist (Z 1);
    • die Entlastung der Geschäftsführer und eines allfälligen Aufsichtsrates (Z 1);
    • die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen (Z 2);
    • die Rückzahlung von Nachschüssen (Z 3);
    • die Entscheidung, ob Prokura und Handelsvollmacht zum gesamten Geschäftsbetrieb erteilt werden darf (Z 4);
    • die Maßregeln zur Überprüfung und Überwachung der Geschäftsführung (Z 5);
    • die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen die Geschäftsführer, deren Stellvertreter oder den Aufsichtsrat zustehen (Z 6);
    • die Bestellung eines Prozessvertreters, wenn die Gesellschaft weder durch die Geschäftsführer noch durch den Aufsichtsrat vertreten werden kann (Z 6);
    • Abschluss von Verträgen über den Erwerb von Anlage- oder unbeweglichem Vermögen von mehr als 20 % des Stammkapitals  in den ersten beiden Jahren nach Eintragung der Gesellschaft (Z 7);
  2. Sonstige, im Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung geregelte Zuständigkeiten
    • die Bestellung von Geschäftsführern (§ 15 Abs 1);
    • der Widerruf der Bestellung von Geschäftsführern (§ 16 Abs 1);
    • die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 30b Abs 1);
    • der Widerruf der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied (§ 30b Abs 3);
    • die Bewilligung der Vergütung für den ersten Aufsichtsrat (§ 31 Abs 2);
    • die Beschlussfassung über allfällige Maßnahmen, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren gegangen ist oder die Eigenmittelquote weniger als acht Prozent und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als fünfzehn Jahre beträgt (§ 36 Abs 2);
    • die Beschlussfassung über einen Antrag auf Bestellung von sachverständigen Revisoren zur Prüfung des letzten Jahresabschlusses (§ 45 Abs 1);
    • Abänderungen des Gesellschaftsvertrages (§ 49 Abs 1);
    • die Erhöhung des Stammkapitals (§ 52 Abs 1);
    • die Herabsetzung des Stammkapitals (§§ 54 Abs 1).
    • die Auflösung der Gesellschaft (§ 84 Abs 1 Z 2);
    • die Bestellung von Liquidatoren (§ 89 Abs 2);
    • die Abberufung von Liquidatoren (§ 89 Abs 3);
    • die Veräußerung des Gesellschaftsvermögens als Ganzes (§ 90 Abs 4);
    • die Entlastung der Liquidatoren (§ 93 Abs 1);
    • die Entscheidung über die Verwahrung der Geschäftsbücher und Firmenunterlagen nach Beendigung der Liquidation (§ 93 Abs 3);
    • die Verschmelzung mit einer anderen Kapitalgesellschaft (§ 96 Abs 1);
    • die Übernahme eines von der Vorgründungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrages
  3. außerhalb des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorgesehene Gegenstände der Beschlussfassung
    • der Abschluss von Unternehmensverträgen;
    • die Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft;
    • die Spaltung der Gesellschaft (§ 8 SpaltG);
    • die Umwandlung der GmbH nach dem Umwandlungsgesetz (§ 2 UmwG);
    • die Wahl des Abschlussprüfers (§ 270 UGB);
    • die Wahl, Abberufung sowie Entlastung der Mitglieder eines allenfalls eingerichteten Beirats;
    • der Ausschluss von Gesellschaftern durch den Hauptgesellschafter (§ 4 Abs 1 GesAusG);
    • die formwechselnde Umwandlung in eine Aktiengesellschaft (§ 245 AktG);
    • im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Beschlussgegenstände.

Neben diesem doch recht weitreichenden Katalog an Zuständigkeiten können den Gesellschaftern auf gesellschaftsvertraglicher Ebene noch verschiedene Mitwirkungsrechte bei Geschäftsführungsmaßnahmen eingeräumt werden (sog. zustimmungspflichtige Geschäfte). Die Gesellschafter können zudem im (Um-)Weg(e) der Generalversammlung in die tägliche Geschäftsführung eingreifen. 

3. Form der Generalversammlung

Im Hinblick auf das Wie eine Generalversammlung abgehalten wird ist grundsätzlich zu unterscheiden in körperlich abzuhaltende Generalversammlungen und das in § 34 GmbHG geregelte „Umlaufverfahren“.

Bei körperlichen Generalversammlungen sind verschiedene formale Voraussetzungen zu beachten:

4. Wer ist zur Einberufung einer Generalversammlung berechtigt?

Die Generalversammlung ist von den Geschäftsführern unter Angabe der Tagesordnung einzuberufen, wenn

Grundsätzlich ist auch der Aufsichtsrat als Kollegialorgan – nicht jedoch einzelne seiner Mitglieder –berechtigt, die Generalversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert; die Beurteilung darüber liegt im Ermessen des Aufsichtsrats. Die Einberufung erfolgt durch den Aufsichtsratsvorsitzenden.

Nachdem im Abwicklungsstadium die Liquidatoren anstelle der Geschäftsführer treten, sind sie berechtigt, die Generalversammlung einzuberufen. Wenn im Gesellschaftsvertrag besondere Zustimmungserfordernisse vorgesehen sind – etwa nicht betriebsgewöhnliche Geschäfte –, so sind die Liquidatoren auch verpflichtet, eine Generalversammlung einzuberufen.

Einer Gesellschafterminderheit, die mit zumindest zehn Prozent am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist und daher die Einberufung einer Generalversammlung verlangen kann (§ 37 Abs 2), kommt ein Selbsthilferecht zur Einberufung einer Generalversammlung zu, wenn

Eine Generalversammlung muss unverzüglich einberufen werden, wenn die angeführten Mindestvoraussetzungen erfüllt sind. Die Einberufung darf also nicht abgelehnt werden, weil beispielsweise die Geschäftsführer eine Generalversammlung für unzweckmäßig halten oder erwarten, dass die Mehrheit den von der Minderheit im Einberufungsverlangen angekündigten Beschlussantrag voraussichtlich ablehnen wird. Dem Geschäftsführer kommt kein Dispositionsrecht zu. Eine Ablehnung des Antrages eines Min­derheitsgesellschafters kommt allenfalls in offenkundigen Missbrauchsfällen in Betracht, z.B. bei einem eindeutig auf Störung des Gesellschaftsver­hältnisses angelegten Minderheitsverlangen.

Die Kosten für die antragsgemäße Einberufung von Generalversammlungen sind allein von der Gesellschaft und nicht von den Minderheitsgesellschaftern zu tragen. Der Antrag auf Einberufung der Generalversammlung kann zurückgenommen werden. Ist die Einberufung bereits erfolgt, entscheidet die Geschäftsführung nach seinem eigenen pflichtgemäßen Ermessen, ob die Einberufung rückgängig gemacht wird oder nicht.

Im Falle der Beschlussunfähigkeit der von der Gesellschafterminderheit einberufen Generalversammlung darf die Minderheit nicht ohne weiteres eine Folgeversammlung einberufen. Vielmehr muss sie zunächst die Geschäftsführung erneut zur Einberufung einer Generalversammlung unter Angabe der Tagesordnung auffordern. Erst wenn diese Aufforderung ergebnislos geblieben ist, besteht wieder ein eigenes Einberufungsrecht der Gesellschafterminderheit.

Die Einräumung eines Einberufungsrechtes zu Gunsten einzelner Gesellschafter(gruppen) oder weitere Gesellschaftsorgane, ja sogar außenstehende Personen, ist zulässig. Dabei sollte jedoch evaluiert werden, welche Erwartungshaltung mit der Einberufungsmöglichkeit verbunden ist. Zulässig ist es auch, allen oder einzelnen Gesellschaftern außerhalb der Minderheitenrechte des § 37 GmbHG ein individuelles Einberufungsrecht einzuräumen. In der Praxis ist eine solche Vorgangsweise jedoch nur bei personalistisch organisierten Gesellschaften zu empfehlen, um den Kreis der einberufungsberechtigten Personen nicht allzu weit auszudehnen.

5. Wie erfolgt die Einberufung?          

Nach der seit dem Jahre 1906 bestehenden gesetzlichen Regelung hat die Einladung zur Generalversammlung und Bekanntgabe der Tagesordnung zwingend durch rekommandierten Brief zu erfolgen (OGH 01.08.2003, 1 Ob 165/03a = ecolex 2004, 19 = GBU 2004/01/03). Zwischen dem Tag der Postaufgabe des  Einberufungsschreibens und dem Tag der Generalversammlung muss mindestens ein Zeitraum von sieben Tagen liegen (§ 38 Abs 1). Nachdem also sowohl der Einschreibbrief als auch die zweite gesetzliche Alternative – eine im Gesellschaftsvertrag näher bestimmte Form der Veröffentlichung – für regelmäßig abzuhaltende Generalversammlungen üblicherweise als unpraktisch empfunden werden, stellt sich die Frage nach dem geeigneten Wie. Im Gesellschaftsvertrag kann die Form der Einberufung jedenfalls abweichend geregelt werden, wie an Hand der nachfolgenden Regelung demonstriert wird:

„Die Generalversammlung ist von den Geschäftsführern neben den im Gesetz genannten Fällen immer dann ohne Verzug einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert oder wenn dies von einem Gesellschafter schriftlich unter Angabe des Zweckes verlangt wird. Jeder Geschäftsführer ist  unabhängig von der Art seiner Vertretungsbefugnis zur Einberufung einer Generalversammlung berechtigt. Zwischen dem Tag der Postaufgabe des Einberufungsschreibens an sämtliche Gesellschafter und jeden weiteren Geschäftsführer sowie dem Tag der Abhaltung der Generalversammlung muss ein Zeitraum von mindestens zehn Tagen liegen.

Die Einberufung ist auch dann rechtswirksam, wenn sie auf elektronischem Wege an die zuletzt der Gesellschaft bekannt gegebenen E-Mail Adressen der Gesellschafter erfolgt und die Kenntnisnahme von den Empfängern innerhalb von 48 Stunden auf elektronischem Wege bestätigt wird. Ist dies nicht der Fall, so ist die Generalversammlung zu dem auf elektronischem Wege bekannt gegeben Zeitpunkt mittels Einschreibbrief einzuberufen.

Die Einberufung hat unter Bekanntgabe von Tag, Ort, Zeit und der Tagesordnung zu erfolgen. Die zur Behandlung der Tagesordnungspunkte erforderlichen Unterlagen (Bilanzen, Geschäftsberichte, usw) sind beizulegen. Sobald eine Generalversammlung ordnungsgemäß einberufen ist, kann jeder Gesellschafter verlangen, dass weitere Anträge zur Beschlussfassung in die Tagesordnung aufzunehmen sind. Solche Anträge sind den übrigen Gesellschaftern und der Geschäftsführung spätestens drei Tage vor Abhaltung der Generalversammlung schriftlich bekannt zu geben.“

Die Generalversammlung findet – sofern im Gesellschaftsvertrag nicht etwas Gegenteiliges geregelt ist – am Sitz der Gesellschaft statt (§ 36 GmbHG). Die Tagesordnungspunkte sind möglichst präzise abzufassen; mehrdeutige Formulierungen (z.B. „Allfälliges“) sollten vermieden werden. Dadurch soll den Gesellschaftern die Vorbereitung auf die Generalversammlung ermöglicht und Überrumpelungen von Gesellschaftern verhindert werden. Die Ankündigung muss so beschaffen sein, dass jeder Gesellschafter erkennen kann, worum es bei der Generalversammlung geht. Wenn der Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ dazu dient, dass Gesellschafter, sie sich gewöhnlich kaum zu Wort melden, ihre Wünsche (Befindlichkeiten, Meinung, Kritik, usw.) artikulieren und sich auf dieser Grundlage eine Diskussion zwischen den Anwesenden ergibt, so ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden.

Einberufungsfrist und Versammlungsort sind so zu wählen, dass jeder Gesellschafter unter gewöhnlichen Umständen an der Generalversammlung teilnehmen kann. Die Generalversammlung darf nicht zu einem Zeitpunktangesetzt werden, an dem bekanntermaßenGesellschafternicht anwesend sein können. Die Einladung hat an die letzte Zustellanschrift des jeweiligen Gesellschafters, so wie sie von ihm mitgeteilt wurde, zu erfolgen. Auf die Richtigkeit der Anschrift darf sich die Geschäftsführung verlassen, da die Gesellschafter verpflichtet sind, Änderungen ihres Wohnsitzes und allfälliger sonstiger persönlicher Daten unverzüglich der Gesellschaft bekannt zu geben.

Die Abberaumung, Vertagung oder Verlegung einer Generalversammlung muss nicht in der für die Einberufung im Gesellschaftsvertrag oder im Gesetz bestimmten Form erfolgen (OGH 23.10.2015, 6 Ob 65/15z).Der Widerruf der Generalversammlung ist auch dann wirksam, wenn die Mitteilung nicht allen Gesellschaftern rechtzeitig zugekommen ist.

Weiterführend zum Thema:

Christian Fritz, Wie führe ich eine GmbH richtig?

Praxishandbuch mit über 1.300 Beispielen, Mustern und Checklisten

2., überarbeitete und erweiterte Auflage (Linde)

Was steckt hinter einem faktischen Geschäftsführer?

GmbH-Geschäftsführer ist nicht gleich GmbH-Geschäftsführer: Es kursieren die Begriffe „Gesellschafter-Geschäftsführer“, „Fremdgeschäftsführer“, „gesellschaftsrechtlicher“, „unternehmensrechtlicher“ sowie „handelsrechtlicher Geschäftsführer“, „gewerberechtlicher Geschäftsführer“, „De-facto-Geschäftsführer“, faktischer Geschäftsführer sowie Pro-forma-Geschäftsführer. Die beiden letzteren Begriffe sind Inhalt dieses Beitrages der „GmbH-Ecke“.

Der faktische Geschäftsführer war bis zu seiner Schaffung in § 9a BAO durch das Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl I 2012/112 ab 1. Jänner 2013 gesetzlich nicht geregelt, hat jedoch im Zusammenhang mit der Frage der deliktischen Haftung für seine Handlungen und (vor allem) Unterlassungen große praktische Bedeutung in der Rechtsprechung erlangt (vgl. hierzu etwa OGH 15.9.2010, 2 Ob 238/09b = SZ 2010/110 = ecolex 2010/435 = AnwBl 2011/02, 60 = GeS 2010, 271).

Begriff. Faktischer Geschäftsführer ist eine physische Person, die das gesellschaftliche Unternehmen tatsächlich leitet und führt, ohne in formaler Hinsicht wirksam zum (schlussendlich) im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer bestellt worden zu sein. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der faktische Geschäftsführer gleichzeitig auch (Allein- bzw Mehrheits-)Gesellschafter ist oder nicht; wesentlich ist vielmehr, dass der formell bestellte und im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer entweder „nichts mehr zu sagen hat“ oder „überhaupt nie etwas sagen durfte“.

Für die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer muss der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen haben. Eine faktische Geschäftsführung liegt hingegen nicht vor, wenn ein (Allein-)Gesellschafter lediglich (wenn auch häufig) von seinem Informations- und Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung Gebrauch macht.

Kriterien für die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer

Beispiele:

Einen faktischen Geschäftsführer treffen grundsätzlich die gleichen Pflichten wie einem formell bestellten Geschäftsführer. Wenn also ein Gesellschafter (oder in selteneren Fällen ein Dritter) seine Einflussmöglichkeiten in der Weise nutzt,

Ein faktischer Geschäftsführer könnte allenfalls auch (zumindest als Beitragstäter) strafrechtlich haftbar gemacht werden.

Die Formel lautet daher: wer sich das Recht nimmt, die Geschäftsführung ohne Rechtsgrundlage auszuüben, der hat auch die Pflicht, dies sorgfältig zu tun. Kommt er dieser Sorgfaltspflicht nicht nach, so haftet er nach jenen Maßstäben, wie sie für wirksam bestellte Geschäftsführer bestehen.

Der geradezu klassische Fall eines faktischen Geschäftsführers stellt sich zumeist wie folgt dar:

Man soll aber auch die Kirche im Dorf lassen: Der Alleingesellschafter, der gegenüber seiner Fremdgeschäftsführung vielfach Weisungen erteilt, die allenfalls in das operative Tagesgeschäft hineinreichen, wird dadurch nicht zum faktischen Geschäftsführer.

Indizien, die für eine faktische Geschäftsführung sprechen sind insbesondere

Unabhängig davon, ob ein faktischer Geschäftsführer Gesellschafter ist oder nicht,  kommt ihm keine organschaftliche Vertretungsbefugnis der GmbH im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu. Denkbar ist jedoch eine Vertretungsmacht durch rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung oder durch Rechtsscheinvollmacht; eine schlüssige Vollmachterteilung  ist möglich (OGH 15.09.2010, 2 Ob 238/09b = GES 2010, 271).

Begnügt sich etwa der bestellte Geschäftsführer von vornherein mit der Rolle eines Strohmannes, der die Vertretung der Gesellschaft im geschäftlichen Verkehr für den jeweiligen Dritten erkennbar allein dem faktischen Geschäftsführer überlässt, kann von einer schlüssigen Vollmachtkundgabe (Wissenserklärung, dass ausdrücklich oder schlüssig Vollmacht erteilt wurde) ausgegangen werden. Zu prüfen ist in einem solchen Fall „nur“ mehr der Vollmachtumfang.

Die sich als faktischer Geschäftsführer betätigende Person, verspricht sich irgendeinen Vorteil aus ihrem Tun. Motive für eine faktische Geschäftsführung können sein:

Wo es Vorteile gibt („Licht“), gibt es auch Schatten. Dieser ist den faktischen Geschäftsführern entweder nicht bekannt oder bewusst: Ein faktischer Geschäftsführer haftet im Hinblick auf den gesetzliche geschuldeten Pflichtenkreis des Vertretungsorgans einer GmbH wie ein im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer.

Das bedeutet:

Der Kurzüberblick zeigt, dass sich die Gesellschaft einen faktischen Geschäftsführer und der Mehrheits-/Alleingeschäftsführer die faktische Geschäftsführung besser (er)sparen sollte. Wenn dies nicht ganz ohne Reibereien abgeht: Ein faktischer Geschäftsführer ist vor dem allgemeinen Gericht und nicht vor dem Handelsgericht zu verklagen (OGH 14.09.2011, 6 Ob 202/11s = GES 2012, 80).

Der Pro-forma-Geschäftsführer ist das für das Wirken eines faktischen Geschäftsführers notwendiges Pendant. Es handelt sich um eine physische Person, die

Damit ist eigentlich (fast) alles gesagt. In haftungsrechtlicher Hinsicht kann sich ein Pro-forma-Geschäftsführer nicht darauf berufen, bestimmte Handlungen nicht gesetzt oder Unterlassungen nicht verantwortet zu haben. Diese Argumentation entspricht zwar den Tatsachen; sie befreit jedoch nicht von der Verantwortung hinsichtlich der als (gesellschaftsrechtlicher) Geschäftsführer übernommenen gesetzlichen Verpflichtungen.

Ein faktischer Geschäftsführer haftet neben dem im Firmenbuch eingetragenen zur ungeteilten Hand; dies wird allerdings für einen zur persönlichen Haftung – etwa durch einen Haftungsbescheid des Fiskus – herangezogenen Pro-forma-Geschäftsführer gewiss nur ein geringer Trost sein …

Weiterführend zum Thema:

Christian Fritz, Wie führe ich eine GmbH richtig?

Praxishandbuch mit über 1.300 Beispielen, Mustern und Checklisten

2., überarbeitete und erweiterte Auflage (Linde)

Der GmbH-Geschäftsführer in Zeiten von COVID-19

Covid-19 hat Österreich in einem Ausmaß getroffen, wie es die meisten von uns (auch ich) noch Anfang des Jahres für undenkbar erachtet haben. Wenn auch zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels viele Ausgangsbeschränkungen bereits der Vergangenheit angehören (und ein Revival hoffentlich ausbleibt), werden die wirtschaftlichen Folgen österreichische Unternehmen – und damit auch GmbH-Geschäftsführer – voraussichtlich noch längere Zeit beschäftigen. Der heutige Beitrag der GmbH-Ecke will (selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einige praktische Empfehlungen vermitteln und versucht, auch ein klein wenig über den Tellerrand zu blicken.

Der GmbH-Geschäftsführer und das unternehmerische Risiko

Alle Verschwörungstheorien zum Trotz: Niemand ist schuld an einem Virus. Das mag breiten Kreisen unserer Bevölkerung, deren Einschätzung zur Folge „grundsätzlich jemand schuld sein muss“ (selbstverständlich immer der Andere) nur schwer erklärbar sein: Es ist eben so.

Überraschender Weise hat noch niemand behauptet, dass GmbH-Geschäftsführer „schuld“ am Eintritt der wirtschaftlichen Schieflage vieler österreichischer GmbHs sind. Dies aus gutem Grunde: Die GmbH haftet
mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen; sie – und nicht die Geschäftsführer – ist Trägerin des wirtschaftlichen Risikos. Den Gesellschaftern steht der Unternehmenserfolg zu. Die Beteiligung am Verlust ist kraft Gesetz nicht vorgesehen; allerdings können sie im Falle eines wirtschaftlichen Scheiterns der Gesellschaft ihr Kapital – die geleisteten Stammeinlagen – verlieren.

Demgegenüber nimmt ein Geschäftsführer am Unternehmenserfolg nicht (unmittelbar) teil; er trägt daher auch kein unternehmerisches Risiko.
Das bedeutet, dass für ihn keine Erfolgshaftung besteht, sondern „nur“ eine sorgfaltsabhängige Haftung. Die praktisch bedeutsame Folge dieser
sorgfaltsabhängigen Haftung besteht darin, dass Geschäftsführer im Falle einer Pflichtverletzung persönlich, der Höhe nach unbeschränkt und
solidarisch haften, wenn bei einem Dritten (das ist in Anbetracht der Innenhaftung in erster Linie die Gesellschaft selbst) ein Vermögensschaden eingetreten ist. Der Sorgfaltsnachweis obliegt jedem Geschäftsführer. In der Praxis ist mangels ausreichender Dokumentation vielfach die Beweisführung schwierig, dass die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes angewendet wurde.

Ein GmbH-Geschäftsführer schuldet im Ergebnis „nur“ ein sorgfältiges Bemühen und im Hinblick auf die Einhaltung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen ein „angenähertes Verhalten“. Angesichts der Dichte an zu beachtenden Vorschriften – es sind etwa 110.000 – ist dies auch nicht möglich.

Oberstes Gebot für eine ordentliche Geschäftsführung ist das Wohl der Gesellschaft. Das bedeutet,

Selbstverständlich gehört zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung
dazu, nach einigermaßen gesicherten Erkenntnissen eine gewisse Krisenvorsorge zu treffen. Mit Ausnahme der Organisatoren des Wimbledon Grand Slam ist mir kein Unternehmen bekannt, das gegen die wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie versichert ist. Hätten Sie es vor 13 bis 14 Wochen für denkbar gehalten, was ab Mitte März dieses Jahres passiert ist? Wohl kaum. Das bedeutet, dass in Anbetracht der von der Regierung notabene verhängten Maßnahmen, die vielfach dramatische wirtschaftliche Auswirkungen nach sich zogen, GmbH-Geschäftsführer in einem Zug gesessen sind, in dem sie trotz ihrer gesetzlichen Leitungsfunktion nur Passagier waren.

Nun ist es aber an der Zeit, das Heft des Handels wieder in die Hand zu nehmen. Jede Krise birgt trotz aller Tragödien auch Chancen; es gibt nicht nur Kollateralschäden sondern – wenn wir es zulassen – auch einen kollateralen Nutzen.

Dieser Beitrag kann nicht aufzeigen, welchen gesellschaftlichen Nutzen
wir aus der gegenwärtigen Krise ziehen können (wenn wir nur wollten);
es geht vielmehr darum, GmbH-Geschäftsführern Handlungsweisen und
Denkschulen anzubieten, damit sie

Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit

Eine der schwierigsten – aber gleichzeitig elementarsten – Aufgaben der
GmbH-Geschäftsführung ist die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit. Im Rahmen der sorgfältigen Geschäftsführung besteht eine Insolvenzantragspflicht, wenn die GmbH als Schuldnerin zahlungsunfähig ist. Zahlungsunfähigkeit bedeutet Nichtbedienbarkeit fälliger Geldforderungen.

Sie ist insbesondere anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt; das Andrängen von Gläubigern ist keine Voraussetzung. Der Umstand, dass die GmbH Forderungen einzelner Gläubiger ganz oder teilweise erfüllt oder noch erfüllen kann, begründet für sich alleine nicht die Annahme, dass sie zahlungsfähig ist. Die Zahlungsunfähigkeit ist im Gegensatz zur Überschuldung Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbegünstigung und der fahrlässigen Krida.

Zahlungsunfähigkeit liegt nach der maßgeblichen zeitpunktbezogenen Interpretation vor, wenn der Schuldner

Die entscheidende Frage für die GmbH-Geschäftsführung lautet demnach: „Finden die am relevanten Stichtag fälligen Forderungen in den
vorhandenen liquiden Mitteln (Kasse, Bankguthaben, offene Kreditlinien)
und binnen angemessener Frist zu beschaffenden Mitteln Deckung oder
nicht.“

Die Erstellung einer kurzfristigen Liquiditätsprognose an Hand einer Finanzplanung ist unerlässlich; angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen Erschwernisse ist eine verlängerte Frist von bis zu fünf Monaten angemessen.

Die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit ist eine Zeitpunktbetrachtung;
künftige Verbindlichkeiten sind daher bei Beurteilung der Zahlungsunfähigkeiten nicht zu berücksichtigen. Die sog. Zeitraum-Zahlungsunfähigkeit ist die absolute Ausnahme; sie ist etwa dann maßgeblich, wenn sich ein Schuldner einen Kredit im Bewusstsein „erschleicht“, diesen nicht bedienen zu können. In derartigen Fällen werden im Rahmen der Zeitraum-Zahlungsunfähigkeit auch Verbindlichkeiten bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit berücksichtigt, die im relevanten Zeitraum noch nicht fällig sind.

Für die Geschäftsführung bietet sich folgender Praxistest an: In einem ersten Schritt erfolgt eine Gegenüberstellung der verfügbaren Zahlungsmittel plus Forderungen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in den nächsten (max.) 14 Tagen eingehen werden, mit den fälligen Verbindlichkeiten. Wenn eine Liquiditätsunterdeckung vorliegt, ist in der zweiten Stufe zu prüfen, ob es sich um eine dauernde Unterdeckung (= Zahlungsunfähigkeit) handelt, oder von einem bloß vorübergehenden Zustand (= Zahlungsstockung) auszugehen ist. Die Zahlungsunfähigkeit kann durch Stundung kurzfristig fälliger Verbindlichkeiten, Ratenzahlungsvereinbarungen, Forderungsverzichte (gegenwärtig anderen Geschäftspartnern wohl nicht ohne weiteres zumutbar) und vor allem der Bereitstellung finanzieller Mittel durch die Gesellschafter (vorzugsweise in Form von Kapitalerhöhungen) ausgeräumt werden.

Eine Zahlungsstockung liegt dann vor, wenn die Gesellschaft ihre am maßgeblichen Stichtag fälligen Verbindlichkeiten noch nicht bedienen kann, weil lediglich vorübergehend und kurzzeitig ein Mangel an Zahlungsmitteln besteht, der aber durch alsbaldige Mittelbeschaffung wieder behebbar ist, und innerhalb angemessener Frist wieder ausreichende Liquidität vorhanden ist. Angesichts der extrem unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung in vielen Branchen fehlen gegenwärtig verlässliche Vergleichswerte, wann eine hinreichende liquide Ausstattung wieder zu erwarten ist. Wenn das Geld knapp ist, sollten Geschäftsführer auch an sich denken:
Nachdem zu Lasten der Vertretungsorgane eine subsidiäre Haftung im Abgabenrecht (§§ 9, 80 BAO), für Sozialversicherungsbeiträge (§ 67 Abs. 11 ASVG) sowie nach den Landesabgabenordnungen besteht, sollten diese bevorrechteten Gläubiger auf Punkt und Beistrich erfüllt werden. Dringend zu empfehlen ist auch, dass sich die nicht für die Ermittlung und Abfuhr von Steuern, Selbstbemessungsabgaben und Sozialversicherungsbeiträgen ressortzuständigen Geschäftsführer im Rahmen ihrer Überwachungspflichten mehr als in der Vergangenheit für diesen Geschäftsbereich in ihrem ureigensten Interesse kümmern; mit Misstrauen hat dies nichts zu tun.

Die Notwendigkeit von Ermessensentscheidungen

„Corona“ ist für uns alle etwas Neues; wir können nicht auf Erfahrungen zurückgreifen. Rund drei Monate nach Beginn der Verkehrsbeschränkungen in Österreich, lässt sich beurteilen, was (Mann oder Frau) mit der Weisheit des Rückblicks anders bzw. besser machen hätte können. In Anbetracht der Herausforderungen der kommenden Wochen, in denen Geschäftsführer Entscheidungen zu treffen haben, deren Ergebnis im höchsten Maße ungewiss ist, kommt der Business Judgement Rule als Rechtsform übergreifenden Rechtsgrundsatz (§ 25 Abs. 1a GmbHG, § 84 Abs 1a AktG) eine besondere Bedeutung zu: Ein Geschäftsführer handelt jedenfalls in Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.

Die Business Judgement Rule ist demnach ein gesetzlich verankertes Haftungsprivileg zugunsten von Geschäftsführern, Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, das unter bestimmten Voraussetzungen kraft Gesetz eine Pflichtverletzung ausschließt. Vielfach wird insoweit von einem sicheren Hafen („Safe Harbour“) gesprochen, wenn sich Geschäftsführer an gewisse Regeln halten. Wenn sämtliche Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, führen bloße unternehmerische Fehlentscheidungen zu keiner Haftung (OGH 23.2.2016, 6 Ob 160/15w); das Unternehmerrisiko trägt die Gesellschaft.

Gerade in der durch COVID-19 verursachten „besonderen Situation“ besteht ein breiter Ermessensspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen, einschließlich dem bewussten Eingehen von geschäftlichen Risiken sowie der Gefahr einer Fehlbeurteilung. Den Geschäftsführer trifft keine Erfolgshaftung; er hat nur für ein zum Entscheidungszeitpunkt („ex-ante“) pflichtwidriges Verhalten einzustehen. In der unrichtigen Beurteilung der Folgen einer Handlung liegt noch keine Fahrlässigkeit, wenn nicht die Beurteilung der Entscheidungsgrundlagen selbst auf einer Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt beruht (OGH SZ 46/113).

Nachdem vieles derzeit ungewiss ist, empfiehlt sich für GmbH-Geschäftsführer bei Entscheidungen von größerer Tragweite nach folgendem Schema vorzugehen:

Eine Beantwortung dieser Fragen in Form einer schriftlichen Eigendokumentation durch GmbH-Geschäftsführer ist unerlässlich: Wenn nämlich – weil Wochen oder Monate später gewiss ist, dass die Entscheidung nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat – ein „Schuldiger“ gesucht wird, dient diese Dokumentation insoweit als Freibeweis, als die Entscheidungsgrundlagen und die pflichtgemäße Abwägung von Vor- und Nachteilen einerseits sowie Chancen und Risiken andererseits nachgewiesen werden können.

Jedem GmbH-Geschäftsführer ist daher ein sehr weites Beurteilungs- und Entscheidungsermessen kraft Gesetz eingeräumt. Eine Haftung besteht daher nur dann, wenn ein Geschäftsführer seinen Entscheidungsspielraum eklatant überschreitet, eine evident unrichtige Handlung oder eine geradezu unvertretbare Entscheidung trifft. Daraus folgt, dass es in einer Entscheidungssituation nicht zwingend nur eine Entscheidungsalternative gibt, sondern dass auch mehrere (u.U. entgegen stehende) Handlungsalternativen sorgfaltskonform sein können. Die Einhaltung der Business Judgement Rule schließt im Übrigen eine Strafbarkeit nach § 153 StGB (Untreue) aus.

Voraussetzungen für den weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum
sind:

  1. Es muss sich um eine (ex-ante) objektiv nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung handeln.
  2. Beachtung gesetzlicher und gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen sowie Generalversammlungsoder Aufsichtsratsbeschlüssen
  3. Der Geschäftsführer handelt frei
    von Eigeninteressen, Interessenskonflikten und sachfremden
    Einflüssen.
  4. Die Entscheidung muss, zu dem
    Zeitpunkt, zu dem sie getroffen
    wird, nach subjektiver Überzeugung des Geschäftsführers offenkundig geeignet sein, dem Wohle
    der Gesellschaft zu dienen; der
    Geschäftsführer hat im besten
    Interesse des Unternehmens zu
    handeln.
  5. Die Entscheidungsgrundlage
    stützt sich auf die der Bedeutung
    der Maßnahme entsprechenden
    angemessenen Informationen, die
    vernünftigerweise verfügbar waren.
  6. Kein Eingehen unverhältnismäßiger Risiken.
  7. Gutgläubigkeit des Geschäftsführers im Hinblick auf die Voraussetzungen zu 1. bis 6.

Im Umkehrschluss führt das Nichtvorliegen einer Voraussetzung nicht automatisch zu Sorgfaltswidrigkeit; es hat jedoch Indizwirkung. Kein haftungsfreier unternehmerischer Ermessensspielraum zu Gunsten von Geschäftsführern besteht

Die Prüfung der Angemessenheit von Geschäftsführungshandlungen erfolgt insbesondere im Falle einer Interessenkollision.

Die Voraussetzungen einer unternehmerischen Entscheidung sind weit auszulegen und nicht im technischen Sinn zu beschränken. Eine unternehmerische Entscheidung kann sich auch auf eine bewusste Nichtentscheidung oder Unterlassung stützen. Sie hat auch die Zukunftsbezogenheit von Prognosen sowie die Unvorhersehbarkeit gewisser Entwicklungen und Risikofaktoren zu berücksichtigen. Die Anwendung der Business Judgement Rule ist ausgeschlossen bei

Überlegungen zur Arbeitssicherheit

Das österreichische Arbeitsrecht sieht umfassende Fürsorgepflichten eines Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern vor, für welche das GmbH-Vertretungsorgan verantwortlich ist. Wenn der viel gepflogene Stehsatz „Die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens“ auch wirklich (hoffentlich) gelebt wird, dann ist es eine Selbstverständlichkeit, für ihre gesundheitliche Unversehrtheit Sorge zu tragen. Die Schwierigkeit dieses Unterfangens kann darin liegen, dass die Naturelle von Mitarbeitern unterschiedlich sein können: Vom eher unaufgeregten, sich auch durch den Corona-Virus nicht an seiner Lebensfreude beeinträchtigten Dienstnehmer bis zum pathologisch-hysterischen Hypochonder ist möglicherweise alles dabei.

Mit Sicherheit wird es zum Thema Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in den nächsten Wochen noch die eine oder andere Verordnung sowie eine Vielzahl von Empfehlungen (etwa durch das Arbeitsinspektorat oder die AUVA) geben. Zweckmäßig ist es jedenfalls

Zur sorgfältigen Geschäftsführung gehört naturgemäß, dass die erlassenen Sicherheitsmaßnahmen auch kontrolliert werden. Ängstlichen Mitarbeitern sollte eine „Beschwerdemöglichkeit“ in Form einer Gesundheitshotline zur Verfügung gestellt werden. Ganz allgemein empfiehlt es sich, mehr als vielleicht vor Corona-Zeiten auf die Meinung der Dienstnehmer „zu hören“.

Home-Office hat sich (auch weil vielfach keine Alternative bestand) grundsätzlich bewährt. Freilich, nicht jeder Mitarbeiter ist hierzu (persönlich, aufgrund seiner Wohnsituation oder beides) geeignet. Geschäftsführer werden insoweit in manchen Fällen über den eigenen Schatten zu springen haben (es soll ja auch manische Kontrollfreaks geben). In rechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass Home-Office eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraussetzt (§ 2 Z 4 COVID-VO-Novelle, BGBl II 2020/108). Die Geschäftsführung darf also Home-Office genauso wenig anordnen, wie Mitarbeiter einen Rechtsanspruch daraus ableiten können.

Dass Schutzmaßnahmen für Mitarbeiter etwas kosten, steht außer Frage: Die gesetzlichen Mindestanforderungen sind zu erfüllen, alles darüber hinaus Gehende ist wiederum eine Ermessensentscheidung der Geschäftsführung (siehe oben). Und wenn (hoffentlich nicht) sich ein Mitarbeiter mit dem Virus infiziert, dann fällt dieser Umstand zwar wiederum in die Risikosphäre der Gesellschaft (siehe ganz oben); Coronafälle mit einem schweren Krankheitsverlauf könnten allerdings für GmbH-Geschäftsführer strafrechtliche Folgen mit sich bringen.

So sie noch nicht vorhanden ist, wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt für den Abschluss einer Directors & Officers sowie einer Strafrechtsschutzversicherung durch die Gesellschaft zu Gunsten ihrer Manager.

Kurzüberblick über ausgewählte Erleichterungen

Der Gesetzgeber hat aus gegebenem Anlass folgende für GmbHs maßgebliche zeitlich befristete Maßnahmen erlassen:

Die in den Grundzügen wiedergegebene Fristenhemmung schafft den GmbH-Geschäftsführern zweifelsohne einen gewissen Freiraum, löst aber nicht die wahrscheinlich zwischenzeitlich eingetretenen wirtschaftlichen Probleme.

Offene Urlaubs- oder Zeitguthaben im Zeitraum 15.3. bis 31.12.2020 müssen auf Verlangen des Arbeitgebers verbraucht werden; dies allerdings nur, wenn die Gesellschaft von Arbeitsausfällen infolge Quarantäne sowie Betretungsverboten betroffen war.

Rücktritt des Geschäftsführers als Ultima Ratio?

Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften schulden als treuhändische Verwalter fremden anvertrauten Vermögens eine Treuepflicht gegenüber ihrer Gesellschaft; das gilt insbesondere auch in der Krise. Auf der anderen Seite ist der § 16a GmbHG – Rücktritt des Geschäftsführers (auch gegen den Willen der Gesellschafter) – eines der wichtigsten Rechte überhaupt.

Bevor ein solcher Schritt in Erwägung gezogen wird, sollte aus haftungsprophylaktischer Sicht sichergestellt sein, dass eine allfällige Insolvenzantragspflicht nicht verabsäumt wurde. Sollte dieses „Hoppala“ schon passiert sein oder im Bereich des realistisch Möglichen liegen, so lautet die klare Empfehlung: Rücktritt verschieben und Unternehmen sanieren.

Ansonsten hat der rücktrittswillige Geschäftsführer sicher zu stellen, dass nach seinem Ausscheiden eine ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft möglich ist; gegebenenfalls ist gleichzeitig mit der Rücktrittserklärung auch eine Generalversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „Bestellung eines Geschäftsführers“ einzuberufen.

Fazit: Die gegenwärtige gesamtwirtschaftliche Situation ist ernst; sie bietet aber auch die Chance, „Ballast“ hinter sich zu lassen.

Aufgrund ihrer Organstellung sind GmbH-Geschäftsführer im Hinblick auf die „Unternehmensführung“ (dazu gehört im worst case auch, das Unternehmen vom Markt zu nehmen) besonders gefordert. COVID-19 wird Opfer fordern: wirtschaftliche und menschliche (oder beide).

Es empfiehlt sich, in den nächsten Wochen mit Anstand und unter Beachtung wirtschaftsethischer Gesichtspunkte sorgfältig abgewogene unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Nach Möglichkeit sollten alte Konflikte begraben und neue vermieden werden. Realistischer weise ist zu befürchten, dass hierzu die Bereitschaft „nicht flächendeckend“ vorhanden ist. Nehmen Sie aus diesem Beitrag das mit, was Sie für sich als passend ansehen. Und bleiben Sie gesund!